BANKINGNEWS: Seit über zwei Jahren gehörst Du zum Team der NRW.BANK. Die Rolle als Investment Manager Venture & Seed Capital trägst Du jetzt seit ein paar Monaten. Wie würdest Du Dein Aufgabenprofil beschreiben?
Dr. Antonia Nörthemann: Tatsächlich ist das ein sehr generalistischer Job, weshalb ich ihn auch so gerne mache. Zunächst einmal umfasst mein Tätigkeitsbereich die Akquise und Identifizierung von spannenden Startups und natürlich deren Auswertung – das heißt die Analyse des Teams, des Produkts und des Geschäftsmodells. Dann beschäftige ich mich mit Themen wie Vertragsverhandlungen und Konsortiumsuche. Wenn wir einen Deal abschließen, begleiten wir diese Unternehmen aktiv über die Investmentlaufzeit hinweg. Es ist im Prinzip eine ganze Bandbreite an Themen und was ich daran besonders mag, ist, dass es auch ein totales People Business ist. Man arbeitet extrem viel mit Menschen zusammen, mit motivierten Gründerinnen und Gründern, aber natürlich auch mit den Co-Investoren, und das ist wirklich spannend. Das spielt sich alles unter NRW.Venture ab. Dies ist der Venture-Capital-Fonds der NRW.BANK, mit dem wir als Förderbank auf das knappe Finanzierungsangebot für junge, innovative, oft technologieorientierte Unternehmen reagieren. Darüber hinaus bieten wir viele weitere Unterstützungsangebote für Gründerinnen und Gründer an, bei denen ich eng mit meinen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeite. Gemeinsam prüfen wir, welche zusätzlichen Optionen – neben unserem Eigenkapitalinvestment – für ein Startup hilfreich sein könnten.
Was hat Dich ursprünglich in die Welt des Venture Capitals geführt?
Meinen ersten Berührungspunkt hatte ich tatsächlich als Studentin. Ich habe an der Uni in Düsseldorf studiert und da hatte ich rückblickend großes Glück, dass das eine der wenigen Universitäten in Deutschland ist, die einen Lehrstuhl für Wachstumsfinanzierung anbieten. Die Professorin, die diesen Lehrstuhl innehat und später auch meine Doktormutter wurde, hat initial mein Interesse für diesen Bereich geweckt. Und wie bereits angerissen, ist es das generalistische Aufgabenfeld, das ich mag. Ich kann hier meine Ausbildung als Betriebswirtin sehr gut einbringen, weil man den Blick auf verschiedene Themen richten muss. Man ist einerseits immer am Zahn der Zeit und beobachtet die neuesten Ideen und Innovationen. Es geht darum, unterschiedliche Dinge zu analysieren, vom Team über das Geschäftsmodell bis zum Vertriebskanal. Wie sehen die Zahlen in dem Unternehmen aus? Darin habe ich meinen Weg gefunden.
„Man arbeitet extrem viel mit Menschen zusammen, mit motivierten Gründerinnen und Gründern, aber natürlich auch mit den Co-Investoren, und das finde ich wirklich spannend.“
Nach welchen Kriterien wählt Ihr die Startups für Seed- oder Venture-Investments aus?
Wir treten mit Startups auf verschiedenen Wegen in Kontakt. Eine Möglichkeit ist, dass sie sich direkt bei uns melden. Ein anderer Weg ist, auf diversen Veranstaltungen auf Startups aktiv zuzugehen. Ein dritter Kanal ist außerdem die Kooperation und Zusammenarbeit mit Co-Investoren, die wir beispielsweise schon von vergangenen Deals kennen. Da teilt man auch seinen Dealflow miteinander und lernt darüber spannende Startups kennen. Wie wir die Startups letztlich auswählen, hängt immer ein bisschen von der Phase ab, in der sich das Unternehmen befindet. Unternehmen, die noch am Anfang stehen, haben noch keine Umsätze oder Kunden – vielleicht nur einen funktionierenden Prototypen. In diesen Fällen haben wir natürlich weniger harte Fakten, die wir analysieren können. Hier gehen wir dementsprechend qualitativer vor, schauen uns Faktoren an, wie beispielsweise das Team oder arbeiten an der Stelle mit Marktstudien und Daten mit Prognosen. Wohingegen Unternehmen, die schon eine Historie am Markt und folglich auch Zahlen haben, auch die quantitative Analyse möglich machen. Aber was man grundsätzlich sagen muss: Wir gehen vom Produkt aus und ganz wichtig auch vom Product Market Fit.
Wie sieht denn das ideale Team aus?
Grundsätzlich gilt wahrscheinlich immer die klassische BWLer-Antwort: „Es kommt darauf an“ (lacht). Und es kommt in der Tat immer auf das Unternehmen an. Aber was mittlerweile klar ist, ist, dass diverse Teams am allerbesten funktionieren. Wir achten darauf, ob die Fähigkeiten im Team auch komplementär sind. Wer bringt was mit? Wer übernimmt welche Rolle in dem Unternehmen? Welche Vorerfahrungen sind schon da und passt das auch zu dem Produkt und der Strategie des Unternehmens? Welche Verknüpfungen und welche Kontakte in die Industrie oder zu neuen Kunden sind vielleicht schon gegeben?
Gibt es bestimmte Branchen oder Technologien, die die Bank gezielt fördern möchte (z. B. Greentech, Healthtech, AI)?
Wir fokussieren uns typischerweise auf Branchen, die für NRW als Bundesland und unseren Standort hier eine hohe Relevanz haben und ein dementsprechend großes Innovations- und Transformationspotential mitbringen. Wir unterstützen das Land dabei, NRW zum Innovationsstandort Nummer eins in Deutschland zu machen. Wir sind eine Region mit einer sehr hohen Dichte an Hochschulen, wo viel Forschungstransfer auch in den Markt gebracht werden kann. Auf der anderen Seite haben wir eine sehr starke Industrie. Hier gibt es wahnsinnig viele Unternehmen, einen sehr starken Mittelstand, der in Verknüpfung mit diesen Innovationen auch ein hohes Transformationspotenzial aufweist. Was die Branchen angeht, gehört natürlich Künstliche Intelligenz dazu. Mein zuletzt betreuter Deal war „octonomy“ aus Köln, die ein KI-Agentensystem für den B2B-Bereich entwickelt haben, das beispielsweise den technischen Kundensupport automatisieren kann – ein sehr kostenintensiver Bereich für den Mittelstand. Das bietet an der Stelle großes Potenzial, aber auch Bereiche wie Healthtech und Greentech sind Schlüsselbranchen, die wir fördern. Es gibt auch noch andere Zukunftstechnologien, die immer relevanter werden. Dazu gehören Klimaschutzlösungen, eine Dekarbonisierung an dieser Stelle sowie das ganze Thema Energiespeicherung. Nicht zu vergessen wäre aber auch Gender Health, also unterschiedliche Behandlungen von Frauen im Vergleich zu Männern, was lange ignoriert wurde. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklung wird wohl auch Verteidigung künftig an Bedeutung gewinnen.
„Wir fokussieren uns typischerweise auf Branchen, die für NRW als Bundesland und unseren Standort hier eine hohe Relevanz haben und ein dementsprechend großes Innovations- und Transformationspotential mitbringen.“
Unterscheiden sich Deine Aufgaben von denen einer Investment Managerin in einer rein privaten Venture-Capital-Gesellschaft?
Ehrlich gesagt gar nicht, würde ich vermuten. Also ich glaube nicht, dass es im operativen Doing oder in der Interaktion nach außen einen signifikanten Unterschied gibt. Wahrscheinlich gibt es als VC-Einheit in einer öffentlichen Förderbank in Teilen andere regulatorische Anforderungen, die wir dann einfach intern entsprechend abbilden. Aber im Grunde genommen unterscheidet sich der Job nicht. Was wir auf jeden Fall immer anstreben, ist eine partnerschaftliche Beziehung. Als langfristiger Partner, der wir an der Stelle sein wollen, können wir ja auch wirklich konjunkturunabhängig investieren. Das ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal, auch zu anderen Fonds, deren Fundraising oft vom Leitzins getrieben sind. Wir hingegen können auch in wirtschaftlich schwächeren Zeiten für die Unternehmen ein verlässlicher Partner sein. Und was vielleicht auch noch hervorzuheben ist: Wir sind selber auch aktiver Investor in drittgemanagten Fonds und führen deshalb eben auch eine besonders partnerschaftliche Beziehung zu diesen Fonds. Damit haben wir als Co-Investor im Markt eine starke Position.
Welche Rolle spielt die NRW.BANK beim Aufbau des Startup-Ökosystems in Nordrhein-Westfalen?
Wir spielen eine entscheidende Rolle in der Realisierung des Ökosystems vor Ort. Unsere Frühphasenförderung, in der ich zuvor tätig war, leistet hier einen wichtigen Beitrag: Mit unseren Wandeldarlehen unterstützen wir zum Beispiel viele junge Unternehmen dabei, die entscheidende Anfangsphase zu meistern und überhaupt erst erfolgreich zu gründen. Ein weiteres Highlight ist die „win NRW.BANK Business Angels Initiative“, die eines der größten Angel-Netzwerke in der DACH-Region umfasst. Dort treffen Startups auf Unternehmer mit Kapital und Erfahrung – häufig aus dem Mittelstand oder Familienunternehmen –, die ihr Know-how an junge Gründerinnen und Gründer weitergeben. Das ist ein tolles Unterstützungsangebot, finde ich. Auf der anderen Seite ist auch das Thema Hochschulausgründung wichtig. Wir bieten eine Menge Beratungsangebote in den Hochschulen, Acceleratoren, Inkubatoren an, sind dort vor Ort laden zu Veranstaltungen ein, um die verschiedenen Akteure des Ökosystems zu vernetzen. Im Anschluss an die Frühphasenfinanzierung kommen wir mit NRW.Venture ins Spiel, indem wir auch Wachstumsfinanzierungen mit größeren Summen unterstützen können. Was man auch immer im Hintergrund behalten muss, ist, dass NRW nicht so zentralistisch aufgestellt ist wie andere Bundesländer. Berlin oder München sind ja richtige Hotspots, wo sehr viel an einem Ort gebündelt ist. In NRW ist das nicht so, wir haben verschiedene Zentren und das ist auch eine Stärke.
Was war eine der größten Herausforderungen in Deiner bisherigen Arbeit als Investment Managerin?
Mein Job ist klassisches Projektgeschäft. Es geht darum, einen Deal abzuschließen und diese Phase ist sehr intensiv. In kürzester Zeit muss vieles gleichzeitig jongliert werden: Vertragsverhandlungen finden statt, teilweise arbeitet man auch mit Co-Investoren zusammen, die nicht zwangsläufig alle in Düsseldorf sitzen, sondern teilweise auch in anderen Ländern mit Zeitverschiebung. Das alles unter einen Hut zu bekommen, sich schnell zu einigen und dann die Fristen noch einzuhalten, kann sehr herausfordernd sein. Das zeigt mir aber auch, wie wichtig Priorisierung und gute, schlanke Kommunikation an dieser Stelle ist.
„Wir spielen eine entscheidende Rolle in der Realisierung des Ökosystems vor Ort.“
Gibt es vielleicht auch Aspekte, die derzeit noch verbesserungswürdig sind im Bereich Startup-Förderung oder allgemein im Gründertum?
Wenn man sich die Zahlen in NRW anguckt, sieht man, dass es noch Aufholbedarf in Sachen Risikoaffinität oder auch Diversität an einigen Stellen gibt. Aber ich sage auch, dass viel Richtiges passiert und es viele Initiativen und Unterstützungsangebote beispielsweise auch für Gründerinnen gibt. Was mein Herz total erwärmt hat: Ich war vor einigen Wochen auf der Young Founders Conference in München. Da sind junge Gründerinnen und Gründer aus ganz Deutschland, auch eine ganze Menge aus NRW, angereist. Teilweise waren das noch Schüler, aber die haben eine wahnsinnige Energie und Power ausgestrahlt und hatten ganz andere Berufsbilder vor Augen, als man sie vielleicht vor zehn Jahren hatte. Daran sieht man, dass sich viel getan hat, Gründen für viele ein großes Ziel ist und es wirklich einen Wandel gibt. Mein Gefühl sagt, wir sind da auf einem guten Weg.
Welche Wünsche oder Impulse würdest Du dem Startup-Standort NRW mit auf den Weg geben?
Ich würde mir zum einen eine höhere Risikoaffinität von Seiten mancher Investoren wünschen. Obwohl in dem Bereich schon viel passiert, wünsche ich mir eine noch stärkere Vernetzung zwischen Forschung und Industrie. Ich glaube aber auch, dass wir stolz sein dürfen auf die tollen Gründerinnen und Gründer und Exit Stories, die es in NRW schon gibt. Nordrhein-Westfalen hat sich in den vergangenen Jahren zum führenden Gründungsstandort entwickelt. Hierauf können junge Gründerinnen und Gründer aufbauen.

Dr. Antonia Nörthemann
Antonia ist seit 2025 als Investment Managerin mit Schwerpunkt auf Digitalwirtschaft & Technologie bei NRW.Venture tätig. Zuvor verantwortete sie die win Business Angels Initiative der NRW.BANK – das größte Angel Netzwerk der DACH-Region.
Fiona Gleim absolvierte von August 2021 bis Dezember 2022 ihr redaktionelles Volontariat bei der BANKINGCLUB Plattform GmbH und ist seitdem auch als festes Redaktionsmitglied beschäftigt. Davor schloss sie ihren Bachelor of Arts an der Universität Kassel ab.


