Banken können ETFs zur Kundenbindung einsetzen

Der zunehmende, von der Regulierung forcierte Verbraucherschutz und der Trend zur Digitalisierung in der Finanzbranche können ebenfalls für ETFs sprechen. Die lange erwartete Novelle der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, Markets in Financial Instruments Directive) wird für die Finanzbranche zur Realität. Das als MiFID II bekannte Regelwerk muss bis Juli 2016 in nationales Recht…


Der zunehmende, von der Regulierung forcierte Verbraucherschutz und der Trend zur Digitalisierung in der Finanzbranche können ebenfalls für ETFs sprechen.

Die lange erwartete Novelle der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, Markets in Financial Instruments Directive) wird für die Finanzbranche zur Realität. Das als MiFID II bekannte Regelwerk muss bis Juli 2016 in nationales Recht umgesetzt werden. MiFID II soll die Finanzmärkte in der EU und insbesondere den Vertrieb von Finanzprodukten wie Investmentfonds harmonisieren. Spannend ist, wie künftig Provisionen behandelt werden, die aktuell in den meisten aktiv gemanagten Fonds enthalten sind. Sie bilden schließlich die Grundlage für die Honorierung des Fondsvertriebs bei Finanzberatern, aber auch im Bankensektor. Denn die Europäische Marktaufsichtsbehörde ESMA hält in ihren Vorschlägen an die EU-Kommission zur Umsetzung der MiFID-Richtlinie an einigen Punkten fest, in denen die Zahlung von Provisionen künftig nicht mehr zulässig sein soll. Ausnahmen sollen gelten, wenn zum Beispiel Anlageberatung mit regelmäßiger Nachberatung verbunden ist oder der Kunde Zugang zu einer breiten Produktpalette oder anderen Zusatzangeboten wie Online-Informationstools erhält.

Das Bankgeschäft wird sich ändern

Da ETFs grundsätzlich keine Provisionen enthalten, entspricht der Vertrieb von ETFs damit den erwarteten MiFID-Regeln. Die von den Aufsichtsbehörden geforderte Transparenz fällt zusammen mit dem Trend zur stärkeren Digitalisierung der Finanzbranche – sprich, dass mehr und mehr Dienstleistungen online wahrgenommen werden können. Die Beratungsgesellschaft Bain & Company erwartet auf Basis einer Studie bei 75 Großbanken weltweit, dass die in Filialen abgeschlossenen Transaktionen jährlich um 10 bis 15 Prozent abnehmen, zugunsten von Online-Umsätzen.

ETF-Nachfrage steigt aktuell weiter

Der klassische Informationsvorsprung der Banken hat abgenommen. Anleger können sich einfacher als früher über Finanzprodukte, deren Chancen und Risiken informieren – diese Transparenz wird sogar wie beschrieben noch zunehmen. Als Beispiel für diesen Trend, dass Investoren selbst entscheiden und Anlageprodukte auswählen, kann das Wachstum bei ETFs gelten. Die damit verwalteten Volumen stiegen in den vergangenen zehn Jahren weltweit um ein Vielfaches an. Bis Ende Juli 2015 wurden in Europa 442 Milliarden Euro in ETFs angelegt; weltweit sind es 2,8 Billionen US-Dollar (Quelle: Deutsche Bank, Stand 31.07.2015). Und die Verbreitung von ETFs nimmt stetig zu. Der Anteil der ETFs am verwalteten Vermögen aller UCITS-Fonds in Europa ist seit Anfang 2014 von 3,0 auf 3,5 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: In den USA liegt die vergleichbare Quote bereits bei 15 Prozent. Laut einer Studie des Beratungshauses PwC wird der Anteil passiver Investments insgesamt am globalen Asset-Management-Markt 2020 von elf Prozent auf 22 Prozent steigen.

Eigenschaften von ETFs

ETFs bilden in der Regel passiv die Entwicklung eines Index ab. Da in der Regel kein aktives Fondsmanagement involviert ist, liegen die Pauschalgebühren p.a. zum Teil deutlich unter den Kosten anderer aktiv gemanagter Fonds. ETFs sind Sondervermögen nach der UCITS-Fondsrichtlinieund damit im Falle einer Insolvenz der Verwaltungs- oder Vertriebsgesellschaft geschützt. Gleichzeitig können ETFs laufend über die Börse gehandelt werden und die ETF Portfolios sind in der Regel transparent. Die wichtigsten Investoren in börsengehandelte Indexfonds sind derzeit große professionelle Kunden wie Fondsgesellschaften oder Versicherungen, die oftmals auf Basis eigener Entscheidungen einen Teil des Vermögens in ETFs allokieren. Nach Schätzungen der Deutschen AWM stammen erst rund 10 bis 15 Prozent des verwalteten Vermögens in ETFs von Privatanlegern, die meist über einen Online-Broker oder eine Direktbank handeln. Während ETFs im Vertriebskanal Online-Banking seit langem akzeptiert sind, nimmt der klassische Bankenvertrieb erst langsam das Potenzial der ETFs wahr. Allerdings sind auch bei ETFs Risiken zu beachten. Es gibt keinen Fondsmanager, der bei einem eventuellen Kurseinbruch eingreift. Dadurch könnte der ETF-Wert jederzeit unter den Preis fallen, zu dem der Anleger die Fondsanteile erworben hat. Daraus können Verluste resultieren. Anleger sollten sich beim Einsatz von ETFs genau über ihre Risikotragfähigkeit und ihre Anlageziele im Klaren sein. Dabei kann eine Beratung in einer Bank sinnvoll sein.

ETFs als Kundenbindung für den klassischen Bankenvertrieb

Es gibt gute Gründe, dass es für Banken sinnvoll sein könnte, Indexfonds stärker zu berücksichtigen. Denn unabhängig vom Produkt schätzen Kunden eine qualitativ hochwertige Beratung – und suchen mehr denn je eine individuelle Anlagelösung. Der Einsatz von ETFs kann damit helfen, neue Kundengruppen zu erschließen oder bestehende Beziehungen zu kräftigen. Im Kern geht es in der Vermögensverwaltung einer Bank vor allem um das Erreichen der angestrebten Ertragsziele für das Kundendepot. ETFs könnten verstärkt eingesetzt werden, um die jeweilige Marktmeinung umzusetzen. Die Honorierung erfolgt in der Regel ohnehin über eine Vermögensverwaltungsgebühr, die von den eingesetzten Produkten unabhängig ist.
ETFs sind zudem geeignete Bausteine für ein diversifiziertes Portfolio. Entsprechend oft werden sie für Asset-Allocation-Produkte eingesetzt. Ein Trend geht daher zu ETF-Managed-Portfolios oder ETF-Dachfonds, die üblicherweise mindestens 50 Prozent ihres Vermögens in ETFs investieren. Laut einer Untersuchung von Morningstar hat das Segment der ETF-Dachfonds im letzten Jahr einen Wachstumssprung gezeigt. Eine Auswertung zeigt einen Vermögenszuwachs von Ende 2013 bis Ende 2014 von 17 Prozent auf 13,52 Milliarden US-Dollar.
Besonders gefragt sind laut Morningstar ETF-Dachfonds, die ein Anlageuniversum mit global ausgerichteten Strategien abdecken. Mittlerweile gibt es solche Produkte auch bei Banken. Ein Beispiel ist die Best-Allokation-Produktfamilie, die ihr Fondsvermögen überwiegend in ETFs anlegt. Andere aktuelle Beispiele für gemanagte ETF-Depots sind Fine-Folio-ETF-Strategien, die seit Anfang 2015 über den Maklerpool Jung, DMS & Cie. aus München angeboten werden, oder das im Juli 2015 eingeführte fintego Managed ETF-Depot der European Bank for Financial Services (ebase).

Was sind ETFs?

ETF ist die Abkürzung für Exchange Traded Funds (börsengehandelte Indexfonds). Sie sind an einer Börse gelistet sind und haben das Ziel, die Wertentwicklung eines zugrunde liegenden Index so exakt wie möglich abzubilden.
Wie ist der rechtliche Rahmen? In Europa gehandelte ETFs entsprechen den europäischen Vorschriften für Investmentfonds (UCITS bzw. OGAW). Wo investieren ETFs? Mit ETFs können sich Investoren in einer breiten Palette von Aktienmärkten engagieren (z.B. Industrie- und Schwellenländer, Sektoren), in verschiedenen Anleihemärkten (z.B. Staats- und Unternehmensanleihen, Inflationsgeschützte Bonds) sowie Rohstoffindizes. Wie erreichen ETFs ihr Anlageziel? Bei der direkten Replikation investieren ETFs in dieselben Indexbestandteile in genau derselben Gewichtung wie der zugrunde liegende Index. Bei der indirekten Replikation investieren ETFs in liquide Wertpapiere, zusätzlich wird eine Swap-Vereinbarung eingegangen. Dabei wird die Wertentwicklung des Fondsportfolios gegen die Performance des zugrunde liegenden Index getauscht.

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