„Wir möchten einen Kulturwandel anstoßen“

Marie-Luise Sessler und Michael Koßmehl haben sich bei einem „Seminar für Sonderlinge“ kennengelernt und erkannten ihre geteilte Begeisterung für Digitalisierung, Innovation und Kulturwandel. Seit zwei Jahren leiten die promovierte Philosophin und der Wirtschaftsinformatiker das innovationLab der Frankfurter Sparkasse.


Das Gründungsteam des innovationLab: Michael Koßmehl und Dr. Marie-Luise Sessler.

BANKINGNEWS: Wie kam es zur Gründung des innovationLab?

Michael Koßmehl (MK): Es gab vonseiten des Vorstands schon länger Bestrebungen, die Themen Digitalisierung und Innovation stärker zu forcieren. Vor allem unserem Vorstandsvorsitzenden Robert Restani sind diese Themen sehr wichtig. Frau Sessler und ich haben für ein halbes Jahr in einem Strategieprojekt der Helaba zum Thema Digitalisierung mitgewirkt. Die Ansätze, die wir dort gesehen haben, wollten wir nach unserer Rückkehr in die Frankfurter Sparkasse einbringen. Wir haben ein Konzept in Form eines Comics und Videos erarbeitet und vorgelegt, dem der Vorstand zugestimmt hat.

Wie viele Personen arbeiten heute im Lab?

Marie-Luise Sessler (MS): Außer uns beiden sind es vier Teilzeitkräfte. Für jedes Projekt rekrutieren wir zudem Mitarbeiter aus der Organisation. So haben viele Mitarbeiter die Möglichkeit, sich einzubringen. Aktuell arbeiten vier Teams mit insgesamt 25 Mitarbeitern parallel an ihren Projekten. Sie sind in dieser Zeit für eine gewisse Anzahl an Stunden von ihren eigentlichen Tätigkeiten für die Projektarbeit freigestellt. Wir setzen auf einen Multiplikatoreneffekt, da wir einen Kulturwandel anstoßen und die Methoden aus dem Lab in die gesamte Organisation hineintragen möchten. Daher arbeiten wir eng mit unserer Personalabteilung zusammen, die ihrerseits Konzepte entwickelt, um die Mitarbeiter fit für die Zukunft zu machen. Zudem haben wir beispielsweise 2017 einen hausinternen Hackathon veranstaltet und einen Fintech-Stammtisch eingerichtet, bei dem sich Führungskräfte aus unserem Haus regelmäßig mit Fintechs treffen, die dort ihre Ideen präsentieren. Außerdem unterhalten wir einen Standort im Frankfurter TechQuartier, in das wir ganze Filialteams oder Abteilungen einladen, um ihnen die Arbeitsweisen näherzubringen.

MK: Das sind keine reinen Spaßveranstaltungen. Wir möchten aufzeigen, wie Arbeitswelten heute aussehen können und wie die Digitalisierung Arbeitsplätze verändert. Es ist gut, wenn unsere Kolleginnen und Kollegen digitale Fitness besitzen und Freude daran haben, neue Services gegenüber unseren Kunden zu kommunizieren. Die Sparkassen können digital unglaublich viel, aber wir haben ein Wahrnehmungsproblem. Wenn die Mitarbeiter selbst die Banking-App oder mobile Zahlverfahren nicht nutzen, fällt es ihnen schwer, diese Dinge an den Kunden weiterzugeben. Wir möchten durch diese Veranstaltungen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie sich Berufsbilder entwickeln können.

„Wir engagieren keine Unternehmensberater“

Werden externe Personen in die Projektteams aufgenommen?

MK: Wir haben festgestellt, dass es bei uns im Haus viele Menschen gibt, die sehr innovativ denken. Deswegen besteht die Notwendigkeit nur sehr selten. Die „wilden Ideen“ kommen von uns beiden, und damit animieren wir die anderen, noch mehr über den Tellerrand hinauszudenken. Etwa 95 Prozent bilden wir in-house ab. Wenn wir Fachwissen benötigen, das bei uns nicht vorhanden ist, ziehen wir externe Partner hinzu. Das waren beispielsweise ein Partnervermittlungsunternehmen, Wirtschaftsmediatoren oder Studenten. Wir engagieren jedoch keine Innovationsagenturen oder Unternehmensberater.

Binden Sie auch Kunden ein?

MK: Manchmal werden Kunden und Nicht-Kunden schon einbezogen, bevor die Mitarbeiter etwas von dem Projekt wissen. Dann stellen wir uns als Leitung des Labs in ein Einkaufszentrum oder eine Filiale und sprechen die Leute an. Das wiederholen wir in der frühen Projektphase immer wieder. Alle Informationen, die älter sind als ein halbes Jahr, evaluieren wir neu.

MS: Nach dem Vorbild von Google Ventures halten wir die Kundengruppen bewusst klein, das heißt fünf bis zehn Personen. Bei größeren Gruppen ist der zusätzliche Erkenntnisgewinn sehr gering. Das Feedback fließt dann direkt in die nächsten Schritte ein.

Wie priorisieren Sie die Projekte?

MK: Die Priorisierung erfolgt in Absprache mit dem Vorstand. Teilweise erhalten wir einen Auftrag bzw. eine Herausforderung, die zu lösen ist. Wir sind sehr früh in die Zielbildung eingebunden.

MS: Wir arbeiten immer an vier bis fünf Projekten gleichzeitig, die einen unterschiedlichen Fortschrittsgrad haben. Zu Anfang sind wir beide sehr nah am Team und schulen es in Methoden. Nach einer gewissen Zeit ziehen wir uns immer mehr zurück und übergeben das Projekt letztlich wieder.

MK: Wir haben aber auch besondere Herzensprojekte, bei denen wir dabeibleiben möchten, bis das Baby laufen gelernt hat.

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