Dienstag, 22. Juli 2025

Mehr Kundenorientierung muss heute beginnen!

Thorsten Hahn ist Geschäftsführer des BANKINGCLUB und Herausgeber der BANKINGNEWS. Die Redaktion hat mit ihm darüber gesprochen, wo die Branche steht, und welche Herausforderungen sie künftig bewältigen muss. 

BANKINGNEWS: Thorsten, vor knapp zwanzig Jahren hast Du den BANKINGCLUB gegründet, um die Akteure der Finanzbranche miteinander zu vernetzen. Hat das Konzept, Menschen zusammenzubringen, im Zeitalter von Digitalisierung und KI überlebt?

Thorsten Hahn: Nein, im Gegenteil. Obwohl auch Banken immer mehr Aufgaben an Kollege Computer auslagern und die Zahl der Filialen in der Fläche verringern, ist das Netzwerken unter Bankmitarbeitern selbst und mit den Kunden unverzichtbar. Wir bekommen bei unseren Veranstaltungen von den Teilnehmern immer wieder gespiegelt, wie wichtig der persönliche Austausch ist. Auch wenn die direkten Kontakte seltener werden, wird ein Bankberater, der bei der Hausfinanzierung oder Unternehmensgründung persönlich unterstützt, also höherwertige Services erbringt, auch in zehn Jahren noch seine Daseinsberechtigung haben. Auf die klassische Filiale mit Schalterhallen, wo ich mein händisch ausgefülltes Überweisungsformular abgebe, trifft das eher weniger zu. Die Filiale sollte bleiben, aber das Wie sollten Banken dringend überdenken. 

Trotz Digitalisierung, Automatisierung und immer mehr KI-Einsatz sind in der deutschen Finanzbranche aktuell über 60.000 Stellen unbesetzt. Was bedeutet das? 

Das ist kein Widerspruch, denn die meisten Arbeitskräfte fehlen ja im IT-Bereich. Und deshalb kommt die Digitalisierung in der Branche nach meinem Eindruck nur kleinschrittig voran. Gerade dort ist der Wettbewerb um fähige Köpfe besonders hart, denn die Banken fischen gemeinsam mit anderen Branchen in einem sehr kleinen Pool. Die HR-Abteilungen müssen sich gut überlegen, wie sie ihre Unternehmen künftig attraktiv aufstellen, um sich abzuheben. Nur mit Boni allein funktioniert das nicht mehr. Gerade für jüngere Arbeitnehmer muss das Image des Unternehmens passen und die Aufgaben sinnstiftend sein. Geldinstitute sollten eine technologie-offene Kultur pflegen, in der sich ITler verstanden fühlen und weiterentwickeln können. 

Was bedeutet die immer stärkere Verbreitung von Kryptowährungen? 

Sie sind für Banken Fluch und Segen zugleich. Zunächst einmal stellen Bitcoin, Ethereum und Co. eine potenzielle Konkurrenz für traditionelle Bankdienstleistungen dar. Mit diesem neuen Geld können Menschen ganz ohne Banken bezahlen, überweisen und Werte speichern. Diesen hängt jedoch der Geruch des Halbseidenen an. Vielen Menschen fehlt das Vertrauen. Und da liegen die Chancen für die etablierten Banken und Sparkassen, denen die meisten Menschen vertrauen. Wenn sie selbst beispielsweise Krypto-Wallets oder Handelsplattformen für ihre Kunden anbieten oder in die Entwicklung von Blockchain-basierten Finanzprodukten investieren, bin ich sicher, dass sie in Zukunft die Nase vorn haben können. 

Wo steht Banking im Jahr 2034? 

Insgesamt wird das Banking in den nächsten Jahren sicherlich schneller und technologieorientierter werden. Klassische Filialdienstleistungen werden dann hoffentlich vom Kunden selbst und zu hundert Prozent digital erledigt. Den Kunden bei seinen finanziellen Aktivitäten zu unterstützen und ihn vor schlechten Entscheidungen zu bewahren, sollte jedoch nicht bis 2034 warten. Neun von zehn Kunden wünschen sich eine persönliche Begleitung bei Finanzentscheidungen. Natürlich werden heute Antragsstrecken gebaut, die ein Kunde selbst ausfüllen kann. 90 Prozent der Eingabefelder sind seine persönlichen Daten. Er sucht jedoch jemanden, der oder die ihm die finanzielle Entscheidung und die Auswirkungen erläutert. Mehr Kundenorientierung muss heute beginnen! 

Marco Wehr ist ehemaliger Redakteur beim BANKINGCLUB.

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