Mittelständische Unternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: Dieser Satz ist zweifelsohne richtig – und wird oftmals allzu selbstverständlich benutzt. Dabei hat er gerade in der aktuellen Diskussion um die Attraktivität und die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland sicherlich eine neue Qualität angenommen. Die Finanzbranche sollte deshalb genau darüber nachdenken, wie sie ihrer wichtigen Finanzierungsfunktion nachkommen und welche Lösungen sie ihren Unternehmenskunden anbieten kann.
Die finanzielle Realität vieler mittelständischer Unternehmen ist weitaus komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Sie umfasst sowohl die geschäftliche als auch die private Vermögenssphäre, die eng miteinander verflochten sind. Das Vermögen von Unternehmerfamilien ist häufig stark im Unternehmen gebunden, was auch erhebliche Risiken mit sich bringen kann. Ein überproportional hoher Anteil des Familienvermögens im Unternehmen kann zu einer existenziellen Abhängigkeit führen. Ein konjunktureller Abschwung oder unerwartete Marktveränderungen könnten die finanzielle Sicherheit der Familie und nachfolgender Generationen gefährden.
Warum eine hohe Kapitalbindung im Unternehmen riskant sein kann
In der Praxis zeigt sich häufig, dass Unternehmerfamilien bewusst Kapital im eigenen Unternehmen binden, um höhere Renditen zu erzielen und sich unabhängiger von externen Finanzierungsquellen zu machen. Diese Abhängigkeiten lassen sich aber reduzieren: Etwa durch den Einsatz eines moderaten Kredit-Leverage, mit dem Unternehmerfamilien die Rendite ihres Gesamtvermögens gezielt steigern können. Dies bedeutet, dass Eigenkapital für andere Investitionen frei wird, wodurch eine bessere Diversifikation und eine ausgewogenere Vermögensstruktur möglich ist. Eine breit gestreute Vermögensallokation kann zudem helfen, Schwankungen abzufedern und die finanzielle Stabilität langfristig zu sichern.
Wealth Based Finance: Ein modernes Finanzierungsinstrument
Um den Kredit-Leverage zielgerichtet zu nutzen, stehen verschiedene Optimierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Eine Methode, die noch zu selten in Betracht gezogen wird, ist das Wealth Based Finance. Dieses zielt im Gegensatz zum klassischen Asset Based Finance auf die gesamte Vermögenslage der Unternehmerfamilie ab. Dabei stehen das freie Nettovermögen und die Fähigkeit zur Rückzahlung aus freien Cashflows im Fokus. Die Vorteile von Wealth Based Finance:
- Flexibilität: Die Kreditmittel können vielfach ohne einschränkende enge Zweckbindungen genutzt werden. Dies erlaubt eine strategische und flexible Investition, die auf die aktuellen Bedürfnisse der Familie oder des Unternehmens abgestimmt ist.
- Einsatz der persönlichen Bonität: Je nach Vermögensstruktur können gegebenenfalls auch materiell unbesicherte Kreditanteile realisiert werden.
- Liquiditätsmanagement: Wealth Based Finance kann beispielsweise als Reservelinie für Investitionsopportunitäten, zur Glättung von vermögensnahen Zahlungsströmen oder zur vorübergehenden Finanzierung von Vermögensumschichtungen eingesetzt werden.
Vorteile sogar für die Nachfolger
Ein häufiges Diskussionsthema ist die optimale Eigenmittelquote von mittelständischen Unternehmen. Quoten von mehr als 50 Prozent mögen aus Sicht der unternehmerischen Stabilität wünschenswert erscheinen, doch aus einer gesamtstrategischen Vermögensperspektive können sie suboptimal wirken. Banken sollten daher mit Unternehmern gemeinsam prüfen, inwieweit eine moderate Fremdkapitalaufnahme sinnvoll ist. Die freigesetzten Mittel können zur Optimierung der strategischen Asset Allocation eingesetzt werden, wodurch sich sowohl die Risiken breiter streuen als auch die Renditechancen verbessern lassen.
Eine optimierte Vermögensstruktur bietet auch Vorteile in Bezug auf die Vermögensnachfolge. Durch eine strategische Allokation und den Aufbau zusätzlicher Liquiditätsreserven wird die nächste Generation in die Lage versetzt, flexibler zu handeln und größere Gestaltungsspielräume zu nutzen.
Beitrag der Banken zum Unternehmenserfolg
Die Mittelstandsfinanzierung sollte stets den Gesamtzusammenhang zwischen unternehmerischer und privater Sphäre im Blick behalten. Banken können mit ihrem Knowhow einen entscheidende Beitrag dazu leisten, die Gesamtvermögensstruktur von Unternehmerfamilien zu schützen und zu optimieren. Unternehmer hingegen sollten von ihren Finanzpartnern verlangen, dass diese einen langfristigen und umfassenden Ansatz verfolgen.
So können Finanzierungen zu einem strategischen Baustein werden, der nicht nur dem Unternehmen, sondern auch der Unternehmerfamilie zugutekommt. Eine nachhaltige und augewogene Vermögensplanung sichert nicht nur die gegenwärtige Stabilität, sondern legt auch den Grundstein für künftige Generationen. Nur so wird die Finanzierung dem Begriff „Mittelstand“ in all seiner Komplexität wirklich gerecht.