„Kundenorientierung ist eine Worthülse“

Natürlich schmoren wir hier in der Redaktion nur im eigenen Saft. BANKINGNEWS ist eine Zeitung im B2B-Umfeld der Finanzbranche. Da kommt der Kunde auch bei uns zu kurz. Aber jeder hier im BANKINGCLUB ist immer auch Kunde einer Bank und ist zufrieden oder unzufrieden. Das führt ganz unweigerlich zu Flurgesprächen und Facebook-Kommentaren. Manchmal fühlen wir…


Natürlich schmoren wir hier in der Redaktion nur im eigenen Saft. BANKINGNEWS ist eine Zeitung im B2B-Umfeld der Finanzbranche. Da kommt der Kunde auch bei uns zu kurz. Aber jeder hier im BANKINGCLUB ist immer auch Kunde einer Bank und ist zufrieden oder unzufrieden. Das führt ganz unweigerlich zu Flurgesprächen und Facebook-Kommentaren. Manchmal fühlen wir uns in der Redaktion einfach nur bestätigt. Auch wir sind Kunden einer Bank. Wir dachten, es sei an der Zeit, auch mal den Bankkunden zu Wort kommen zu lassen. Seine Bitte ist einfach: Nehmen Sie ihn doch einfach mal ernst.

BANKINGNEWS: In Umfragen kommt der Bankberater in den letzten Jahren nicht gut weg. Wie würde Ihre Antwort bei einer entsprechenden Umfrage lauten?

Max Mustermann: Das ist eine gute Frage, die kann ich so pauschal gar nicht beantworten. Das Banken in der Krise Milliarden verzockt haben und mit Steuergeldern wieder auf die Beine gestellt wurden, ist in höchsten Maß kritikwürdig. Wenn dann auch noch Zusatzlöhne für diese Glanzleistung ausgeschüttet wurden, ist die Grenze des Erträglichen erreicht. Ich will aber fair bleiben, Verfehlungen hat es auch in anderen Branchen gegeben. Wenn zudem am Ende das Geld wieder zurückkommt, Lehren aus der Krise gezogen werden und geeignete Maßnahmen ergriffen werden, damit das nicht wieder passiert, bzw. wenigstens der Steuerzahler verschont bleibt, dann gibt es hoffentlich ein „Ende gut, alles gut.“

„Wenn man aus den Fehlern lernt, ist alles in Ordnung“

Wenn ich jedoch nicht global auf das Thema Bank schaue, sondern eher im Kleinen auf meine Beziehung zu eben meiner Bank, dann ist das Verhältnis absolut intakt. Seit Jahren bin ich Kunde einer Bank und habe dort nun seit vier Jahren meinen festen Ansprechpartner. Ich bin sehr zufrieden, aber das hat nichts mit der Bank an sich zu tun. Wenn ich ein Anliegen habe, gehe ich in die Filiale oder frage meinen Ansprechpartner telefonisch um Rat. Eben dieser Kollege ist mir wichtig. Manchmal, wenn man mir wegen Abwesenheit einen anderen Kollegen anbietet, winke ich ab und warte lieber, bis ich meinen Berater wieder erreiche.

Aber warum ist Ihnen dieser Ansprechpartner so wichtig?

Da geht es im Grunde nicht um diese konkrete Person. Ja, er ist kompetent und fachlich versiert. Aber das Wichtigste ist, dass er mich kennt. Immer wenn es zu einem Wechsel kam oder ein andere Kollege eingesprungen ist, musste ich meine Geschichte erneut erzählen. Kontinuität ist manchmal weitaus wichtiger, als wenn man  20 Euro bei der Haftpflichtversicherung spart.

Wie oft gehen Sie denn noch in eine Bank?

Ich habe da keinen bestimmten Rhythmus. Es ist durchaus möglich, dass ich zwei Jahre gar keine Filiale von innen sehe und dann innerhalb von sechs Monaten gleich zwei bis dreimal das persönliche Gespräch suche. Ich denke, in unterschiedlichen Lebensphasen gibt es unterschiedlich intensive Finanzthemen, die es zu lösen gilt. Anders ist es übrigens bei meiner Frau, sie hat im Grunde gar keine „Beziehung“ zu ihrer Bank. Sie ist Kundin einer Direktbank und damit sehr zufrieden. Sie hat den ein oder anderen telefonischen Kontakt. Meist wird ihr geholfen.

Was wäre so eine intensive Finanzphase?

Vor zwei Jahren haben wir eine Wohnung gekauft. Eine Finanzierung musste her. Zunächst sind wir, wie wahrscheinlich die meisten, über die Vergleichsportale geflogen. Doch nur den Zinssatz zu vergleichen, erschien uns nicht schlüssig. Klar, man kann heute eine komplette Baufinanzierung im Netz abschließen.

„Am Ende der Internetrecherche saßen wir wieder bei unserem Berater“

Aber warum wollen manche Banken Eigenkapital und andere dagegen nicht? Was auf den ersten Blick als Vorteil für uns aussah, fühlte sich, je länger wir recherchiert hatten, nicht gut an. Am Ende des Prozesses saßen wir eben wieder das ein oder andere Mal bei „meinem“ Berater. Und die Kondition war zum Schluss sehr nah an dem, was auf Platz eins bis drei auf den diversen Vergleichsportalen angeboten wird.

Wenn Ihnen Ihre Bank nun anbieten würde, persönliche Beratung per Videoübertragung zu machen, würden Sie das Angebot annehmen?

Na klar. Das würde meine telefonischen Kontakte in die Bank doch nur verbessern. Ein Gesicht zur Stimme erhöht das Vertrauen. Im Privaten hat die Videoübertragung doch längst Einzug gehalten. Per Skype sehe ich unsere studierende Tochter wenigstens am Tablet. Das ist doch großartig. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass ich dann wieder mehr Kontakt zum Berater habe.

Es gibt Überlegungen, Anlageberatung komplett über ein onlinebasiertes Expertensystem abzuwickeln. Würden Sie sich darauf einlassen?

Das kenne ich noch nicht. Ich bin aber durchaus ein Fan von onlinegestützten Lösungen. Wenn es also für bestimmte Bereiche so ein System gibt und dieses dann das objektivere Ergebnis liefert, warum sollte ich das nicht nutzen? Aber einen Verbesserungsvorschlag habe ich. Wenn ich alles im Netz abschließen kann, warum muss ich am Ende aller Informationen und Entscheidungen nochmal das Sofa verlassen und eine Unterschrift in einer Postfiliale machen. Das ist alles andere als konsequent.

Onlineauthentifizierung. Gibt es bereits.

Das wusste ich nicht. Ich werde die Augen offenhalten und es bei Bedarf auch nutzen.

Also sind die Filiale und der Berater bald Vergangenheit?

Klingt so, glaube ich aber nicht. Ich denke nicht, dass jedes vernetzte Finanzthema über ein solches Expertensystem lösbar ist. Es wird wahrscheinlich einen Unterschied geben, ob ich „nur“ über 25.000 Euro verfüge und eben diese „nur“ anlegen will oder ob ich über ein Vermögen aus Immobilien, Aktien und Tagesgeldern von 250.000 verfüge und jetzt 25.000 zusätzlich anlegen will. Damit will ich nicht ausschließen, dass uns irgendwann in ferner Zukunft die künstliche Intelligenz auch dieses Finanzproblem löst, aber es wird wohl noch ein Weilchen dauern.

Solche Expertensysteme sind doch praktisch, besonders dann, wenn man bedenkt, dass die Mehrheit der Bevölkerung in finanziellen Angelegenheiten nicht gerade fit ist.

„Man darf Big Data nicht blindlings vertrauen“

Ja, aber es wäre ein Fehler diesen algorithmusbasierten Expertensystemen blind zu vertrauen. Das dürfen Sie doch mit dem Navi im Auto auch nicht machen. Sonst finden Sie sich samt Auto in einem Gewässer oder entgegengesetzt zur Einbahnstraße wieder. Solche Systeme fordern aus meiner Sicht noch mehr Know-how, damit ich zumindest eine grobe Abschätzung machen kann, ob das Ergebnis richtig sein könnte.

Wo sehen Sie denn aktuell noch Verbesserungsbedarf bei Banken? Was ist Ihre Hauptkritik?

In den letzten Jahren werde ich das Gefühl nicht los, dass sich Banken überhaupt nicht mehr mit dem Kunden beschäftigen. Die meisten Produkte und Prozesse gehen doch am Bedarf vorbei. Oben habe ich zwar meinen Berater im Großen und Ganzen gelobt, aber auch er steckt im System fest. So bekomme ich regelmäßig Post mit Angeboten, die für mich in keiner Weise relevant sind. Das ist so, als würde ich als Pharmareferent permanent mit Rheumamitteln zu Augenärzten gehen. Ich akzeptiere Angebote, ich lehne Werbung nicht grundsätzlich ab, aber passen sollte sie schon.
Mein Berater kommt scheinbar auch nicht immer umhin, mich mal bei der einen oder anderen Aktion anzurufen. Oder die Bank entscheidet über diesen Berater hinweg, die Kontaktaufnahme über ein Call-Center zu erledigen. Das sind dann die Anrufe im November, bei denen mir empfohlen wird meine Kfz-Versicherung zu wechseln. Mein Berater weiß, dass mein Bruder eine Versicherungsagentur hat.

„Mit meinen Daten kann mich meine Bank auf Augenhöhe beraten“

Noch ein Beispiel. Damals, als wir in der Phase des Wohnungskaufs waren, gab es eine erste Rechnung, die über das Konto gelaufen ist und nach Immobilienkauf aussah. Zwei Tage später ein Anruf, ob man mit einer Baufinanzierung unterstützen könne. Aber da waren wir doch schon längst im Gespräch.
Ich habe wirklich kein Interesse, dass Banken mit meinen Daten alles Mögliche anstellen. Aber es wäre an der Zeit, dass sie die Daten nutzen, um mich auf Augenhöhe zu beraten und informieren.

Was fehlt Ihnen noch?

Anständige Zinsen. Nein, Scherz. Ich verstehe, dass die Banken an die Marktsituation gekoppelt sind. Aber es gibt mittlerweile so viele Plattformen, bei denen ich anderen für deren Projekte Geld leihen kann. Das ist mit Risiko verbunden, deshalb bekomme ich eine höhere Rendite. Die Personen hinter diesen Projekten haben den Vorteil, den Kredit zu niedrigen Konditionen zu erhalten als über eine Bank. Oder manchmal sogar überhaupt zu erhalten. Ein Bekannter wollte ein Unternehmen gründen und die Bank gab ihm kein Geld. Nicht einmal zu hohen Zinsen. Keine Sicherheit, kein Geld.

„Bei Finanzierungsprojekten sind Banken nach wie vor Experten.“

Aber warum bietet mir nicht meine Bank diese Möglichkeit an? Ich würde mich sicherer fühlen, wenn die Bank nochmal über die Projekte schaut. Darin sind sie doch Experten. Ich habe das Gefühl, die Banken verlieren die Anlagekunden wegen zu niedriger Zinsen und die Kreditsuchenden wegen zu hoher Zinsen oder der generellen Kreditablehnung. Beide treffen sich dann vor der Tür im Internet und werden handelseinig. Da müssten Banken doch sprichwörtlich Schaum vor dem Mund haben.