Zehn Milliarden Euro Schaden in Deutschland im Jahr 2025. Diese Zahl stand über dem diesjährigen FRAUDMANAGEMENTforBANKS Kongress. Zwei Tage lang drehte sich Anfang November alles um die Frage, wie Banken und Finanzdienstleister Betrug und Scam wirksam eindämmen können – in einer Zeit, in der die Täter global organisiert, technisch bestens ausgestattet und zunehmend professionell agieren.
Während früher Kreditbetrug und gefälschte Ratenanträge als Hauptprobleme galten, wie Fachbeirat im Bereich Fraud beim BANKINGCLUB und Scam-Experte Carsten Helm in seinem Eröffnungsvortrag erläuterte, zeigt sich heute eine neue Qualität: Betrug ist industrialisiert. In ganzen Regionen in Südostasien, den sogenannten „Scammer Cities“, arbeiten teilweise bis zu mehrere tausend Menschen gezwungenermaßen als professionelle Betrüger. Der Begriff „Scamdemic“ bringt es auf den Punkt: Betrug ist längst ein globaler Wirtschaftszweig. Doch nicht nur die Täter entwickeln sich weiter, auch die Angriffspunkte verändern sich. Social-Engineering-Attacken, Fake-President-Fälle und Deepfakes setzen neue Maßstäbe der Manipulation. Die zunehmende Verfügbarkeit von KI-Tools verschärft diese Entwicklung. Künstliche Intelligenz ist längst Teil des Problems – und zugleich Teil der Lösung. Denn dieselben Technologien, die heute für täuschend echte CEO-Stimmen oder gefälschte Identitäten genutzt werden, können dabei helfen, verdächtige Transaktionsmuster oder falsche Dokumente zu erkennen.

Nina Meier klärt in ihrem Vortrag über Unionsbürgerkarten und deren Missbrauchspotenzial auf.
Kooperation und Kultur als Schlüssel im Kampf gegen Betrug
Ein zentrales Thema des Kongresses war deshalb die Notwendigkeit der Zusammenarbeit. Kein Institut sieht das gesamte Bild, jede Bank nur einen Ausschnitt. Daten zu teilen, Netzwerke zu nutzen und voneinander zu lernen – das wurde als Schlüsselfaktor benannt. Kollektive Intelligenz, so das Schlagwort, ist die effektivste Waffe gegen organisierte Kriminalität. Projekte wie FPAD oder safeAML zeigen, wie Kooperation funktionieren kann, wenn Vertrauen zwischen den Akteuren besteht.
Neben Technik und Struktur kam aber auch der Mensch ins Spiel. Mehrfach wurde betont, dass die Unternehmenskultur wichtige Grundlage jeder Betrugsprävention ist. Klare Werte, Integrität, Ehrlichkeit und Fairness schaffen Orientierung in Situationen, die keine Regel oder KI abdecken kann.

Benjamin Ehrgott klärt in seinem Vortrag über die Bedeutung der Unternehmenskultur für Fraudmanagement auf.
Auch gesellschaftliche Entwicklungen, wie zum Beispiel (F)Influencer, die vermeintliche Investmentchancen bewerben – junge Menschen, die unwissentlich zu Money Mules werden – oder das Missbrauchspotenzial von digitalen Identitäten sind 2025 reale Gefahren. Auf letzteres ist auch Natalie Detsik, Fachbeirätin im Bereich Fraud beim BANKINGCLUB, in ihrem Vortrag zu Money Mules eingegangen und betonte in der darauffolgenden Panel-Diskussion: „Die einzige Antwort auf Money Mules ist Aufklärung, insbesondere bei jungen Tätern.” In der Panel-Diskussion mit Erik Scheil und Carsten Helm zur sogenannten „Scamdemic” wurde klar, dass diese nicht vollständig aufzuhalten ist, es jedoch Möglichkeiten gibt, deren Ausbreitung einzudämmen: Aufklärung, Kooperation und Kommunikation. „Ich glaube, es gibt keinen Impfstoff dagegen, aber wir können dafür sorgen, dass weniger Viren im Umlauf sind“, lautete Carsten Helms Appell.

Carsten Helm und Erik Scheil diskutieren gemeinsam mit Thorsten Hahn über die „Scamdemic“.
Zukunftsperspektive: Betrugsprävention als gemeinsame Aufgabe
Was während der beiden Kongress-Tage immer wieder deutlich wurde: Betrug ist längst kein Randphänomen mehr; er reicht in den Alltag von Privatpersonen, Banken und Unternehmen gleichermaßen hinein. Genau deshalb, so der Tenor vieler Beiträge, darf Prävention nicht nur als Compliance-Pflicht verstanden werden, sondern als branchenübergreifende, gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
FRAUDMANAGEMENTforBANKS 2025 zeigte, dass Betrugsprävention heute mehr bedeutet als Firewalls, KYC-Checks und Verdachtsmeldungen. Sie verlangt ein neues interdisziplinäres und vernetztes Denken. Denn Betrug ist nicht nur eine Bedrohung für Banken, sondern für das Vertrauen in das gesamte Finanzsystem. Und genau dieses Vertrauen gilt es gemeinsam zu schützen.
Margaretha Müller absolviert seit Oktober 2024 ein redaktionelles Volontariat beim BANKINGCLUB. Ihren Bachelor in Philosophie und Geschichte schloss sie an der Universität Trier ab.



