BANKINGNEWS: Herr Suter, Ihr aktueller Benchmark-Report zeigt, dass Verbraucher:innen weltweit in KI eine große Chance für personalisierte und effiziente Services sehen. Doch im deutschsprachigen Raum ist die Zurückhaltung deutlich größer. Woran liegt das?
Martin Suter: Das stimmt. Während Kund:innen in den USA oder Großbritannien Künstliche Intelligenz längst als alltäglichen Bestandteil digitaler Services akzeptieren, herrscht im DACH-Raum noch eine gewisse Skepsis. Nur 37 % der Bankkund:innen würden es aktuell hilfreich finden, wenn KI Finanzberatung auf Basis individueller Bedürfnisse anbietet. Das hat viel mit der Kultur und der hohen Sensibilität für Datenschutz, Sicherheit und Ethik in der Region zu tun. Viele Menschen wollen nachvollziehen können, wer Entscheidungen trifft und warum. Vertrauen entsteht also weniger durch Technologie selbst, sondern durch Transparenz und menschliche Kontrolle.
Sie sprechen Vertrauen an: Laut Ihrer Studie ist genau das ein entscheidender Faktor. Was erwarten Kund:innen konkret, damit KI-Anwendungen als vertrauenswürdig gelten?
Unsere Daten zeigen sehr deutlich: 47 % der deutschsprachigen Bankkund:innen möchten, dass KI-generierte Inhalte immer von Menschen überprüft werden. Nur 9 % glauben, dass generative KI dem Menschen überlegen ist. Das sagt eigentlich alles: Kund:innen wollen, dass Technologie den Menschen unterstützt, nicht ersetzt. Darüber hinaus wünschen sich die Befragten Klarheit über den Einsatz von KI: Wo kommt sie zum Einsatz? Welche Daten werden genutzt? Und wie werden Entscheidungen nachvollziehbar dokumentiert? Wenn Banken diese Transparenz schaffen, können sie Vertrauen aufbauen und gleichzeitig zeigen, dass KI nicht Bedrohung, sondern Werkzeug für besseren Service ist.
Welche Chancen sehen Sie, wenn Banken diesen Spagat zwischen Technologie und Vertrauen schaffen?
Das Potenzial ist enorm. KI kann helfen, Reaktionszeiten zu verkürzen, die Genauigkeit zu erhöhen und Kosten zu senken. Und das sind genau die Punkte, die auch Kund:innen schätzen. 53 % der Befragten nennen schnellere Antworten als größten Vorteil, 44 % höhere Präzision, 42 % Einsparungen zugunsten der Kund:innen. Das sind starke Argumente, vor allem in einem Markt, in dem Kundenerwartungen stetig steigen und Margen sinken. Wer KI intelligent und empathisch einsetzt, kann also Effizienz und Kundenzufriedenheit gleichzeitig steigern.
„Ethik darf kein Add-on sein. Sie muss Teil der Produkt- und Kommunikationsstrategie sein.“
Gleichzeitig haben 44 % der Befragten ethische Bedenken – der höchste Wert im internationalen Vergleich. Wie können Banken verantwortungsvoll mit KI umgehen, ohne in „Techwashing“ zu verfallen?
Das beginnt mit einer klaren Haltung: Ethik darf kein Add-on sein. Sie muss Teil der Produkt- und Kommunikationsstrategie sein. Banken sollten intern klare Leitlinien schaffen, etwa für den Einsatz von generativer KI in der Kundenkommunikation, bei Analysen oder in der Produktberatung. Dazu gehören Prozesse zur Überprüfung von Modellen, menschliche Freigabeschleifen und Schulungen für Mitarbeitende. Extern sollten Banken transparent machen, wo KI eingesetzt wird und wo nicht. Wenn Kund:innen verstehen, dass Technologie ihre Interessen schützt, anstatt sie zu gefährden, kann daraus ein echter Mehrwert entstehen.
Viele Banken wollen KI heute vor allem zur Effizienzsteigerung einsetzen. Wie lässt sich dabei sicherstellen, dass die Kundenerfahrung nicht leidet?
Indem man KI nicht nur als Automatisierungstool betrachtet, sondern als Instrument zur Personalisierung. Künstliche Intelligenz kann Kommunikationswege vereinfachen, Anfragen schneller beantworten und Inhalte individuell zuschneiden, aber sie sollte nie unpersönlich wirken. Gerade im Banking, wo es um sensible Themen wie Geldanlage oder Kredite geht, bleibt Empathie entscheidend. Der Schlüssel liegt darin, Routineaufgaben zu automatisieren, damit Mitarbeitende mehr Zeit für persönliche Beratung gewinnen. Das Ergebnis ist eine Kombination aus Geschwindigkeit, Präzision und Menschlichkeit und genau das erwarten Kund:innen heute.
Wie unterscheiden sich jüngere Zielgruppen in ihrem Umgang mit KI von älteren Kund:innen?
Wir sehen eine deutliche Generationenverschiebung. Jüngere Kund:innen – insbesondere die Generationen Y und Z – sind wesentlich offener gegenüber KI-basierten Services. Sie wachsen mit Technologie auf, erwarten Rund-um-die-Uhr-Service und personalisierte Interaktionen über digitale Kanäle. Diese Zielgruppe wird in den nächsten Jahren den Markt prägen. Wer es schafft, hier früh Vertrauen aufzubauen, verschafft sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Für Banken heißt das: Sie müssen KI so gestalten, dass sie intuitiv, sicher und nachvollziehbar ist, also technologisch smart, aber menschlich verständlich.
Wie kann Technologie helfen, Vertrauen messbar zu machen? Viele Banken tun sich schwer, den Erfolg von KI-Initiativen zu quantifizieren.
Vertrauen ist kein „weiches“ Thema; es lässt sich durchaus messen. Zum Beispiel über Kundenzufriedenheit, Cross-Selling oder Empfehlungsbereitschaft. In unserer Studie sagen 76 % der Bankkund:innen, dass sie ihre Bank weiterempfehlen würden, wenn die Kommunikation ihre Erwartungen übertrifft. Das bedeutet: KI, die für mehr Relevanz und Geschwindigkeit sorgt, zahlt sich direkt aus. Übertreffen Formular- und Datenerfassungsprozesse, also genau die Schnittstelle, an der Kund:innen mit einer Bank interagieren, um Informationen auszutauschen, Anträge zu stellen oder Verträge abzuschließen, die Erwartungen der Kund:innen, wären 58 % bereit, mehr Produkte oder Dienstleistungen zu kaufen bzw. weitere Geschäfte mit dem Finanzunternehmen zu tätigen. Zudem würden 63 % dem Finanzunternehmen wahrscheinlich treu bleiben. Eine bessere CX durch KI-basierte Kommunikation – ob im Formularprozess oder in der Servicekommunikation – beeinflusst unmittelbar Umsatz und Bindung.
„Die erfolgreichsten Banken der Zukunft werden diejenigen sein, die technologische Präzision mit menschlicher Nähe verbinden.“
Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen: Wie wird KI das Verhältnis zwischen Banken und Kund:innen in den nächsten fünf Jahren verändern?
Ich bin überzeugt, dass wir uns auf eine hybride Zukunft zubewegen, geprägt von der intelligenten Kombination aus Mensch und Maschine. KI wird Routine- und Analyseaufgaben übernehmen, komplexe Informationen strukturieren und Mitarbeitende unterstützen. Gleichzeitig werden Kund:innen stärker eingebunden, weil Services intuitiver, kontextbezogener und dialogorientierter werden. Banken, die heute in verantwortungsvolle KI investieren, legen den Grundstein für ein neues Kundenerlebnis, das nicht nur effizienter, sondern auch vertrauenswürdiger ist. Die erfolgreichsten Banken der Zukunft werden diejenigen sein, die technologische Präzision mit menschlicher Nähe verbinden.
Was raten Sie Banken, die gerade erst beginnen, sich mit generativer KI auseinanderzusetzen?
Fangen Sie klein an, aber mit klarer Strategie. Identifizieren Sie Bereiche, in denen KI spürbaren Mehrwert für Kund:innen bringt, etwa in der Kommunikation oder im Self-Service. Sorgen Sie dafür, dass Mitarbeitende verstehen, wie KI funktioniert, und dass es klare Richtlinien gibt. Und schließlich: Testen, messen, verbessern. KI ist kein einmaliges Projekt, sondern eine dauerhafte Lernkurve. Wer früh beginnt, verantwortungsvoll zu experimentieren, wird langfristig profitieren, sowohl durch effizientere Prozesse als auch durch loyalere Kund:innen.
Wird KI in fünf Jahren selbstverständlich sein oder bleibt sie ein Thema, das Vertrauen immer wieder neu gewinnen muss?
Beides. KI wird selbstverständlich sein, aber Vertrauen bleibt eine Daueraufgabe. Technologie entwickelt sich schneller als unsere Wahrnehmung, darum müssen Banken kontinuierlich erklären, was KI tut und warum sie sicher ist. Wenn es gelingt, Transparenz, Ethik und Kundennutzen konsequent in den Mittelpunkt zu stellen, wird KI zu einem echten Wachstumsmotor. Die Zukunft gehört nicht der Technologie allein, sondern den Banken, die sie klug, verantwortungsvoll und menschlich einsetzen.

Martin Suter
Martin Suter ist seit 2021 als Chief Product Officer bei Smart Communications für das gesamte Produktportfolio verantwortlich und treibt Strategien in den Bereichen Customer Communications Management, Kundenerlebnis und digitale Transformation voran. Mit tiefem Fachwissen im Bereich Financial Services sowie seiner langjährigen Erfahrung im Produktmanagement, im Bereich Cloud-Technologien und in der M&A-Strategie ist er ein gefragter Speaker auf Branchenveranstaltungen.
Daniel Fernandez ist seit 2025 Chefredakteur der BANKINGNEWS. Seine journalistische Laufbahn begann er 2017 in der Redaktion als Volontär. Er studierte English Studies an der Universität Bonn (B.A. 2016) und vertiefte seine akademische Ausbildung mit einem Master in English Literatures and Cultures, den er ebenfalls in Bonn abschloss. Erste redaktionelle Erfahrungen sammelte er parallel zum Studium als freier Werbetexter.


