BANKINGNEWS im Interview mit Matthias Kröner Vorstand der Fidor AG

Community Banking: Ein Weg aus der Imagekrise? Seit der vergangenen Woche hat die Fidor AG eine Vollbanklizenz. Es hat länger gedauert als geplant. Was am Geschäftsmodell der Fidor AG hat den Prozess verzögert? Das Geschäftsmodell hat den Prozeß nicht verzögert. Vielmehr war und ist es das Gesamtumfeld, das für Bankgründungen keine wirklich positive Stimmung erzeugt.…


Community Banking: Ein Weg aus der Imagekrise?

Seit der vergangenen Woche hat die Fidor AG eine Vollbanklizenz. Es hat länger gedauert als geplant. Was am Geschäftsmodell der Fidor AG hat den Prozess verzögert?
Das Geschäftsmodell hat den Prozeß nicht verzögert. Vielmehr war und ist es das Gesamtumfeld, das für Bankgründungen keine wirklich positive Stimmung erzeugt. Wenn man zurzeit erzählt, dass man eine Bank gründen möchte, dann wird man da schon schief angeschaut. Da komme ich mir dann manchmal vor wie ein Verkäufer von Atomstrom kurz nach dem Unglück in Tschernobyl.
Neben diesem Markt-Sentiment ist natürlich auch klar, dass die Aufsichtsbehörde in Zeiten wie diesen ungleich mehr zu tun hat. Und, nicht zu vergessen: Die Fidor AG existiert bereits seit 5 Jahren. Es handelt sich also nicht um eine Gründung auf der grünen Wiese. Die Überprüfung des Antrags sowie des Antragssteller ist dadurch sicherlich komplexer.

Sie schreiben auf Ihrer Homepage, dass unsere Branche und unsere Kunden ein neues Selbstverständnis brauchen. Welches?
Nun, Banking muss wieder mehr in Richtung Kunden denken und arbeiten. In den letzten Jahren hatte man häufig den Eindruck, dass Banken sehr an Großkrediten und internationalem Geschäft interessiert sind. Als einzelner Retailkunde wurde man nicht so richtig wahrgenommen. Das trifft nicht auf alle Banken zu, aber sicherlich auf ein paar wesentliche, die nun das gegenwärtige Banken- und Banker-Image prägen.
Gleichzeitig zeichnet sich im Internet dank Web 2.0 eine wesentliche Verhaltensänderung im User- und Konsum-Verhalten ab. Das betrifft Themen wie Transparenz von Produkten und Prozessen, Qualität von Beratern/Vertrieben, das betrifft die Möglichkeit der User, untereinander zu agieren und kommunizieren, das betrifft die Mitgestaltungsmöglichkeit bei Produkten sowie die Mitverdienstmöglichkeit, sollte man für eine Internet-Plattform erfolgreich aktiv geworden sein. All das findet sich schon in diversen web-aktiven Industrien und Branchen. So befremdend es klingen mag, aber wir haben da einen starken Blick auf beispielsweise Touristik-Seiten, die sowohl den Vergleich des Hotels als auch die sofortige Buchung ermöglichen. Im Segment der Finanzdienstleistung, die eigentlich im Web mit die besten Chancen hat, findet sich davon wenig bis nichts. Warum das so ist, darüber lässt sich sehr lange spekulieren. Als „Kenner der Szene“ habe ich da natürlich meine Vermutungen. Letztlich ist aber klar, dass aus dieser Lücke zwischen gelebter Banken-Realität und gelebter Web-Realität die Notwendigkeit zur Selbstreflektion entsteht.
Wir haben diesen Prozeß der Selbstreflektion bereits hinter uns und setzen unsere Vision und Interpretation nun unter dem Namen „Fidor Community Banking“ um.

Communitybanking liest sich ein wenig so, dass Kunden mit basisdemokratischen Entscheidungen die Bank steuern. Die 67er für die Bankbranche?
Community Banking ist ein von uns geschaffener Begriff, der – und da gebe ich Ihnen vollkommen Recht – die Integration- und Interaktion mit dem Kunden, dem User zeitgemäß beschreiben soll. Wenn uns das gelingt, dann schaffen wir eine Gruppe von Gleichgesinnten, die sich gegenseitig bei Finanzthemen unterstützen und so auch zur besseren Entscheidung kommen können.
Statt wie bisher ausschließlich auf die Meinung eines Vertriebs-Mitarbeiters angewiesen zu sein, besteht nun die Möglichkeit flankierend zum Prozess eine „second opinion“ einzuholen. Die Online-Freunde können einem User mitteilen, als wie sinnvoll sie ein Produkt erachten bzw. wie gut die Qualität eines Beraters ist. Auch ermöglichen wir den Usern den anonymen Vergleich ihrer jeweiligen finanziellen Situation, um so Optimierungspotential identifizieren zu können. Auch die Gestaltung der weiteren Ausrichtung sowie die Gestaltung von Produkten werden wir gemeinsam mit den Usern vorantreiben. Warum auch nicht? Dienstleistung geschieht schon immer in Interaktion mit dem Kunden.
Wichtig dabei ist: Um keinen Interessen-Konflikt mit den Kunden zu bekommen, verzichtet Fidor Community Banking auf einen aktiven Vertrieb. Damit die Kunden aber dennoch nicht ohne kompetente Beratung auskommen müssen, besteht die Möglichkeit der Fragestellung an eine Reihe von unabhängigen Beratern. Fidor Community Banking liefert lediglich die Plattform hierzu.
Im Gegensatz zu den 67ern sind wir jedoch vollkommen unpolitisch. Unser einziges Credo ist, dass sich a) die Menschen im Land stärker mit dem Thema Geld beschäftigen müssen und b) diese Beschäftigung Spaß machen muss.

1993 bauen Sie den ersten Online-Broker, die DAB-Bank auf, bei der Sie zuletzt Sprecher des Vorstands sind. Nun starten Sie wieder durch. Was ist gleich, was wird anders?
Vieles in diesen Tagen erinnert mich an die damalige Zeit. Wir gehen mit einem innovativen Modell an den Start, dessen Erfolg nicht wirklich vorhersagbar ist. Wir kannten den Markt damals und kennen ihn auch heute, so dass wir glauben, das Risiko einschätzen zu können.
Im Gegensatz zu damals sind wir heute ein unternehmergeführtes Konzept, damals waren wir Manager einer Großbankstruktur. Das hat Vor- und Nachteile, wobei ich der Meinung bin, dass die Vorteile klar überwiegen und unser Konzept im Rahmen einer Großbank nicht umsetzbar ist.

Facebook, YouTube, XING und Twitter. Überall trifft man auf die Fidor AG. Bank und Web 2.0, wie passt das zusammen?
Die genannten Webplattformen sind die „Fußgänger-Zonen“ des Internets. Dort nicht vertreten bzw. auffindbar zu sein, wäre fatal. Für einen Retail-Banking-Strategen wäre es keine Frage, sich massenwirksam in der Münchner Fußgänger-Zone zu positionieren, um möglichst viele Menschen anzusprechen.
Das ist ein Grund. Ein anderer Grund ist die Akzeptanz der Tatsache, dass nicht der User zu einer Bankwebseite kommen muss, sondern die Webseite zum User. Damit stellt sich natürlich die nächste Frage: Wo sind denn die User? und schon komme ich erneut zur Eingangsthese der „Internet-Fußgänger-Zonen“.
Wer sich also erfolgreich im Netz positionieren möchte, muss a) Social Media Plattformen berücksichtigen, b) muss sich dort positionieren und c) muss sich dementsprechend verhalten, was wiederum d) die Fitness der Gesamtorganisation für dieses Unterfangen voraussetzt.

Was ändert sich in den nächsten 5 Jahren in unserer Branche durch Communitybanking?
Auf 5 Jahre gesehen: Alles!
Banken werden sich der Forderung nach mehr Interaktion, Transparenz und Kundenorientierung nicht verschließen können. Solche Prozesse beginnen immer im Kleinen, ganz leise, reißen dann aber schnell im Gesamtmarkt ein.
Auch die DAB Bank hat 1994 klein begonnen. Ein damaliger Privatkundenvorstand einer in Frankfurt ansässigen Großbank beurteilte das Konzept damals mit den Worten: „Der deutsche Kunde ist dafür noch nicht reif.“ Heute wickelt die Mehrheit der Deutschen ihre Transaktionen über derartige Bankangebote ab.

Im Web: www.fidor.de

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