Im Gegensatz zu etablierten Unternehmen mit einer aussagekräftigen Vergangenheit gestaltet sich eine valide Unternehmensplanung für junge, wachstumsorientierte Unternehmen als herausfordernd. Es liegen keine Erfahrungswerte vor, die Planungsunsicherheit ist höher, und eine fundierte Marktanalyse ist nur eingeschränkt möglich, da Startups häufig innovative Geschäftsmodelle haben. Auch eine adäquate Abbildung des Risikos ist aufgrund fehlender Peer Group schwierig. Deswegen sind eine intensive Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell und dem Markt sowie die Entwicklung eines integrierten szenariobasierten Business-Modells für die Schaffung der erforderlichen Transparenz und die Reduzierung von Informationsasymmetrien zwischen den Parteien essenziell.
Unterschiedliche Bewertungsmethoden für Startups
Anerkannte Bewertungsmethoden können – unter Berücksichtigung Startup-spezifischer Besonderheiten – auch für die Bewertung junger Wachstumsunternehmen genutzt werden. Die Anwendbarkeit einer bestimmten Bewertungsmethode ist stark von der Entwicklungsphase des Unternehmens abhängig. Während in der Early-Stage Erfahrungswerte eine große Rolle spielen, werden in den späteren Expansion- und Later-Stages verstärkt Multiplikatorverfahren und ertragswertbasierte Methoden wie die Discounted-Cashflow-Methode eingesetzt. Zudem wird sich bei Startup-Bewertungen häufig an der sogenannten Venture-Capital-Methode bedient. Eine fundierte Unternehmensbewertung kann allerdings meistens nur unter Anwendung kapitalwertorientierter Bewertungsverfahren wie der DCF-Methode gewährleistet werden. Andere Bewertungsverfahren werden oft als erste Wertindikation – zur Plausibilisierung sowie bei stark unzureichender Datengrundlage oder fehlender Unternehmensplanung – in Anspruch genommen.
Die Schwierigkeit bei der Multiples-Bewertung liegt darin, dass häufig nur Umsatz-Multiplikatoren herangezogen werden können, da Ertragsgrößen wie EBIT und EBITDA noch auf absehbare Zeit negativ sind. Oft werden vereinfacht auch andere operative Kennzahlen zur Bewertung herangezogen, zum Beispiel die Anzahl der Nutzer – was die Aussagekraft der Bewertungsergebnisse stark reduziert. Zudem existiert für ein innovatives Unternehmen in den meisten Fällen keine gut geeignete Peer Group, sodass oft auf verwandte Sektoren ausgewichen wird. Sind Daten zu Finanzierungsrunden privater Vergleichsunternehmen zugänglich, werden Unternehmenswerte oftmals auf Basis der Anteilskäufe in den Finanzierungsrunden hochgerechnet und der Ableitung verschiedener Multiples zugrunde gelegt. Da in privaten Finanzierungsrunden jedoch häufig Sonderrechte wie etwa Liquiditätspräferenzen von Investoren ausgehandelt werden, sind so ermittelte Unternehmenswerte meistens zu hoch.
Auch Startup-Bewertungen bergen Herausforderungen
Investoren bewerten Startups oft anhand der Venture-Capital-Methode. Diese ist eine Kombination aus der DCF- und der Multiplikator-Methode und speziell für Startups konzipiert. Aus theoretischer Sicht stellt sie jedoch keine eigenständige und fundierte Bewertungsmethode dar. Zur Ermittlung des zukünftigen Verkaufspreises wird ein aus vergleichbaren Transaktionen abgeleiteter Multiplikator auf die entsprechende prognostizierte Finanzgröße des Unternehmens zum geplanten Exit-Zeitpunkt angewendet. Der verwendete Diskontierungszins entspricht der Renditeanforderung des VC-Investors. Der Vorteil dieser Methode liegt in ihrer schnellen Anwendbarkeit. Der Nachteil besteht – analog zu den Multiplikatorverfahren – in der Vernachlässigung unternehmensspezifischer Informationen.
Das DCF-Verfahren ist in der Bewertungstheorie und -praxis eine international anerkannte Bewertungsmethode und wird auch im Rahmen von Startup-Bewertungen eingesetzt, insbesondere in den späteren Entwicklungsphasen, bei größeren Transaktionen oder Fremdkapital-Finanzierungen. Die zentralen Herausforderungen für die Startup-Bewertung bestehen in der sachgerechten Cashflow-Prognose und in der Ermittlung risikoadäquater Kapitalkosten. Durch die Entwicklung verschiedener Planungsszenarien und die Berücksichtigung unternehmensspezifischer Risikozuschläge kann das stärker ausgeprägte Risikoprofil eines Startups angemessen berücksichtigt werden.
Lena Kuzminska ist erfahrene Managerin und Expertin in der Unternehmensbewertung, Corporate Finance, Investitions- und Beteiligungsmanagement bei der Berlin Hyp AG (LBBW Gruppe).