Donnerstag, 27. November 2025
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„Unsere Vision war ein Terminal, das langfristig mit Bloomberg konkurrieren kann“

Ein KI-Terminal als Bloomberg-Herausforderer, 2.000 Nutzer noch vor der Gründung und Produktvalidierung innerhalb weniger Stunden: Gründer Tammo Elsner erzählt, wie Rize Capital den Research-Prozess im Finanzmarkt neu denkt – und was Europa vom Silicon Valley lernen kann.

BANKINGNEWS: Tammo, kannst du uns kurz die Vision von Rize Capital beschreiben – was ist der Kern eures Produkts und wofür wollt ihr stehen? 

Tammo Elsner: Im Finanzmarkt ist eigentlich alles in rohen Finanzdaten aufgebaut, also Zahlen, die dann visualisiert oder von Finanzplattformen in Kontext gebracht werden. Wir denken das Ganze ein bisschen weiter: Wir reichern Daten mit KI an, das heißt, wir haben einen kompletten Research Flow mit makroökonomischem Verständnis im Hintergrund, und wollen so die ganzen Rohdaten erklärbar machen. Jeder, der nicht professioneller Investor ist, bekommt eine Antwort in einem normalen Chatformat oder als Satz. So kann jede Metrik oder Finanzkennzahl in normaler Sprache wiedergegeben werden und erklärbar gemacht werden. Wir gehen da sehr tief mit unterschiedlichen KI-Agenten in die Research rein und liefern Natural Lange Output aus den rohen Finanzdaten. Privatinvestoren und Analysten sind unsere Endnutzer. Außerdem bieten wir unseren Service auch noch als API an, also als Schnittstelle für Finanzplattformen. Broker, jegliche Finanzplattformen und Portfolio Tracker können auf der Basis eigene KI-Features bauen. Die Kunden sind komplett flexibel darin, was sie daraus machen.

Ihr seid noch in der Pre-Gründungsphase, aber ihr habt trotzdem schon Kunden. Wie passt das zusammen? 

Wir haben 2.000 Nutzer, B2C, das sind Privatinvestoren. Da wir noch nicht gegründet sind, haben wir das ganze Modell kostenlos aufgebaut. Bei uns ging es erst mal darum, das Terminal für Privatinvestoren zu launchen und herauszufinden: Was fragen die Leute überhaupt? Sind das alles Fragen, bei denen es wenig Sinn ergibt, eine Analyse darauf aufzubauen? Oder sind das wirklich User, die tiefer reingehen? Es stellt sich heraus, es gibt fast alles. Das sind manchmal sehr einfache Fragen. Manchmal ist es aber auch eine große Anfrage, wie „Analysiere Apple“, was natürlich ein bisschen schwieriger ist, denn: Was sollen wir jetzt konkret analysieren? Da müssen wir erst mal einen ganzen Prozess bauen, um das alles herunterzubrechen. Das hat auch den Hintergrund, dass wir mit der Oxford University zusammenarbeiten und Research für Financial Behavior machen. Was fragen die Leute und was wollen sie als Antwort haben? Erst mal lassen wir das kostenlos weiterlaufen und sobald die Gründung steht, hoffen wir, es zu monetarisieren.

Das bedeutet, dass neben der Marktanalyse dann auch eine Analyse der Investoren-Fragen als weiterer möglicher Anwendungsfall stünde, korrekt?

Genau. Also was wir gerade machen, sieht so aus: Ein User stellt eine Frage und dann generieren wir quasi einen ganzen Research-Flow. Das ist wie eine Masterarbeit, man erstellt Forschungsfragen, um das Thema besser zu verstehen. Diese Fragen können wir dann auf die verschiedenen Bereiche des Finanzmarktes anwenden, zum Beispiel technische Analyse (Chartanalyse), Fundamentalanalyse oder Nachrichten. Anschließend werden unsere KI-Agenten aktiviert. Diese arbeiten mit einem begrenzten Datensatz, wodurch sie deutlich spezifischere und gezieltere Antworten liefern können. Es ist sehr wichtig, dass wir das so machen, weil wir uns hiermit von den normalen Sprachmodellen, wie zum Beispiel GPT, klar abgrenzen. Bei diesen kommt es oft zu sogenannten „Halluzinationen“, weil dieser Prozess, den wir machen, so nicht erfolgt.

Bei ChatGPT sind die Daten auch nicht tagesaktuell, oder?

Jein. Solche Modelle haben keinen Zugriff auf Finanzdaten per se, sondern crawlen alles aus dem Internet ab. Das heißt, sie können Echtzeit-Daten bekommen, wenn sie von einer solchen Plattform crawlen. Aber wenn du jetzt fragst, „Was sind die zehn besten Aktien?“, dann kriegst du auch eine Antwort, weil die dann zum Beispiel einen unseriösen Artikel crawlen, der häufig das Keyword „die zehn besten Aktien“ beinhaltet. Unsere Antworten basieren alle ausschließlich auf lizensierten Börsendaten, denn wir haben gar keinen Zugriff auf die anderen Websites.

Ein großer Teil eurer Nutzer stammt aktuell aus den USA. Plant ihr eine stärkere Lokalisierung für den deutschsprachigen Raum, oder bleibt der Fokus vorerst auf den USA? 

Mittlerweile sind 50 Prozent unserer Nutzer aus den USA. Im B2C-Bereich sind wir von Anfang an „born global“ gewesen. Das heißt, unsere Website und unser Tool sind auf Englisch. Man kann aber auch auf Deutsch schreiben, weil das eine Natural Language ist. Ein Chatbot kann im Prinzip jede Sprache. Aber B2C sind wir von Anfang an international erreichbar, was sich in unserer Zielgruppe auch widerspiegelt. Was B2B angeht, also Finanzplattformen und B2B-Analysten bei Banken und Hedgefonds, fangen wir erstmal im DACH-Bereich und in Europa an, weil wir hier Netzwerkvorteile haben. Hier ist aber alles konservativer aufgebaut, weswegen die Integration ein bisschen länger dauert.

Was waren als Gründer bisher die größten Herausforderungen: Funding, Personal, Regulatorik? 

Tatsächlich hängt es aktuell beim Funding beziehungsweise Daten. Ein grundsätzliches Datenproblem haben wir zwar nicht, da wir mit einem guten deutschen Anbieter zusammenarbeiten, der uns eine große Abdeckung bietet. Sobald es jedoch in sehr spezifische Nischen geht, fehlen uns die entsprechenden Daten, und dafür bräuchten wir einen der großen Anbieter, was sehr teuer wäre. Wir sprechen von circa 10.000 Euro im Monat, die wir ausgeben müssten. Das wäre für uns als gerade abgeschlossene Studenten nicht darstellbar, solange wir kein Funding haben. Sobald die Finanzierung steht, ist es kein Problem für uns, einfach den Schalter umzulegen und die besten Daten im Hintergrund anzunehmen. Daraus ergibt sich das Problem, dass professionelle Analysten gar nicht erst daran denken, mit uns zusammenzuarbeiten, da sie ihre Analysen ausschließlich auf hochwertigen Daten aufbauen wollen. Die haben zum Beispiel ihr Bloomberg Terminal im Hintergrund und unsere Daten müssten mindestens auf dem gleichen Level sein, sonst macht das für die keinen Sinn. Das ist so der größte Knackpunkt gewesen. Wir haben hier schon einen Teil der Lösung, indem wir unsere Pipeline flexibel aufgebaut haben. Plattform-Partner und Analysten können nun eigene Datensets einfach anbinden und die Rize Analyse darauf basieren. So arbeiten Partner weiterhin mit den eigenen, präferierten Daten, und bekommen darauf den Kontext und Insights. Personaltechnisch war es auch relativ schwer, Tech-Mitarbeiter zu finden, die gleichzeitig Finance-Fokus und den Startup-Drive haben. Das war auf jeden Fall eine Challenge. Wir sind auch immer noch dran, die besten Leute zu finden.

Welche nächsten Schritte stehen jetzt bis zur Gründung noch an? 

Also erst mal wollen wir das Programm bei Antler zu Ende machen, einem der aktivsten Frühphasen Investoren weltweit. Das Unternehmen gründen und gleichzeitig Funding sammeln, was dann auch gleichzeitig der Schritt ist, die besten Daten zu bekommen, um bessere Antworten zu liefern. Und das ist die Basis, um dann für B2Bs ins Kunden-Outreach zu gehen, die Verträge abzuschließen und auch B2C potenziell zu monetarisieren. Wir haben Rückmeldungen von unseren Kunden bekommen, die uns zwar schon viel nutzen, aber trotzdem die Daten immer noch gegenchecken müssen, was eigentlich nicht sein sollte. Die wären bereit zu zahlen, aber nur, wenn die Daten stimmen.

In Europa sind die Investoren eher risikoscheu und sicherheitsbezogen

Neben der Gründung hast du auch die Stanford University in Kalifornien besucht und dort die Startup-Kultur im Silicon Valley hautnah erlebt. Was konntest du von dort mitnehmen, was dir für Rize Capital hilft? 

Ich habe sehr viele VC-Gespräche geführt, nicht zwangsläufig, um direkt Funding zu bekommen, sondern erst mal, um mein Netzwerk auch dort aufzubauen. Ich habe dabei gemerkt, dass ich komplett anders pitchen musste. Die ersten Pitches habe ich so gemacht, wie ich sie auch in Europa mache: sehr faktenbasiert und in Richtung „Wann machen wir welche Revenue“ etc. In den USA war das aber eigentlich alles nicht gewollt; sowas wie Marktgröße und Financial Due Diligence war hier für Early-Stage Startups erstmal zweitrangig. Der Pitch war eigentlich immer eher: „Team ist top. Wir haben eine große Vision und wir machen das jetzt so schnell wie möglich, so groß wie möglich.“ In Europa sind die Investoren eher risikoscheu und sicherheitsbezogen. Auch das Netzwerk ist in Kalifornien komplett anders. Die Topuniversitäten, also Berkeley und Stanford, sind direkt vor Ort. Ich glaube, fast 30 Prozent vom globalen VC-Markt sitzen im Silicon Valley, und durch diese ganze Ansammlung von Tech, von den großen Firmen und Unis, ist es so, dass gefühlt jeder, mit dem man spricht, ein Startup hat, in Startups investiert oder jemanden kennt, mit dem er dich vernetzen kann. Zum Beispiel war auch mal Jensen Huang, der Nvidia-CEO, auf dem Campus. Auf WhatsApp haben wir Studenten miteinander geschrieben, „Ey, Jensen Huang läuft gerade über den Campus und hat mit Studenten geredet“ – das sind, glaube ich, Situationen, die in Europa so nicht passieren würden.

 Was können wir vom Silicon Valley lernen?

Es gibt überall Pros und Cons. Also die USA sind komplett anders aufgebaut als Deutschland – sie sind brutal VC-basiert. Staatliche Förderprogramme sind fast kaum vorhanden, also sowas wie EXIST – das ist ein Gründer-Stipendium, das du früh für eine Idee bekommst und dann quasi Gehalt für ein Jahr mit zusätzlichen Ausgaben erhältst – gibt es in den USA gar nicht. Dort läuft es eher so, dass du viel Geld mit VCs beschaffst und das Ganze groß aufziehst – was, wenn du Risikokapital beschaffen willst, definitiv die bessere Variante ist. Aber wenn du erst mal das ganze Produkt validieren und in Ruhe bauen willst, sehe ich extreme Vorteile in Deutschland.

man sollte sich nicht so viel Gedanken darüber machen, wo man gründet

Was kann Deutschland besser machen?

 Vielleicht könnten die bürokratischen Prozesse ein bisschen schneller werden. Wenn wir Anträge stellen – gerade bei Förderprogrammen – warten wir oft drei bis vier Monate. Für Gründer, die vielleicht nicht das finanzielle Budget im Hintergrund haben, ist das erstmal ein KO-Kriterium. Wenn die Förderprogramme schnell laufen würden, wäre das extrem attraktiv für Gründer gerade in der Anfangszeit. Am Ende ist meine Meinung, man sollte sich nicht so viel Gedanken darüber machen, wo man gründet, sondern schnellstmöglich den Product-Market Fit erreichen und die ersten Kunden finden. Und dann ergibt sich auf Basis der Kunden, wo du gründen solltest und wo du nah an ihnen dran bist. Ich glaube, in Deutschland oder auch in Europa generell haben wir bessere Chancen als je zuvor, Finanz-Unicorns zu bauen. Durch KI und weniger Personal kommt es einfach darauf an, dass du einen extrem guten Product-Market Fit und gutes Tech hast. Das hat man jetzt zum Beispiel in Schweden an Lovable gesehen. Sie haben es auch aus Europa herausgeschafft, eines der erfolgreichsten und schnellst wachsenden Startups zu werden. Durch KI sind die Chancen deutlich besser geworden.

Welchen Rat würdest du jungen Gründern geben, die gerade mit einer Idee starten? 

Mit ganz vielen Kunden sprechen. Wir haben in den ersten zwei Monaten erst mal das Produkt so aufgebaut, wie wir wollten und so wie wir dachten, dass es alle wollen. Wir haben wenig mit Kunden gesprochen und das war ein großer Fehler. Also haben wir das Produkt nach dem Launch wieder runtergenommen, mit Kunden gesprochen und das Tool nochmal neu aufgebaut, B2C gelauncht und dann permanent mit den Nutzern im Austausch gestanden. Man sollte direkt mit potenziellen Kunden sprechen und wirklich schauen, ob die das haben wollen und auch, ob die dafür zahlen wollen. Mit Rize haben wir einen weiteren Use Case in beeindruckendem Tempo validiert. Unsere Vision war ein Terminal, das langfristig mit Bloomberg konkurrieren kann. Im ersten Schritt haben wir Kundeninterviews mit Analysten aus Banken und Fonds geführt und die Transkripte anschließend per KI ausgewertet, um gemeinsame Pain Points herauszufiltern. Auf Basis dieser Erkenntnisse haben wir innerhalb von nur einer Stunde mit KI ein vollständiges Frontend mit Mock-Daten als Demo gebaut. Mit dieser Demo sind wir zurück zu den Interviewpartnern, haben ihnen das Produkt gezeigt und ihr konkretes Interesse abgefragt. Erst danach haben wir begonnen, tatsächlich etwas zu programmieren. Der gesamte Prozess ist extrem effizient – und genau das empfehle ich jedem Gründer. Identifiziere Pain Points, baue sofort einen Prototypen und versuche, direkt einen LOI oder eine Zusage einzuholen, noch bevor du wirklich startest. Das ist die beste Form der Validierung. So kann jeder ideenreiche Gründer innerhalb einer Woche drei potenzielle Produktideen testen.

Wie seid ihr mit den potenziellen B2C-Kunden in Kontakt gekommen?

Wir haben erstmal Kunden über die Warteliste eingesammelt. Anschließend haben wir eine Website gelauncht mit einem Magazin und da Traffic generiert. Dann konnten sich Leute mit ihrer E-Mail für die Warteliste anmelden. Und da haben wir einfach E-Mail-Outreach gemacht. Als wir dann gelauncht sind, haben wir ein Tool implementiert: Dort können Leute auf Feedback klicken und reinschreiben, was für Features sie haben wollen und warum. Die ganzen anderen User können abstimmen, ob das für sie interessant ist oder nicht. So haben wir relativ schnell gesehen, welche Features gewollt sind und welche eher Spielerei sind.

Was waren für dich bisher die wichtigsten Erfolge auf deinem Weg mit Rize Capital? 

Auf jeden Fall die schnelle B2C-Marktvalidierung. Allein, dass wir knapp 2.000 Nutzer bekommen haben, war super für uns. Wir haben keinen Cent für Marketing ausgegeben – der gesamte Traffic kam über Search und einmal über einen kostenlosen Influencer-Post. Wir haben es bisher noch nicht versucht zu monetarisieren, daher wissen wir auch nicht, ob das später ein Erfolg wird. Im B2B-Bereich haben wir jetzt die ersten Finanzplattformen, die uns testen, und zudem zwei Kunden, die ohne Outreach auf uns zugekommen sind und unsere Tech ausprobieren wollen. Das war ebenfalls ein großer Erfolg. Ansonsten haben wir gerade erst richtig angefangen. Wir haben B2C gelauncht, während wir beide unseren Master abgeschlossen haben, und hatten deshalb keine Vollzeitverfügbarkeit. Jetzt sind wir seit ein paar Wochen in Berlin, arbeiten das erste Mal Vollzeit und auch das erste Mal in Person zusammen. Vorher lief alles remote – was spannend war und erstaunlich gut funktioniert hat.

Tammo Elsner

Tammo Elsner ist Gründer von Rize Capital. 2025 schloss er seinen Masterabschluss an der Lund Universität mit Erweiterung im International Honors Program an der Universität Standford ab.

Daniel Fernandez ist seit 2025 Chefredakteur der BANKINGNEWS. Seine journalistische Laufbahn begann er 2017 in der Redaktion als Volontär. Er studierte English Studies an der Universität Bonn (B.A. 2016) und vertiefte seine akademische Ausbildung mit einem Master in English Literatures and Cultures, den er ebenfalls in Bonn abschloss. Erste redaktionelle Erfahrungen sammelte er parallel zum Studium als freier Werbetexter.

Maria Scherban absolvierte ihr redaktionelles Volontariat beim BANKINGCLUB und arbeitet seit Mitte 2025 als Redakteurin. Zuvor schloss sie ihren Master of Arts an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ab.

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