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Vollgas voraus

Autobanken stehen doppelt unter Druck: Sowohl die Finanz- als auch die Automotivbranche verändert sich rasant. Doch die digital aufgestellten Captives stellen sich mit flexiblen und innovativen Ideen neuen Anforderungen.


Bildnachweis: istock.com/Just_Super

Doppelter Druck zur Digitalisierung

Autobanken bzw. Captives richten sich an den Entwicklungen in zwei Industrien gleichzeitig aus: der Automobil- und der Finanzbranche. In beiden Branchen erleben wir die größte Transformation seit ihrem Bestehen, berichtet die Mercedes-Benz Bank. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Digitalisierung ein. Neue und flexible Mobilitätslösungen können nur mit digitalen Lösungen verwirklicht werden, da sind sich alle Autobanken einig. Intuitiv, schnell und bequem soll es sein. „Als digitale Captive stehen wir künftig für ein datengetriebenes Geschäftsmodell, in dem wir Kunden und Fahrzeuge über den Lebenszyklus hinweg als Mobilitätsdienstleister miteinander verbinden“, zeichnet Stefan Imme, Chief Digital Officer der Volkswagen Financial Services AG, das Zukunftsbild.

Entgegen kommen den Captives dabei die angestrebten Geschäftsmodelle der Autobauer. Denn sie wollen künftig mehr Erlöse über den Lebenszyklus eines Fahrzeugs erzielen als nur den Kaufpreis. Servicethemen sind eine Stärke der Autobanken, die längst erste Pakete im Angebot haben. Lang- und Kurzfristmiete, Sharing und Autoabo, die Autobanken sind schon in der Umsetzung. Aber auch die klassischen Verträge sind betroffen: „Wir sehen einen steigenden Bedarf an kürzeren Laufzeiten beispielsweise bei zwei- bis dreijährigen Leasingverträgen“, bestätigt Stefan Imme. Er sieht einen klaren Trend zu flexibler Fahrzeugnutzung, den auch die Mercedes-Benz Bank bestätigt. Die Stuttgarter verweisen in diesem Zusammenhang auf den Erfolg ihrer Vermietungs-und Abomodelle. Nichtsdestotrotz beobachtet aber die BMW Group in den vergangenen Monaten der Pandemie eine weitere Entwicklung: „Der Trend zum eigenen PKW und individueller Mobilität ist klar gewachsen“, so eine Sprecherin aus München.

Künstliche Intelligenz im Einsatz

Künstliche Intelligenz (KI) ist für die datengetriebenen Autobanken eine Quelle neuer Services. Sie unterstützt mit Chatbots im Service oder automatisiert Kreditentscheidungen. Weitere Anwendungen sind in Arbeit: „Wir ersetzen derzeit regelbasierte oder manuelle Entscheidungsprozesse systematisch durch KI-Verfahren. Beispiele dafür liegen im Bereich Pricing, Restwertmanagement oder in unseren Mobilitätsangeboten bei der Vorhersage freier Parkplätze“, zählt Stefan Imme von VWFS auf. Die BMW Bank will den Einsatz von KI und Machine Learning ebenfalls weiter ausdehnen und auch mit bereits etablierten Technologien wie Robotics Process Automation (RPA) verzahnen. Ziel sei es, die Digitalisierung noch weiter voranzutreiben und den Service für
die Kunden zu optimieren.

Die VW-Tochter setzt im Bereich KI auch auf Kooperationen. „Wir kooperieren sehr gezielt mit Fintech-Unternehmen, beispielsweise der österreichischen Credi2 zur Fahrradfinanzierung“, berichtet Stefan Imme. „Im Bereich digitaler Identitäten – einem ganz wesentlichen ‚Enabler‘ der Digitalisierung – sind wir an der Verimi GmbH beteiligt und freuen uns auf eine Reihe von Innovationen in den nächsten Monaten.“ Außerdem kooperiert VWFS mit Universitäten, um aktuelle Forschungsergebnisse einfließen lassen zu können. Derzeit ersetzen die Braunschweiger regelbasierte oder manuelle Entscheidungsprozesse systematisch durch KI-Verfahren. Damit erhalten sie Einlass in so unterschiedliche Bereiche wie Pricing, Restwertmanagement oder in den Mobilitätsangeboten bei der Vorhersage freier Parkplätze.

Trend Elektromobilität

Der Trend zur E-Mobilität spielt den Autobanken in die Karten. Da Hybrid- und Elektroautos vornehmlich geleast würden, meldet die Mercedes-Benz Bank einen Wachstumsschub. Mobilitätsangebote gegen Reichweitenangst sowie spezielle Versicherungen gegen E-Risiken (Batterie, Überspannung, Wallbox u.v.m.) sind zusätzliche Verkaufsargumente. VWFS bietet seit einigen Jahren Tank- und Ladekarten und setzt stark auf die Beratung von Großkunden. Wollen diese ihre Fahrzeugflotte elektrifizieren, erstellt die Bank eine Infrastrukturanalyse, beschafft die Fahrzeuge, finanziert diese sowie die Ladeinfrastruktur und beantragt die BAFA-Förderung. Dabei handelt es sich um Leistungen, die weit über bankübliche Services hinaus gehen.

Captives könnten zum Rundumanbieter für Mobilitätskunden werden, prognostiziert Sebastian Pfeifle, Global Auto Finance Lead bei Deloitte. Er geht davon aus, dass ein Großteil der zukünftigen Mobilitätsmodelle auf herstellerübergreifenden Flotten basieren wird. Für Captives sieht er große Chancen, diese Flotten zu finanzieren und zu betreiben. Auch sieht er das servicebasierte Geschäft im Aufwind, womit Subscription- und nutzungsbasierte Bezahlmodelle an Bedeutung gewännen. Völlig neue, datengetriebene Services kann er sich auch vorstellen: „Als Beispiel seien hier nutzungsabhängige Finanzprodukte für Privatkunden oder Telematik-Lösungen zur Kostensenkung für gewerbliche Kunden genannt.“

Für die Kunden geht es beim Autokauf schon lange nicht mehr nur um die Marke. Nach einer Umfrage des bitkom liegen bei den traditionellen Kaufkriterien Sicherheit (98 Prozent), allgemeiner Komfort (92 Prozent) und der Anschaffungspreis (90 Prozent) weit vorne bei der Kaufentscheidung. Dazu kommen aber neue digitale Kriterien: Hier entscheiden Dienste auf der Grundlage von Fahrzeugdaten schon bei 76 Prozent der Käufer bei der Entscheidung für ein Auto eine Rolle, für jeweils 63 Prozent sind es Dienste mit Car-to-car-Kommunikation oder Online-Updates ohne Werkstattbesuch. Hier bieten sich noch viele Ansatzpunkte für Serviceleistungen. Captives haben die besten Voraussetzungen, davon zu profitieren.

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