Entschleunigung

Auf die gestiegenen Heizöl- und Benzinpreise kann man unterschiedlich reagieren. „Nützt ja nichts, Hauptsache die Haare liegen an“, mag sich der eine oder andere denken und fährt und heizt wie zuvor. „Ich verzichte auf meinen Urlaub und die Kinder bekommen dieses Jahr zu Weihnachten keine Geschenke“ dürfte – in Verkennung der tatsächlichen Zusatzbelastungen – eine…


Auf die gestiegenen Heizöl- und Benzinpreise kann man unterschiedlich reagieren. „Nützt ja nichts, Hauptsache die Haare liegen an“, mag sich der eine oder andere denken und fährt und heizt wie zuvor. „Ich verzichte auf meinen Urlaub und die Kinder bekommen dieses Jahr zu Weihnachten keine Geschenke“ dürfte – in Verkennung der tatsächlichen Zusatzbelastungen – eine Konsequenz am anderen Extremende des Meinungsspektrums sein. Die meisten von uns werden womöglich einfach nur ein paar Minuten früher aufstehen und dann etwas langsamer fahren, insbesondere, nachdem AutoBild kürzlich herausgefunden hat, dass selbst Kompaktwagen bei Tempo 180 bis zu 20 Liter E-Sprit schlucken. Das Land Spanien wählt sogar die Variante des kollektiven Einbremsens: Ab sofort gilt auf den iberischen Autobahnen ein Tempolimit von 110 km/h statt 120 km/h. Mit der Zwangsentschleunigung einer ganzen Nation sollen pro Jahr 1,4 Mrd. Euro Spritkosten eingespart werden – Geld, das beispielsweise für den Import von 200.000 SUVs deutscher Produktion verwendet werden kann. Es dürfte nur wenige Tage dauern, dann wird Deutschland den Gutti machen und diskutieren, ob man die Idee Spaniens nicht abkupfern solle. Am Ende einigt sich die Koalition dann auf eine Kompromissgeschwindigkeit von maximal 112 km/h (Hartz IV-Empfänger dieses Jahr fünf, nächstes Jahr weitere drei km/h mehr). Wir pflastern unsere Autobahnen mit 100.000 neuen Temposchildern (deren Produzenten jetzt long gehen!), von denen jedes mit einer Fußnote versehen ist: „Quelle: Spanien“.
 
Wer bei diesem Tempo nicht mitbekommen hat, wer die Hersteller blechener Verkehrsschilder sind, dem sei empfohlen, gleich den ganzen Aktienindex long zu gehen. Wir haben Monatsanfang, und das heißt nach der Erfahrung des letzten Jahres: It’s Rally time! Von den letzten 13 Monaten schloss der DAX nicht weniger als elf Mal den ersten Handelstag mit einem Plus ab. Ein Mal gab es ein leichtes Minus und nur am 1. Juli 2010 hätte man sich mit der Strategie Long First voll in die Nesseln gesetzt (-1,8%). Drei Mal hingegen ist der DAX um mehr als 1%, vier Mal sogar um mehr als 2% in die Höhe geschnellt. Spiegelbildlich sieht es im Rentenmarkt aus: Mit dem Bund Future ist zu Monatsbeginn einfach kein Staat zu machen. Schauen Sie auf Ihren Schirm, was steht da unter „Tagesveränderung Bund Future“? Wahrscheinlich „minus 150“. Nun gut, an dieser Stelle müssen wir fair bleiben und darüber aufklären, dass etliche Systeme bereits heute vom März-Kontrakt in den Juni-Kontrakt „rollen“. Eine Initiative der Koalition, die Rollverluste auf maximal 112 Stellen zu begrenzen, lief unlängst ins Leere…
Gibt es außer der Tatsache, dass Monatsanfang ist, noch andere Gründe, um heute auf festere Aktienkurse und steigende Renditen zu setzen? Ja, die Gründe sind allerdings die gleichen wie seit zwei Wochen. Und seit zwei Wochen fühlt sich eine Short Bund Position ungefähr so an, wie in einem Auto mit 112 km/h rückwärts zu fahren: zunehmende Adrenalinproduktion bei gleichzeitig abnehmendem Sicherheitsgefühl. Eine Initiative der Koalition, eine Maximalgeschwindigkeit für Rückwärtsfahrer einzuführen, lief unlängst ins Leere…
 
 
Chronistenpflicht zum Thema: heute gibt’s die geblitze Schätzung für die EWU-Inflationsrate im Februar (2,5% sind möglich). Am Nachmittag referiert Ben Bernanke turnusgemäß auf der früher mal „Humphrey Hawkins“ genannten Dichterlesung vor dem US Senat. Dazu gibt’s deutsche Arbeitsmarktzahlen, europäische PMIs (schon wieder…) und den amerikanischen ISM Index für das vertikale Gewerbe.

Foto von gabriela schaufelbergerwww.istockphoto.de