Guttenbergen ist ganz und gar nicht swag

Wer nach einer Lösung in der Schuldenkrise googelt, begeht einen Epic Fail, weil es im Internet dazu nichts zu guttenbergen gibt. Jeder Körperklaus müsste mittlerweile kapiert haben: Nur, wer nach eigenen Lösungen sucht, ist wirklich swag. So unterhält sich angeblich die iGeneration. „Swag“ als Wiewort für eine „beneidenswerte, lässig-coole Ausstrahlung“ oder eine „charismatisch-positive Aura“ wurde…


Wer nach einer Lösung in der Schuldenkrise googelt, begeht einen Epic Fail, weil es im Internet dazu nichts zu guttenbergen gibt. Jeder Körperklaus müsste mittlerweile kapiert haben: Nur, wer nach eigenen Lösungen sucht, ist wirklich swag. So unterhält sich angeblich die iGeneration. „Swag“ als Wiewort für eine „beneidenswerte, lässig-coole Ausstrahlung“ oder eine „charismatisch-positive Aura“ wurde gestern vom Langenscheidt-Verlag zum Jugendwort des Jahres 2011 gekürt. Was liegt da näher, als den Versuch zu unternehmen, mit den O/N Impressionen auch die Generation U-20 anzusprechen?

Ziemlich unswag traten vor Kurzem Nicolas Sarkozy und Angela Merkel vor die Presse. Hier die wesentlichen Punkte, mit denen Merkozy die Europäische Währungsunion langfristig stabilisieren möchten (geguttenbergt von verschiedenen Quellen):

  • Automatische Sanktionen:Defizitsünder, die gegen das 3%-Kriterium verstoßen, sollen mit A.S. belegt werden (Anm. d. Red.: Welche das sein sollen, bleibt bislang noch unklar).
  • Schuldenbremse: Jedes Mitgliedsland soll einer Sch.b. Verfassungsrang verleihen.
  • Europäischer Gerichtshof: Der EuGH soll überprüfen können, ob die nationalen Verfassungsgerichte die Einhaltung der Schuldenbremse adäquat überwachen. (Anm. d. Red.: Was passiert eigentlich, wenn ein Staat gegen die selbst auferlegte Sch.b. verstößt?)
  • Europäischer Schuldenmechanismus: ESM soll bereits 2012, nicht erst 2013, aktiviert werden. Entscheidungen werden nicht einstimmig, sondern mit 85%iger Mehrheit getroffen.
  • Private Gläubigerbeteiligung: Privatgläubiger sollen bei künftigen Rettungsmaßnahmen nicht automatisch zur freiwilligen Teilnahme verpflichtet werden. (Anm. d. Red.: Das war eigentlich mal das Kernelement des ESM…)
  • Eurobonds: Wird es auf absehbare Zeit nicht geben. (Anm. d. Red.: Punkt. Aus.)
  • Europäische Zentralbank: Die EZB ist und bleibt unabhängig. (Anm. d. Red.: Frankreich hört auf, Forderungen an die EZB zu stellen. Deutschland hört auf, Maßnahmen der EZB zu kommentieren.)
  • EWU-17 vs. EU-27: Die Vertragsänderungen werden im Verbund der EU-27 angestrebt. Sollte dies nicht möglich sein, werden sich die EWU-17 ohne die Rest-EU-27-minus-17=10 einigen.
  • Jour Fixe: Ab jetzt soll es jeden Monat einen EU Summit geben.

Die Pläne sehen damit keine massive Verschiebung der nationalen (Haushalts-)Souveränität nach Brüssel vor. Auch darf der EuGH nicht in das nationale Haushaltsrecht eingreifen. Dennoch erscheinen die Vorschläge geeignet, um beim EU Gipfel am Freitag zumindest unter den EU-17 einen Konsens zu erreichen. Aber reichen die Vorschläge auch aus, um bei den Anlegern nachhaltig Wirkung zu zeigen? Wenn man die früheren EU Summits googelt, bekommt man den Eindruck, bisher waren diese stets ein Epic Fail. Noch aber sind die Anleger gelassen bis euphorisch: Angetrieben von Italiens jüngstem Sparpaket und befeuert durch Merkozys Pressekonferenz, engten sich die Renditeaufschläge der EWU-Staaten (außer Griechenland) gegenüber Bunds massiv, d.h. um bis zu 80Bp in 10jährigen Laufzeiten ein. Auffällig war indes, dass der Euro von der Spreadeinengung so gut wie gar nicht profitieren konnte.

Es hätte also ein nahezu perfekter Swag-Day werden können, wenn nicht abends die Ratingagentur Standard & Poor‘s mit einer klitzekleinen Nachricht aufgewartet hätte: Alle EWU-Staaten stehen ab sofort auf „CreditWatch Negative“. Einigen Staaten (darunter Deutschland, Österreich) droht innerhalb der nächsten 90 Tage eine Abwertung um eine, anderen Staaten (darunter Frankreich, Italien, Spanien) sogar eine um zwei Stufen. Als Begründung für diese Körperklaus-Aktion führt S&P die sich zuspitzenden Finanzierungsbedingungen, das unentschlossene Handeln der Politiker und die Gefahr einer Rezession in der gesamten Eurozone im Jahr 2012 an.

Die Märkte nahmen die Drohung S&Ps bislang mit professionell kontrollierter Wut und Enttäuschung zur Kenntnis. Das heißt: Risikofreude runter, aber keine Panik. Wir fassen zusammen: Der EU Gipfel am Freitag ist maßgeblich für das AAA-Rating Deutschlands. Und unser AAA wollen wir ja nicht verlieren, denn ohne AAA wäre Deutschland – bei allem Respekt – einfach nicht mehr swag…