Krypto: Die Täler weniger tief, die Höhen höher 

Die Krypto-Märkte schwanken derzeit zwischen Enttäuschung und Hoffnungen über politische Entwicklungen sowie der Erwartung auf einen neuen Innovationsschub. Hartmut Giesen von der Sutor Bank erklärt, warum die Weichen langfris­tig auf Wachstum stehen.


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Märkte und allen voran Kryptos sind seit dem Amtsantritt von Donald Trump Achterbahn gefahren. Nach einem Euphorie-getriebenen Peak sind sie synchron in den Keller gerauscht. Trumps Zollpolitik und sein sonstiges Agieren haben die Märkte allgemein verunsichert. Die Kryptopolitik war auch nicht so radikal, wie sich das die Branche erhofft hatte. Dann kam es zu einer bemerkenswerten Entwicklung: Der Bitcoin-Preis war bislang makroökonomisch über weite Zeiträume relativ eng mit Technologie-Aktien korreliert. Nur wenn es Krypto-spezifische Ereignisse gab, war die Korrelation schwächer. Jetzt haben sich Bitcoin-Preis und Aktienentwicklung weit auseinanderentwickelt. Während die Aktien am Boden blieben, hat sich der Bitcoin wieder fast auf das Rekordniveau zurückgekämpft.

Einer der Gründe für die Renaissance des Kryptomarkts ist, dass viele Regulierungen umgesetzt wurden, die die Krypto-Adaption innerhalb des Finanzsystems langfristig beschleunigen werden: Banken in den USA dürfen künftig ohne weitere Erlaubnis Kryptowerte verwahren und handeln, Stablecoins managen und an Blockchain-Netzen teilnehmen. Auch die strategische Kryptoreserve kommt in veränderter Form. Ein zweiter Grund ist, dass der Bitcoin trotz seiner Volatilität inzwischen fast als sicherer Hafen und Absicherung gegen die erratische Wirtschaftspolitik von Trump gilt, was zu zusätzlichem Cash-Inflow führt.

Die kurzfristigen passen zu den langfristigen Wellenbewegungen, mit denen sich Bitcoin und andere Kryptowerte seit ihrer Existenz entwickelt haben. Die Wellenberge steigen höher, während die Täler weniger tief ausfallen. Die langfristige Aufwärtsbewegung lässt sich durch die wachsende Adaption von Kryptowährungen als innovative Technologie erklären. Diese Bewegung wird durch externe und interne Treiber beeinflusst, die Wellenberge und -täler formen. Sie entstehen aus der hybriden Natur der Kryptos, die Finanz- und Technologieinnovationen vereinen. Die Impulse aus dem Finanzbereich liefen bislang sehr synchron zu den Entwicklungen von Risiko-Assets wie Technologie-Aktien. Das hat sich zumindest für den Augenblick geändert. Spannend bleibt, ob die „Dekorrelation“ von Krypto und Technologie-Aktien langfristig bestehen bleibt und ob sich die digitalen Währungen damit als Diversifikationsinstrument nutzen lassen.

Bekommt auch Krypto-Innovation einen Schub? 

Für eine noch langfristigere Perspektive stellt sich die spannende Frage, ob sich der durch freundlichere Regulierung getriebene Krypto-Boom nur in Form steigender Marktkapitalisierung zeigt, oder ob auch echte auf der Blockchain-Technologie basierende Innovation einen Schub bekommen könnte. Die große Chance besteht darin, dass jenseits von Bitcoin, Ethereum und Memecoins tatsächlich innovative technologiegetriebene Produkte oder Geschäftsmodelle mit Massenrelevanz entstehen. 

Neben der Regulierung kann auch die Entscheidung für den Aufbau von strategischen Bitcoin-Reserven durch die USA und nachfolgend durch andere Staaten doch noch zu einem Bitcoin-Nachfrageschub führen und den Kurs treiben. Zwar sollen aktuell keine neuen Bitcoins gekauft werden, doch es sollen neue Kaufstrategien entwickelt werden, um Budget-neutral Kryptowerte in die strategische Reserve zu bekommen. 

Doch auch hier gilt wieder: Die Abwärtsbewegungen erfolgen softer und harmloser als noch in vergangenen Jahren. Der solide Sockel der Kryptos hat sich etabliert und je mehr Spieler im Markt mitmischen, je mehr Kapital dort liegt, auch und gerade in den ETFs, und je mehr Innovation dazukommt, desto stärker werden die kommenden Ausbrüche nach oben erfolgen.  

Investoren kommen zurück 

Erste Antworten auf die Innovationsfragen lassen sich bereits erkennen. So ist zu beobachten, dass sich das Innovationsklima in der gesamten Kryptobranche merklich verbessert: Risikokapitalgeber, die Investitionen in Kryptoprojekte lange Zeit gemieden haben, beginnen dort nun wieder aktiv zu werden. Umgekehrt erhalten Kryptoinnovatoren wieder Geld, um neue Geschäftsmodelle und Produkte auf Basis der Blockchain zu entwickeln. Dass die Finanzierung durch Token-Offerings regulatorisch einfacher wird, erweist sich als unterstützend: Bisher hat die US-Börsenaufsicht unterstellt, dass es sich bei Token um Wertpapiere handelt, und den Handel damit verboten oder hohe regulatorische Anforderungen gestellt. Künftig soll die Kryptoaufsicht aber nicht mehr bei der SEC, sondern bei der entsprechenden Behörde für die Rohstoffaufsicht liegen. Dies könnte Kryptounternehmern in den USA das Aufsetzen von Geschäftsmodellen erleichtern.   

Innovationen entstehen zurzeit vor allem in Bereichen wie dezentralen physischen Infrastrukturnetzwerken (DePIN), Blockchain x AI oder Stablecoins. Darin liegen auch die künftigen Investment-Narrative: Diese Use-Cases elektrisieren viele Gründer und Investoren und könnten die „Ursuppe“ für die ersten großen Blockchain-basierten Massenanwendungen werden. Denn noch immer ist die Kryptoindustrie auf der Suche nach der Killerapplikation für die Blockchain jenseits ihrer Nutzung als Plattform für Kryptowährungen. Kryptowährungen haben sich nicht als Zahlungsmittel durchgesetzt, wofür zumindest Bitcoin einst gedacht war. Und Defi oder NFT als Blockchain-basierte Innovationen sind bislang nicht aus ihrem Nischendasein herausgekommen. 

Große Use-Cases vor dem Durchbruch? 

Deshalb bleibt nun abzuwarten, ob durch eine kryptofreundliche Politik und Regulierung sowie neu motivierte Risikoinvestoren eine Art „kambrische Artenexplosion“ stattfindet, die zu neuen Geschäftsmodellen oder Produkten führt. Hier liegt die große Chance, dass auch die großen Use-Cases wie Blockchain-basierter Kapitalmarkt, Blockchain-basiertes Identitätsmanagement sowie Tokenisierung, an denen schon lange ohne wirklichen Durchbruch gearbeitet wird, mit dem aufkommenden Krypto-Momentum umgesetzt werden können. Zumal gerade die KI-Entwicklung die Authentifizierung von menschengenerierten Inhalten dringend notwendig macht, was wiederum digital verwaltete Identitäten erfordert. 

Die Kombination aus positiver Regulierung, einem aufkommenden Innovationsklima und neuen Use-Cases spricht für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. Doch gerade in einem so dynamischen Marktumfeld sollten Anleger ihre Investments gut diversifizieren. Sollten sich etwa mit Blick auf Regulierung und Politik die Erwartungen mittelfristig nicht erfüllen, könnte dies die Kryptokurse empfindlich treffen und auch zu einem neuen „Kryptowinter“ führen. Bei Investments jenseits von Bitcoin oder Ethereum sollten Anleger auf Projekte mit realem Nutzen setzen, beispielsweise in den Bereichen AI, DePIN und Tokenisierung. Auch gilt es grundsätzlich, sich intensiv mit der Technologie und den Möglichkeiten von Kryptowährungen auseinanderzusetzen, bevor investiert wird.

Hartmut Giesen


Hartmut Giesen realisiert für die Sutor Bank seit 2012 digitale Geschäftsmodelle. Zu seinen Aufgaben gehören das Business Development FinTech, Krypto & Blockchain und digitale Partner sowie der Auf- und Ausbau der Sutor Banking-Plattform.