Dienstag, 26. August 2025

Open Finance: Wie Banken und Versicherer neu denken müssen

Open Finance könnte den Finanz- und Versicherungsmarkt grundlegend verändern. Während Banken durch die EU-Richtlinie PSD2 bereits Erfahrungen mit offenen Schnittstellen gesammelt haben, steht die Versicherungsbranche noch am Anfang dieser Entwicklung. Robin Nehring blickt in eine mögliche Zukunft.

Mit der geplanten FiDA-Verordnung (Financial Data Access) plant die EU den standardisierten Datenaustausch für Versicherungen und weitere Finanzdienstleister voranzutreiben. Doch während Befürworter darin eine Chance für mehr Innovation und Kundenzentrierung sehen, gibt es auch Widerstände: Wird FiDA überhaupt kommen – und wenn ja, in welcher Form?

Banken und Versicherer: Neue Vernetzung oder alte Modelle in digital?

Die Idee einer engen Zusammenarbeit zwischen Banken und Versicherungen ist nicht neu. Gerade die öffentlichen Versicherer und die Sparkassen-Finanzgruppe haben bewiesen, dass Bancassurance funktioniert. Doch Open Finance könnte dieses Modell auf eine neue Ebene heben: Versicherungsangebote, die direkt in Banking-Apps integriert sind, digitale Schadensmeldungen über das Bankkonto oder maßgeschneiderte Policen basierend auf Finanzdaten – all das wäre denkbar.

Ein Beispiel dafür, dass eine solche Integration funktioniert, zeigt sich bereits in der Praxis: Im Kfz-Versicherungsbereich gibt es Kooperationen zwischen Banken und Versicherern, die eine digitale Schadensmeldung und eine direkte Abwicklung über die Finanz-App ermöglichen. Hier zeigt sich, wie Open Finance nicht nur Prozesse verschlanken, sondern auch die Kundenzufriedenheit steigern kann.

Doch während einige Banken und Versicherer in diese Richtung denken, bleibt die große Frage: Wer dominiert in diesem neuen Ökosystem? Banken haben den Vorteil, dass sie bereits die primäre Kundenschnittstelle sind, während Versicherer versuchen, ihre digitalen Services unabhängig weiterzuentwickeln. Der Wettbewerb um den direkten Kundenzugang wird mit Open Finance intensiver. Dazu folgende drei Thesen:

  • These 1: Open Finance wird Banken und Versicherungen enger zusammenbringen, aber nicht für alle. Während einige Banken und Versicherer Open Finance als Gelegenheit nutzen werden, ihre Geschäftsmodelle zu vernetzen, könnten andere daran scheitern. Erfolgreich werden diejenigen sein, die Open Finance nicht nur als Pflicht, sondern als strategische Chance begreifen und Partnerschaften aktiv gestalten.
  • These 2: FiDA wird nicht in der ursprünglich geplanten Form kommen – aber Open Finance entwickelt sich trotzdem weiter. Es ist noch unklar, ob und in welcher Form FiDA tatsächlich verabschiedet wird. Doch auch ohne eine verbindliche Verordnung treiben Marktteilnehmer Open Finance bereits voran. Banken und Versicherer, die sich frühzeitig mit offenen Schnittstellen, Datenintegration und digitalen Geschäftsmodellen beschäftigen, werden auch ohne regulatorischen Zwang einen Wettbewerbsvorteil haben.
  • These 3: Deutschland wird Open Finance langsamer umsetzen, aber der Druck steigt. Während in anderen Ländern bereits umfassende Open- Finance-Modelle getestet werden, geht Deutschland langsamer vor. Strenge Datenschutzregeln, fragmentierte IT-Infrastrukturen und eine abwartende Haltung vieler Marktteilnehmer bremsen die Entwicklung. Doch die Nachfrage von Kundinnen und Kunden nach nahtlosen Finanz- und Versicherungsangeboten wird wachsen – und wer dann noch nicht bereit ist, könnte den Anschluss verpassen.

Fazit: Open Finance ist kein Zukunftsszenario, sondern Realität.

Während die Diskussion um FiDA noch läuft, schreitet die Entwicklung in der Praxis bereits voran. Banken und Versicherer, die früh auf digitale Vernetzung setzen, werden langfristig profitieren. Die Frage ist nicht, ob Open Finance kommt, sondern wer es am besten für sich nutzt.

Robin Nehring verfügt über langjährige Erfahrung im (Digital-)Banking. Er leitet die strategische Unternehmensentwicklung der Stadtsparkasse Düsseldorf und ist mit seinem Team verantwortlich für das Digitalisierungs- und Innovationsmanagement, Co-Head des Geschäftsmodell-Entwicklungsprogramms und die strategische Weiterentwicklung der Bank.

Darüber hinaus ist Nehring in strategischen (Digital-)projekten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands und der Finanz Informatik involviert. Sein Masterstudium hat er an der Universität zu Köln abgeschlossen und war für Auslandsaufenthalte in den USA und Australien.

Seit Anfang 2020 ist Nehring Co-Host des Podcasts „Plaudertaschen – der Podcast über das Banking von morgen“, einer der reichweitenstärksten Podcasts der Sparkassen Finanzgruppe mit über 170.000 Plays seit Start.

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