Ratingagenturen am Pranger

Das Westfalen-Blatt mit einem Kommentar zu Ratingagenturen. Sie sind Fluch und Segen. Sie werden gehasst, aber gleichwohl gebraucht. Ratingagenturen stehen seit 2008 am Pranger. Damals haben sie durch gute Noten für Schrottpapiere die Finanzkrise mit ausgelöst. Heute torpedieren sie durch immer schlechtere Noten für kriselnde Länder die Rettungsbemühungen der EU. Mehr noch: Sie befeuern die…


Das Westfalen-Blatt mit einem Kommentar zu Ratingagenturen.

Sie sind Fluch und Segen. Sie werden gehasst, aber gleichwohl gebraucht. Ratingagenturen stehen seit 2008 am Pranger. Damals haben sie durch gute Noten für Schrottpapiere die Finanzkrise mit ausgelöst. Heute torpedieren sie durch immer schlechtere Noten für kriselnde Länder die Rettungsbemühungen der EU. Mehr noch: Sie befeuern die Krise. Vor allem das Timing ihrer Abwertungen, das oft nach beschlossenen Spargesetzen verkündet wurde, hat viele erbost. Ein Fluch, diese Ratingagenturen!

Andererseits haben sie es wie keine andere Institution oder Partei geschafft, das Hauptaugenmerk der Politik auf den längst überfälligen Schuldenabbau zu legen. Ein Segen!

Die Frage ist, ob die drei großen, den Markt beherrschenden Ratingagenturen Moody’s, Standard & Poor’s sowie Fitch redlich arbeiten oder ihre Macht missbrauchen. Während sich die Agenturen auf Meinungsfreiheit berufen, sieht die Politik das fortwährende Herabstufen der Länder-Bonitäten als Brandbeschleuniger. Auch wenn das niemand so offiziell sagt. Brüssel will sich das nicht länger gefallen lassen. Zumal die versehentliche Herabstufung von Frankreichs Top-Bonität durch S&P weiteres Öl ins Feuer gegossen hat. »Ratingagenturen sind wichtig, vielleicht zu wichtig«, ärgert sich EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier und holt zu drastischen Gegenschlägen aus. Sein Plan, die Benotung von Staaten zu verbieten, geht jedoch zu weit. Das käme nicht nur einer Zensur gleich, es wäre auch gefährlich. Ein Verbot könnte die Finanzmärkte zusätzlich verunsichern und würde somit kontraproduktiv auf die Zinshöhe für Staatsanleihen wirken.

Gut sind indes Vorschläge, die einerseits die gegenseitige Verflechtung von zwei der großen Agenturen (Moody’s und S&P) beseitigen wollen und andererseits auf einen verstärkten Wettbewerb der Agenturen untereinander abzielen. Ebenfalls sinnvoll erscheint der Vorstoß, einheitliche Bewertungsstandards zu entwickeln und die Noten über die EU-Börsenaufsicht allen Investoren offenzulegen. Schließlich dürfte auch der Plan, die Ratingagenturen privatrechtlich für Fehler haften zu lassen, zu mehr Sorgfalt beim Erstellen der Gutachten sorgen.

Am besten aber wäre es, den Wettbewerb zu beflügeln. Die Idee einer europäischen Ratingagentur schien da zwar verlockend, wurde aber schnell wieder verworfen. Auch wenn man so ein Gegengewicht zu der von den USA beherrschten Branche hätte aufbauen können, die Gefahr einer Einflussnahme durch die Politik wäre gegeben. Europa selbst ist an der Macht der Agenturen nicht ganz unschuldig, hat es doch die großen Drei erst stark gemacht. So verlangt die Bundesfinanzaufsicht für Finanzanlagen von Versicherungen Benotungen durch die Ratingagenturen. Und auch die Europäische Zentralbank fordert für bestimmte Anleihen eine Bonitätsbewertung. Richtig ist, die Macht der Ratingagenturen zu begrenzen, ohne ihre Existenz zu gefährden. Das wäre wirklich ein Segen.

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