Vor einem halben Jahr waren die Aussichten düster: Der Russland-Ukraine-Krieg kurbelte die Infla tion an, die Zinsen wurden im rasanten Tem po angezogen und Unternehmen klagten lautstark über den Fachkräftemangel. Das bringt Nachwirkungen mit sich und verändert nicht nur die Bedingungen auf den Aktienmärkten, sondern auch auf dem Immobilien- und Arbeitsmarkt sowie im Bereich ESG. Wie steht es also um die Konjunkturaussichten?
Bislang blieb die Rezession aus. Auch der Internatio nale Währungsfonds verkündet einen erhellenden Kon junkturausblick. Gespiegelt wird dieser Aufschwung in den Börsenzahlen: Seit Oktober 2022 haben sich globale Aktienmärkte wieder erholt und einen Zuwachs um ganze 18 Prozent erlebt. Von Entwarnung kann aber dennoch nicht die Rede sein.
Höhepunkt des Inflationsgeschehens
Im Januar 2023 ist die Inflationsrate im deutschen Raum mit 8,7 Prozent verglichen mit dem Vormonat wieder mi nimal gestiegen. Ökonomen gehen davon aus, dass sich ab dem zweiten Quartal eine Trendwende einpendelt und der Höhepunkt hinsichtlich der Zinslage bereits erreicht ist. Die Stagnation soll bis dahin überwunden sein und das Wachstum wieder in Fahrt kommen. Eine Prise neu gewonnener Optimismus bei einem eher ernüchternden Status quo.
„Es läuft besser als gedacht, aber es läuft nicht gut“, sagt Felix Hüfner, Senior-Volkswirt der UBS. Inflation, gestiegene Zinsen und hohe Energiepreise haben auch Einfluss auf den Immobilienmarkt. Aller Vo raussicht nach bewirken besagte Faktoren einen starken Rückgang der Wohnungsbau-Investitionen im Jahr 2023. Käufer und Mieter stehen demnach vor unterschiedlichen Chancen und Herausforderungen: Es wird weniger neu gebaut und die Mieten steigen daher gerade in Ballungs räumen. Dagegen sollen Preise für Kaufobjekte in diesem Jahr bis zu sechs Prozent fallen. Carsten Demmler von der Investmentgesellschaft HIH erklärt: „Der Verkäufermarkt ist zu einem Käufermarkt geworden.“
Nachhaltiges Unternehmertum gefragt
Parallel lässt sich feststellen: Der Arbeitgeber- ist zum Arbeitnehmermarkt geworden. Zwar kein wirklich neuer Trend, aber Angestellte können vom akuten Fachkräfte mangel profitieren. Im Wettbewerb um die besten Kräf te müssen Banken an ihrem Image arbeiten und sich als attraktiver Arbeitgeber platzieren. Einer Studie der EZB zufolge äußern 30 Prozent der Beschäftigen den Wunsch nach mehr Homeoffice. Eine verbesserte Vereinbarkeit des Jobs mit den anderen Lebensbereichen setzt sich zu nehmend als Forderung durch.
Weiteres Auswahlkriterium für Arbeitnehmer ist die Positionierung im Bereich ESG. Doch auch hier bleiben Herausforderungen nicht aus, denn die Regularien wer den im Jahr 2023 weiter zunehmen. Banken müssen ihre Organisations- und Bearbeitungsprozesse überdenken, um die zunehmende Komplexität, insbesondere im Daten management, zu bewältigen. Insgesamt befinden sich die meisten Unternehmen noch am Anfang ihrer ESG-Trans formation, bestätigt eine Studie der Beratungsgesellschaft PwC.
„Die Umstellung ist kostspielig, anspruchsvoll und komplex“, meint Dr. Hans-Jörg Kutschera, Partner bei Strategy&. So könne sie unter den aktuellen Bedingungen wie eine zusätzliche Last erscheinen. Der Blick in die Zukunft bleibt getrübt. Sonnenklar sind hingegen die Ziele: die Verbesserung der Wirtschaftslage und nachhaltiges Unternehmertum – sowohl in Bezug auf HR als auch ESG. Für Banken ist das Reflektieren der Rahmenbedingungen essenziell, auch sie müssen ihre Geschäftstätigkeiten und -entscheidungen an diese Trends anpassen. Anderenfalls sieht sich die Bankenlandschaft mit einem weiteren Tief konfrontiert.
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Fiona Gleim absolvierte von August 2021 bis Dezember 2022 ihr redaktionelles Volontariat bei der BANKINGCLUB Plattform GmbH und ist seitdem auch als festes Redaktionsmitglied beschäftigt. Davor schloss sie ihren Bachelor of Arts an der Universität Kassel ab.