BANKINGNEWS: Herr Razum, viele Banken investieren in Omnichannel-Kommunikation. Wie zufrieden sind die Finanzkund:innen mit diesen Angeboten?
Jochen Razum: Unser aktueller Benchmark-Report zeigt, dass es noch deutlich Luft nach oben gibt. Weltweit sind gerade einmal 54 % der Kund:innen mit der Qualität ihrer Omnichannel-Erfahrungen zufrieden. Gleichzeitig gibt es 34 %, die explizit unzufrieden sind. Das bedeutet: Jede dritte Kundin und jeder dritte Kunde erlebt die Kommunikation über Kanäle hinweg als verbesserungswürdig. Für Banken ist das ein klares Signal, dass die Omnichannel-Strategie nicht nur technisch funktionieren, sondern vor allem konsistent und auf die Bedürfnisse der Kund:innen zugeschnitten sein muss.
Sie sprechen Konsistenz an. Wie wichtig ist diese für das Vertrauen der Kund:innen?
Sehr wichtig, besonders im deutschsprachigen Raum. Unsere Daten zeigen, dass 75 % der Kund:innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz Unternehmen mehr vertrauen, wenn sie ein konsistentes Omnichannel-Erlebnis bieten. Zum Vergleich: In den USA liegt dieser Wert bei 60 %, in Großbritannien bei 48 %. Das zeigt, wie stark Konsistenz im DACH-Raum mit Glaubwürdigkeit und Vertrauen verknüpft ist. Und Vertrauen ist in der Finanzbranche das Fundament jeder Kundenbeziehung.
Warum ist das Vertrauensthema im DACH-Raum so sensibel?
Unsere Studie lässt den Schluss zu, dass Kund:innen im DACH-Raum besonders qualitätsbewusst und sicherheitsorientiert sind. Sie erwarten, dass Banken nicht nur zuverlässig arbeiten, sondern auch kommunikativ zuverlässig auftreten. Viele Kund:innen erleben heute eine Art Kanal-Wirrwarr: Was die App sagt, passt nicht zu den Informationen im Chatbot und das Schreiben per Post verwendet nochmal andere Formulierungen. Diese Brüche wirken auf Kunden irritierend und im schlimmsten Fall vertrauensmindernd. Kommunikation ist heute Teil der Markenidentität. Sie signalisiert: Sind wir organisiert? Sind wir transparent? Können Sie sich auf uns verlassen? Omnichannel ist kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, auf allen relevanten Kanälen präsent zu sein, sondern darum, auf allen relevanten Kanälen ein stimmiges Erlebnis zu bieten.
Wie sieht es mit der tatsächlichen Nutzung der bevorzugten Kanäle aus?
Auch hier zeigen sich Schwächen. Nur 56 % der Kund:innen geben an, dass ihre Bank immer oder fast immer über den von ihnen bevorzugten Kanal kommuniziert. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 60 %. Gleichzeitig berichten 13 %, dass die Kommunikation selten oder nie über ihren bevorzugten Kanal erfolgt. Banken riskieren damit, Kund:innen zu verärgern oder zu verlieren, weil sie deren individuelle Präferenzen nicht respektieren.
Welche Lehren können Banken daraus ziehen?
Zunächst einmal müssen Banken die Kommunikationspräferenzen ihrer Kund:innen genau kennen und laufend aktualisieren. Die Daten zeigen, dass die Kundenbindung stark davon abhängt, wie gut die Bank die Erwartungen über alle Kanäle hinweg erfüllt. Wer es schafft, kanalübergreifend konsistente und personalisierte Erlebnisse zu bieten, stärkt das Vertrauen erheblich. Im DACH-Raum ist dieser Effekt besonders stark: Wer hier auf Omnichannel-Konsistenz setzt, kann einen echten Wettbewerbsvorteil erzielen.
Können Sie Beispiele nennen, wie Konsistenz praktisch umgesetzt werden kann?
Absolut. Konsistenz bedeutet nicht nur, auf allen Kanälen erreichbar zu sein, sondern dass die Informationen, die Kund:innen erhalten, identisch und relevant sind. Zum Beispiel sollte eine Mitteilung über eine neue Funktion in der App, per E-Mail und am Telefon dieselben Kerninformationen enthalten und in ähnlichem Tonfall kommuniziert werden. Darüber hinaus geht es darum, dass Kund:innen nahtlos zwischen Kanälen wechseln können, sodass ein Anliegen in einem Kanal begonnen und in einem anderen abgeschlossen werden kann.
„Wichtig ist, dass Banken Technologie nicht isoliert sehen, sondern eng mit Strategie und Prozessen verzahnen.“
Welche Herausforderungen stehen dahinter, dass die Omnichannel-Zufriedenheit weltweit nur bei 54 % liegt?
Banken müssen oft komplexe Systeme integrieren, die nicht immer miteinander kommunizieren. Dadurch entstehen Inkonsistenzen oder Verzögerungen in der Kundenkommunikation. Außerdem wird häufig unterschätzt, dass jede Kundin und jeder Kunde individuelle Präferenzen hat: Manche bevorzugen E-Mail, andere WhatsApp oder App-Benachrichtigungen. Wer diese Präferenzen ignoriert, erzeugt Frustration.
Welche Rolle spielt die Technologie dabei?
Eine Entscheidende. Moderne Omnichannel-Plattformen ermöglichen es, Kundendaten zentral zu verwalten und Kommunikationsflüsse über alle Kanäle zu orchestrieren. So lassen sich nicht nur die Präferenzen berücksichtigen, sondern auch konsistente Nachrichten in Echtzeit liefern. Wichtig ist, dass Banken Technologie nicht isoliert sehen, sondern eng mit Strategie und Prozessen verzahnen.
Wenn Sie Banken einen Rat geben müssten, wie sie das Vertrauen ihrer Kund:innen durch Omnichannel-Kommunikation stärken können, wie würde der lauten?
Drei Punkte sind zentral. Erstens: Kennen Sie Ihre Kund:innen und deren bevorzugte Kanäle. Zweitens: Liefern Sie über alle Kanäle hinweg konsistente, relevante und personalisierte Inhalte. Drittens: Nutzen Sie Technologie intelligent, um diese Prozesse effizient und fehlerfrei zu gestalten.
Abschließend, wo sehen Sie die größten Chancen für Banken im Bereich Omnichannel?
Die größte Chance liegt darin, aus reiner Erreichbarkeit ein echtes Erlebnis zu machen. Zufriedenheit im Banking entsteht nicht durch mehr Kanäle, sondern durch bessere, konsistente Gespräche. Wir sehen deutlich: Wenn Kund:innen über alle Kanäle hinweg dieselbe Tonalität, denselben Stil und dieselben Inhalte erleben, empfinden sie das als Professionalität. Gerade im DACH-Raum ist der Effekt auf das Vertrauen besonders stark und Vertrauen wirkt direkt auf Loyalität. Das sollten Banken nutzen, um langfristige Kundenbeziehungen zu festigen. Wer über alle Kanäle hinweg klar, einheitlich und empathisch kommuniziert, schafft die Basis für nachhaltigen Erfolg.

Jochen Razum
Jochen Razum ist Sales Director DACH bei Smart Communications und ein ausgewiesener Experte für Customer Experience und Customer Communications Management mit über 30 Jahren Erfahrung in der IT-Branche. Er hat zahlreiche Transformationsprojekte für Unternehmen wie Siemens, Commerzbank, Deutsche Telekom und Lufthansa begleitet und hilft Organisationen, ihre Kundenkommunikation zu digitalisieren und zu personalisieren.
Daniel Fernandez ist seit 2025 Chefredakteur der BANKINGNEWS. Seine journalistische Laufbahn begann er 2017 in der Redaktion als Volontär. Er studierte English Studies an der Universität Bonn (B.A. 2016) und vertiefte seine akademische Ausbildung mit einem Master in English Literatures and Cultures, den er ebenfalls in Bonn abschloss. Erste redaktionelle Erfahrungen sammelte er parallel zum Studium als freier Werbetexter.



