Die Zukunft des Risikomanagements II

Die Finanzbranche steht vor gleich mehreren Herausforderungen. Konkurrenz durch Nicht-Banken, neue Vertriebs- und Kommunikationskanäle, aber vor allem regulatorische Auflagen und neue Anforderungen an das Risikomanagement. Thorsten Hahn, Herausgeber der BANKINGNEWS, sprach mit Jens Korb, Senior Consultant bei NTT DATA, über die Zukunft des Risikomanagements. Lesen Sie in dieser Ausgabe den zweiten Teil des Intervierws. Der…


Die Finanzbranche steht vor gleich mehreren Herausforderungen. Konkurrenz durch Nicht-Banken, neue Vertriebs- und Kommunikationskanäle, aber vor allem regulatorische Auflagen und neue Anforderungen an das Risikomanagement. Thorsten Hahn, Herausgeber der BANKINGNEWS, sprach mit Jens Korb, Senior Consultant bei NTT DATA, über die Zukunft des Risikomanagements. Lesen Sie in dieser Ausgabe den zweiten Teil des Intervierws. Der erste Teil erschien in der 28. Ausgabe BANKINGNEWS.

Thorsten Hahn: Jetzt haben wir im Grunde genommen die ganze Zeit über Risikomanagement im Allgemeinen gesprochen. Sie haben jetzt aber gerade mal bewusst den Bereich Kreditrisiko angesprochen.
Jens Korb: Das ist ein reines Beispiel.

TH: Ja genau. Wir reden aber auch immer von mehreren Risikobereichen. Wir haben OpRisk, Liquiditätsrisiken, etc. Ein weiteres Mal reflektiert auf Ihre Einstiegsfrage, sieht es in diesen einzelnen Bereichen überall gleich gut aus oder gibt es da deutliche Unterscheide?
JK: Wenn man sich mal die Historie anschaut in welchen Risikobereichen modellhaft schon lange gearbeitet wird, dann ist mit Sicherheit im Bereich des Marktrisikos das ganze Thema methodisch relativ stabil und sauber. Da kommen Modellmodifizierungen rein, neuere Ansätze, Ideen, aber zumindest ist es auf kurzfristigen Prognosehorizonten von Wochen, Monaten, bis zu einem Jahr relativ zielsicher zu sagen, wo steckt das Risiko. Die Frage ist, will man diesem Modell glauben, im Sinne des Value-at-Risk? Das ist ja letztlich auch nur eine Verlustverteilung, was zu einem gegebenen Zeitpunkt das Verlustniveau anzeigt. Was die Statistik angeht ist es von den Modellen, Zahlen und der Datenversorgung extrem gut, weil sie eine riesengroße Datenbasis haben. Das Kreditrisiko ist mittlerweile auch relativ gut und stabil ausgebaut, inklusive der Kreditportfoliomodelle. Aber auch da gilt immer die Frage, glaube ich meinen Value-at-Risk oder glaube ich ihm nicht? Schlicht und ergreifend, es ist ein Modell, nicht die Wirklichkeit!

TH: Auf einer unserer Veranstaltungen hatten wir Dr. Hodel, von der Raiffeisenbank Schweiz, zu Gast und der hat sehr bildhaft erklärt wo der Engpass ist. Er hat gesagt, nur weil jemand ein Jahr geworden ist, dann zwei, fünf, fünfzehn und fünfzig Jahre überlebt hat, kann man nicht rückwirkend sagen er ist unsterblich.
JK: Richtig. Das ist ein schönes Bild. Das ist das „Grundproblem“ des Risikomanagements! Es wird vielleicht auch überschätzt und vor allem die Frage was kann Risikomanagement faktisch leisten? Es kann im Prinzip nur auf Basis von Erfahrungen Werte zusammenstellen und Prognosen für die Zukunft geben. Diese sind allerdings nicht sicher. Es verlangt dann das unternehmerische Gespür des Managements und ggf. den Mut entsprechende Entscheidungen zu treffen. Oft scheinen keine getroffen zu werden. Die Zahlen werden zur Kenntnis genommen und keine Entscheidung ist meistens schlecht.

TH: Das ist die schlechteste Handlungsalternative, definitiv.
JK: Ganz kurz, um abzuschließen, Marktkreditrisiko ist relativ stabil und gut. Genauso die Zinsänderungs- und Wechselkursrisiken, einfach aufgrund großen Datenbasen und der vorhandenen Absicherungsinstrumente. Hiermit ist eine tatsächliche nachgelagerte Risikosteuerung, also des Managements bereits eingegangener Risiken sehr gut und schnell möglich. Beim Kreditrisiko und Kreditportfolio hat man schon größere Probleme. Man kann in Teilen das Risiko mit entsprechenden Instrumenten wie CDS etc. hedgen, aber in der Masse, was das Portfolio angeht, das bekommen sie so schnell nicht gedreht. Was eher noch in den Kinderschuhen steckt, ist das operationelle Risiko, was Quantifizierung angeht, da erst vor zehn, elf, zwölf Jahren mit Basel II gewissen Standards unterworfen wurde. Viele Banken quantifizieren dies aber noch nach den einfacheren aufsichtlichen Verfahren wie BIA oder Standard Ansatz, die Ergebnisse liefern, die mit dem tatsächlichen operationalen Risiko nicht viel zu tun haben. Ob das Risiko im operationellen Bereich höher ist, nur weil sie einen höheres Ergebnis ausweisen lasse ich mal dahingestellt. Was noch relativ dünn ausfällt ist das Thema Liquiditätsrisiko. Sobald dieses Risiko schlagend wird, dann wird es gleich richtig eng.

TH: Das ist vielleicht auch ein Grund weshalb die EZB so freigiebig mit Geld ist. Ich glaube die haben das erkannt oder?
JK: Ja, das ist das große Thema, woran die Modellwelt momentan stark dran ist. Dann natürlich auch weiterführende Fragen. Jetzt habe ich einen Preis für Liquidität, im Sinne eines Risikopreises. Wie lege ich den um auf z.B. die Produkte oder die Kunden, die die Liquidität in Anspruch nehmen? Das ganze Thema Pricing, das ist momentan sehr stark diskutiert. Ein Trend in Banken, den wir seit einiger Zeit sehr stark wahrnehmen, ist es, die IT und Prozesse im Bereich Gesamtbanksteuerung, sprich Risikomanagement, Controlling, Accounting zu harmonisieren. Was auch eine fachliche Vereinheitlichung bedarf, um wirklich zeitnah Zahlen bei den Entscheidern vorliegen zu haben. Und zwar kombiniert und vergleichbares aus Risikocontrolling Controlling und Accounting. Das ist eigentlich meiner Meinung nach die große Herausforderung in den nächsten Jahren. Wenn man sich mal so am Markt umhört, wo die meisten Beratungsbudgets hingehen, dann ist das sehr stark im Bereich Datenbasen, BI sprich Datenversorgung und entsprechender Prozesse und auch Risk-Analytic-Tools, einfach um die Prozessionsgeschwindigkeit und Verlässlichkeit zu erhöhen.

TH: Wenn Sie einen Leiter Head-of-Risk-Manager vor sich haben, den Sie nicht kennen, welche Frage stellen Sie ihm nach dem obligatorischen Smalltalk?
JK: Wohl eine, die auf gehörte Vortragsinhalte referenziert und mir hoffentlich einen ersten Eindruck der Sichtweise meines Gegenübers ermöglicht, Ich langweile Leute ungern mit Themen, die sie nicht interessieren, dann ist es mir angenehmer den Kaffee bei dem „obligatorischen Smalltalk“ ausklingen zu lassen.

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