Europa steht an einem Wendepunkt. Mit der Financial Data Access Regulation (FiDA) könnte ein einheitlicher Finanzdatenraum entstehen, der Finanzentscheidungen einfacher, fairer und effizienter macht – für Verbraucherinnen und Verbraucher, Finanzberaterinnen und Finanzberater sowie Anbieter gleichermaßen. Doch diese Chance droht zu verpuffen, wenn wir die Weichen jetzt nicht richtig stellen.
Mehr als nur ein Datenzugang
Die German Open Finance Charta (GOFC) – ein breites Bündnis aus Finanzdienstleistern, Finanzproduktanbietern, Vermittlerorganisationen, Unternehmensberatern und Technologieanbietern – sieht FiDA nicht als rein technisches Regelwerk, sondern als strategische Grundsatzentscheidung. Es geht um nicht weniger als die künftige Qualität europäischer Finanzdienstleistungen – und um deren Widerstandskraft im internationalen Wettbewerb.
FiDA schafft den regulatorischen Rahmen, um Finanzdaten sektorenübergreifend nutzbar zu machen. Entscheidend ist dabei, wie dieser Zugang gestaltet wird: GOFC betont, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die volle Hoheit über ihre Daten behalten, aber auch echten Mehrwert daraus ziehen können. Gleichzeitig braucht es faire und praxistaugliche Bedingungen für Anbieter, damit Innovation auch im Mittelstand möglich wird. Ziel ist eine Finanzwelt, die nicht mehr von Intransparenz geprägt ist, sondern von smarter Unterstützung, verständlicher Beratung und einem neuen Rollenverständnis – vom Fintech bis zum freien Vermittler.
Qualität für Verbraucher, Resilienz für Anbieter
Die Charta zeigt auf, welchen konkreten Nutzen FiDA stiftet:
- Für Bürgerinnen und Bürger: Ein konsolidierter Überblick über Konten, Versicherungen und Altersvorsorgeverträge. Intelligente Assistenten helfen beim Sparen, Erkennen von Lücken und Vermeiden unnötiger Kosten – bei voller Datenkontrolle.
- Für Finanzberaterinnen und Finanzberater: Automatisierte Vorbefüllungen, Echtzeit-Bedarfsanalysen und digitale Tools ermöglichen individuelle Beratung – mit reduziertem administrativen Aufwand und neuen Dienstleistungsmöglichkeiten.
- Für Finanzunternehmen: Kundendaten können – mit Zustimmung – erstmals wertschöpfend genutzt werden. Gleichzeitig senken standardisierte Schnittstellen die IT-Kosten und erlauben europaweite Skalierung.
Das Appell der GOFC: maßvoll, aber wirkungsvoll umsetzen
In einem aktuellen Positionspapier, das der EU-Kommission sowie Berichterstattern im EU-Parlament übermittelt wurde, formuliert die Charta sieben überarbeitete Empfehlungen:
- Use-Case-bezogene Einführung mit Praxisnähe: Statt eines regulatorischen Big Bangs braucht es realistische Fristen, Pilotprojekte und europäische Leitlinien. Eine regulatorische Sandbox, Mindestdatenverfügbarkeit und verbindliche Zeitschienen sichern Qualität und Akzeptanz.
- Einheitliche Standards und zertifizierte API-Strukturen: Europaweit interoperable Datenflüsse sind essenziell. GOFC fordert einheitliche technische Standards auf EU-Ebene sowie nationale Datenmodelle – ohne neue Fragmentierung wie bei PSD2.
- Angemessene Vergütung für Datenbereitstellung: Kosten für Dateninfrastruktur dürfen nicht auf Datenhalter abgewälzt werden. Eine zentrale EU-Institution sollte marktgerechte Vergütungsrichtwerte erarbeiten und Wettbewerbsverzerrung durch Preismodelle verhindern.
- Verpflichtung zum Teilen standardisierter Finanzdaten: Um Open Finance nutzbar zu machen, braucht es standardisierte Datensätze je Produkt – jedoch ohne Zugriff auf individuell erarbeitete, veredelte Beratungsdaten.
- Einfaches Identifizierungsmanagement bei voller Datenkontrolle: „Consent per Klick“, intuitive Dashboards und klare Regeln für alle Beteiligten müssen Datenschutz und Nutzerfreundlichkeit miteinander vereinen.
- Datenabruf beim originären Vertragspartner: FiDA sollte klarstellen, dass der Datenabruf stets beim Vertragspartner des Kunden zu erfolgen hat – um Doppelverpflichtungen zu vermeiden und technische Klarheit zu schaffen.
- Klare Definition und Rolle des FISP: Die Rolle des „Financial Information Service Provider“ muss klar geregelt werden – als eigenständiger Intermediär oder Datennutzer im Kontext zu PSD2 (AIS/PIS) – für Rechtssicherheit im Markt.
Fazit
Aus Sicht der German Open Finance Charta ist FiDA weit mehr als eine regulatorische Pflichtübung. Es ist eine historische Gelegenheit, die europäische Finanzdienstleistung auf ein neues Qualitätsniveau zu heben – technologisch, kundenorientiert und wettbewerbsfähig. Dafür braucht es jetzt ein gemeinsames Handeln von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – mutig, aber realitätsnah. FiDA ist Europas Chance auf besseres Banking, bessere Beratung und besseren Verbraucherschutz. Wir sollten sie entschlossen nutzen.
Andreas Beys ist Vorstand der Sauren Fonds-Service AG und Mitinitiator der German Open Finance Charta.