Tier ist Tier, Mensch ist Mensch

Bei Mitarbeitermotivationen sind Tiervergleiche ein gern und oft benutztes stilistisches Mittel. Hierbei pickt man sich aber nur allzu gerne die Verhaltensweisen aus, die besonders schön klingen. Damit verfälscht man in eklatanter Art und Weise die Verhaltenspsychologie der Tiere. Ein Matriarchat als Vorbild? Gefühlt jeder Vertriebscoach zieht mit Vorliebe Analogien zu Tieren. Mitarbeiter müssen fleißig sein…


Bei Mitarbeitermotivationen sind Tiervergleiche ein gern und oft benutztes stilistisches Mittel. Hierbei pickt man sich aber nur allzu gerne die Verhaltensweisen aus, die besonders schön klingen. Damit verfälscht man in eklatanter Art und Weise die Verhaltenspsychologie der Tiere.

Ein Matriarchat als Vorbild?

Gefühlt jeder Vertriebscoach zieht mit Vorliebe Analogien zu Tieren. Mitarbeiter müssen fleißig sein wie die Ameisen. Ach ja, was kann man nicht alles lernen von diesen kleinen Mitgliedern der großen Familie der Insekten? Sie sind äußerst effektiv organisiert, jedes Mitglied kennt seine Aufgaben und zusammen sind sie, obwohl sehr klein und schwach, stark wie Löwen. Ja, ist in Ordnung, wir haben verstanden. Nur finde ich diese Vergleiche nicht zu Ende gedacht. Jede Gattung hat ihre eigenen Vorlieben und Verhaltensweisen. Bei den Ameisen stehen ausschließlich Weibchen an der Spitze, die nicht nur ihre starke Stellung innerhalb der Hierarchie mit Gewalt verteidigen, sondern auch, wenn sie an Mangel leiden, Teile ihrer Eier verspeisen. Gut, organisieren wir Firmen wie einen Ameisenstaat. An der Spitze stehen ausnahmslos nur Frauen, die ihre Konkurrentinnen töten. Bei Nahrungsmittelmangel, schlachten sie ihre Kinder und machen Gulasch aus ihnen. Sowieso besteht der Sinn und Zweck der Firmen nur darin, die Chefin zur Schwangerschaft zu verleiten. Bei aller Liebe zur Gleichberechtigung – auch Befürworter der Frauenquote dürfte bei diesem Gedanken die Nackenhaare zu Berge stehen.

Der Löwe in Dir

Aber nicht nur Insekten, auch die bekannten Säugetiere müssen herhalten. Neuerdings lobt man sogar den Löwen und stellt die These auf, das Topmanager und Führungspersönlichkeiten vom König des Tierreichs lernen können. Was muss man da nicht alles lesen? Der Löwe ist Herr in seinem Revier, schont seine Kräfte und lässt andere für sich arbeiten und kämpft für sich und sein Rudel. Angeblich sei dies nachahmenswert. Was aber soll der Mensch daraus lernen? Jeder Hobbybiologe weiß, dass die Weibchen jagen, aber dem Alphamännchen das größte Stück an der Beute lassen müssen. Nicht umsonst gibt es in der Umgangssprache den Begriff „Löwenanteil“. Auch hier gilt dasselbe wie bei den Ameisen – Gleichberechtigung sieht anders aus.

Außerdem vollzieht sich ein Machtwechsel innerhalb des Rudels auch nicht nach demokratischen Maßstäben. Wer meint, es mit dem Rudelführer aufzunehmen, muss ihn töten. Anschließend wird sein Nachwuchs entweder vertrieben oder getötet und die Weibchen müssen dem neuen starken Mann Kinder gebären. Sexuelle Selbstbestimmung wird anders definiert.

Jede Gattung hat ihre eigenen Verhaltensweisen

Jede Gattung hat ihre eigenen Maßstäbe, nach denen eine Gesellschaft funktioniert. Wer Mitarbeiter einer Firma mit Tieranalogien motivieren will, pickt sich nur Einzelteile heraus und verklärt sie zu gut funktionierenden sozialen Verhaltensweisen. Aber das bedeutet nicht, dass man vereinzelt welche von ihnen eins zu eins auf den Menschen übertragen kann. Auch bei den Tieren muss man alles im Ganzen sehen, und gerade das wird mit einem Vorgehen der Bruchstücke nicht erfüllt. Gleichberechtigung, Partizipation der Mitarbeiter bzw. Untergebenen, sexuelle Selbstbestimmung, Fairness innerhalb einer Hierarchie sind nicht zwingend natürlich – aber wer sagt denn, dass alles Natürliche gut ist?

Bildnachweis: Yuri_Arcurs via istockphoto.de