Ein Kommentar von Bernd Wittkowski, Börsen-Zeitung:
Axel Weber wird nicht Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Er wird aber auch nicht Chef der Deutschen Bank.
Weber hat einen Ruf wie Donnerhall als brillanter Ökonom, er genießt eine untadelige Reputation als streng stabilitätsorientierter Geldpolitiker und Währungshüter, und ihn zeichnet aus, dass ihm Unabhängigkeit im Denken und Handeln allemal wichtiger ist als seine Karriere. Das allein qualifiziert indes nicht für das Amt an der Spitze einer global tätigen führenden Geschäftsbank.
Der noch amtierende, aber amtsmüde Bundesbankpräsident leitet zwar eine Institution, die – zusammen mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – auch für die Bankenaufsicht zuständig ist. Intime Kenntnisse Webers im kommerziellen Bankgeschäft sind jedoch nicht überliefert. Er wäre mithin ein noch teurerer Banklehrling als einst der vormalige Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs (FDP) als Chef der Dresdner Bank.
Ganz nebenbei: Für BaFin-Präsident Jochen Sanio wäre es zweifellos der würdige Höhepunkt seines beruflichen Wirkens, Webers fachliche Eignung als Geschäftsleiter einer Bank prüfen und über seine Zulassung entscheiden zu dürfen.
Hinzu kommt: Webers Managementkompetenz, seine Integrationskraft und seine diplomatischen Fähigkeiten sind mindestens diskutabel, und auf Unbilden und Kritik reagiert er zuweilen mimosenhaft. Im Fall Sarrazin zum Beispiel wäre ein souveräneres, weniger aufgeregtes Vorgehen nötig und möglich gewesen. Auch Webers Umgang mit der Reform der Bankenaufsicht wirkte nicht überzeugend, er wagte sich ohne Not und zur Unzeit öffentlich weit vor, und ihm unterliefen Fehleinschätzungen. Dass nun ein Scheinreförmchen herauskommt, die Aufgaben der BaFin keineswegs und die Versicherungsaufsicht schon gar nicht in die Währungsbehörde integriert werden, kann man auch als Niederlage für den Bundesbankchef deuten.
Was aber vor allem gegen einen Wechsel zur Deutschen Bank spricht: Wenn deren Aufsichtsrat die Kollegen und potenziellen Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann mit der impliziten Botschaft "Keiner von Euch bringt es" desavouieren und im Ergebnis davonjagen will, dann gäbe es dafür keine geeignetere Methode als die Berufung eines Externen als Bankchef, ob der nun Weber oder wie auch immer hieße. Der Deutschen Bank ist vieles zuzutrauen – diese Schnapsidee nicht.
Am Rande sei auf einen formalen Aspekt hingewiesen: Nach dem Verhaltenskodex für die Mitglieder des EZB-Rats, dem Weber qua Amt angehört, hätte er noch ein Jahr nach dem Ausscheiden aus diesem Gremium jeden Interessenkonflikt zu vermeiden, der aus einer neuen beruflichen Tätigkeit erwachsen könnte. Selbst bei einem kurzfristigen Rücktritt könnte er folglich kaum vor Mitte 2012 zu einem privaten Unternehmen wechseln. Rechnet man eine angemessene Einarbeitungszeit hinzu, würde es für ihn als Ackermann-Nachfolger also auch zeitlich ziemlich eng.
An der Spitze der EZB hingegen wäre Weber nahezu eine Idealbesetzung gewesen. Der 53-jährige Wirtschaftswissenschaftler ist die Inkarnation deutscher Stabilitätskultur. Je mehr von dieser Kultur dauerhaft nach Euroland "exportiert" und im gemeinsamen Währungsraum fest verwurzelt wird, je mehr Bundesbank in der EZB drin ist und bleibt, desto besser – gerade in Zeiten säkularer Finanz- und Staatsschuldenkrisen. Und einen Stabilitätswächter adelt ein Mangel an diplomatischem Geschick eher, als dass er ihn disqualifiziert. Geldpolitische Hardliner, also "Falken" wie Weber, sind mit Blick auf ihren vorrangigen Auftrag, die Preisstabilität zu gewährleisten, die besseren Notenbanker.
Wie es aussieht, war Weber mit dem Wuchern der Schuldenkrise (die automatisch auf die gemeinsame Währung ausstrahlt) und den verzweifelten Versuchen, sie zu bekämpfen, immer weniger und am Ende zu wenig Bundesbank in der EZB drin. Es gibt ja kaum ein Tabu, das die gemeinsame Zentralbank nicht gebrochen hat. Erinnert sei nur an die "Lex Griechenland", mit der die Anforderungen an die von der EZB als Kreditsicherheit akzeptierten Wertpapiere ausgehöhlt wurden. Der in keinem Regelwerk vorgesehene Ankauf von Staatsanleihen klammer Euro-Mitglieder muss dann für den überzeugten und prinzipienfesten Währungshüter nicht etwa nur der Tropfen, sondern mindestens ein ganzer Wassereimer gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Weber hat gegen diese Politik, durch die die EZB gleichsam zu einer Bad Bank für die Entsorgung toxischer Papiere mutiert, öffentlich protestiert – ein vielleicht einmaliger, aber im Interesse der Stabilität notwendiger Tabubruch sui generis, durch den sich Weber nicht überall beliebter gemacht hat. Gerade in dieser Situation hätte es des unzweideutigen Rückhalts seitens der Bundesregierung bedurft. Von solcher Unterstützung für Weber war in der kritischen Phase nichts zu spüren. Wenn das aber so ist, kann man sich als Wirtschaftswissenschaftler mit Herzblut auch wieder erfüllenderen und konfliktärmeren Aufgaben zuwenden.
Kommentar von Bernd Wittkowski von der Börsen-Zeitung – www.boersen-zeitung.de
Foto von Deutsche Bundesbank – www.bundesbank.de