„Wir sollten nicht in Grenzen denken, sondern erst einmal Gedanken zulassen“

Von der Bahnhofstraße 32 in Mittweida in die Welt: Im Innovationszentrum der Volksbank werden Lösungsansätze erarbeitet, um im digitalen Zeitalter vorne dabei zu sein. Der Vorstandsvorsitzende Prof. Leonhard Zintl führt durch die Werkbank32.


Mittweida Volksbank Innovationszentrum

BANKINGNEWS: Im Herbst 2021 hat die Volksbank Mittweida das Innovationszentrum Werkbank32 eröffnet. Wie kam es zur Gründung?
Prof. Leonhard Zintl: Wir, die Volksbank Mittweida, und die regionalen Akteure haben uns in den letzten Jahren intensiv mit digitaler Transformation und Innovation beschäftigt. Diesen Themen wollten wir noch mehr Raum und Sichtbarkeit geben. Daraus entstand die Idee, diesen Raum und die Sichtbarkeit in Hochschulnähe zu platzieren. Es war uns aber wichtig, das Ganze in etwas Vorhandenem zu tun, weil wir überzeugt sind, dass Zukunft auch Herkunft braucht. Ein altes Gebäude kann das natürlich baulich gut zeigen. Wir haben uns dann für eine alte Wäscherei entschieden, die wir revitalisiert haben.

Wie kann man sich das Innovationszentrum genau vorstellen?
Um Sie sozusagen gedanklich durch das Gebäude zu führen: Wir haben einen Coworking-Bereich für Menschen geschaffen, die einen Arbeitsplatz bei uns brauchen. Wir haben inzwischen auch eingegliederte Betriebe oder Behörden. Auch Firmen, die überregional tätig sind, haben hier einen guten Standort für ihre Mitarbeiter in Sachsen gefunden. Neben dem Coworking-Bereich gibt es eine komplette Etage nur für Start-ups. Wir schaffen für junge Unternehmen ein Ökosystem, von dem sie ihre unternehmerische Reise beginnen, aber auch mit anderen interagieren können. In einem weiteren Geschoss befindet sich das Medienpädagogische Zentrum Mittelsachsen für Lehrer, die sich zum Thema digitale Kompetenz weiterbilden möchten und es genießen, mitten in der Wirtschaft zu sein, oder umgekehrt auch für Mieter und Gäste, die den Austausch suchen. Unsere Tochter, die TeleskopEffekt GmbH, ist in der Villa untergebracht und für den Betrieb der Werkbank32 verantwortlich. Ein weiteres Unternehmen, das hier Platz gefunden hat, ist die Spirit Hoch3 GmbH, die sich mit nachhaltiger Unternehmenskultur beschäftigt. Mittweida hat sich außerdem beim Thema Blockchain zu einem wichtigen Anlaufpunkt entwickelt. Zum einen bietet die Hochschule Mittweida einen Masterstudiengang mit Blockchain-Schwerpunkt an und zum anderen sitzt das Blockchain-Kompetenzzentrum in der Werkbank32. Auf der Seite, wo früher ein Laden war, ist jetzt das e-Estonia Briefing Centre, ein Estonia Showroom. Der einzige Showroom, der Estlands Digitalisierung zeigt und nicht in Estland liegt. Mit diesem Showroom sollen Menschen sehen können, was alles machbar ist. Er soll die Offenheit für Digitalisierungsthemen stärken, um dann anschließend aus dieser Offenheit Erkenntnisse für das eigene Unternehmen zu gewinnen.

Was können deutsche Unternehmen von estnischen Unternehmen hinsichtlich der digitalen Transformation lernen?
Ja, was können deutsche Unternehmen von estnischen lernen? Zunächst – ohne Grenzen zu denken. Estland hat die Unabhängigkeit wieder erlangt und hatte die Chance, ein Land neu zu denken. Dafür hat man sich in anderen Ländern Hilfe geholt und geschaut, wie sie das machen. Aber man hat zugelassen, das Land neu zu denken. Ich glaube, das ist ein Punkt, der auch uns beflügeln kann. Nämlich, dass wir zusammen nicht in Grenzen denken, sondern erst einmal Gedanken zulassen. Der zweite Aspekt, den man aus Estland mitnehmen kann: Wenn es eine Idee gibt, wird nicht erst nach Bedenken, sondern gemeinsam nach einem Weg gesucht, wie die Idee umgesetzt werden kann. Das ist auch ein Grund, warum das Land vorankommt. Und wir können auch von Estland lernen, dass es Offenheit braucht, auch im Mindset. Am Schluss ist es nicht die Technologie, sondern es sind die Menschen. Es nützt nichts, wenn es nur Innovationsschmieden gibt, wo Menschen für das Thema offen sind, sondern es braucht nutzenstiftende Anwendungen für die gesamte Bevölkerung. Das macht Estland. Man kann etwa seinen gesamten Vorgang mit der staatlichen Bürokratie einfach und zeitsparend abwickeln, unabhängig von Öffnungszeiten der Behörde. Das wäre auch wichtig für Deutschland, dass mit einem lösungsorientierten Ansatz ein Nutzen gestiftet und damit auch für das Anwenden der digitalen Transformation geworben wird. Wenn wir das von Estland mitnehmen, kann es für uns ein absoluter Mindset-Treiber und ein Vorbild sein. Wenn es in Estland geht, warum geht es dann bei uns nicht?

Ja, warum nicht?
Bei Digitalisierung braucht es Offenheit und Vernetzung. Gerade die Vernetzung ist unterschiedlich belegt. Es geht nicht darum, dass jemand in ein Netzwerk geht, nur um davon zu profitieren. Unser Gedanke, den wir mit der Werkbank32 leben, ist die exzellente Vernetzung. Exzellent, in dem, was ich tue. Ich muss auch in einem Leistungsmerkmal gut und idealerweise exzellent sein. Wenn alle in einem Netzwerk exzellent sind, dann entsteht daraus mehr als das Austauschen von Leistungen. Und im digitalen Raum gibt es keine Grenzen. Ohne Technologie war der Aktionsraum des Menschen nun einmal kleiner. Heute ist faktisch eine Besprechung mit Menschen aus aller Welt möglich.

Davon kann man nur profitieren, oder?
Genau. Dieses Brückenbauen, wie wir es formulieren, stiftet Nutzen für beide Seiten. Und genau das muss man vorantreiben. Man muss das Vorhandene nutzen, breit anwendbar machen und nicht alles isoliert sehen. Wir leben das in der Werkbank32 und in der Region. Und wir spüren, dass das allen guttut. Alle, die sich einbringen, haben einen Mehrwert. Die Betonung liegt auf „Alle, die sich einbringen“. Es hilft nichts, nur dabei zu sein. Ich muss auch meinen Beitrag leisten.

Wie könnte diese Zusammenarbeit auch in einem größeren Zusammenhang umgesetzt werden?
Ich glaube, auf dem Fundament von Wollen und Vertrauen kann vieles wachsen. Man muss daran glauben, dass man in der Gemeinschaft mehr erreichen kann und alles, was man gibt, auch zurückkommt. Vielleicht nicht unmittelbar und nicht sofort, aber in der Summe. Offenheit für diese Art der Arbeit bringt uns weiter. Wichtig ist, dass man Verantwortung für die eigene Entwicklung übernimmt. Das ist bei uns ein Grundverständnis. Wir sind bereit, uns dafür zu engagieren. Dafür gibt es manchmal die Notwendigkeit, uns zu vernetzen oder etwas dazuzulernen, und da braucht es manchmal Partner, die Teile besser können als wir. Aber sich aktiv darauf einzulassen und etwas dafür zu tun, eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Es wäre vor 15 Jahren wahrscheinlich unvorstellbar gewesen, dass sich in Mittweida so ein Partnernetzwerk findet. Aber wir zeigen, dass die digitale Transformation noch viel mehr ermöglicht.

Interview: Laura Kracht

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