In der Not keine Tugend

Gastartikel von Jan Hoffmann In Griechenland folgt auf Papandreou Papademos. In Italien übernimmt Monti von Berlusconi das Ruder. Jeweils wurde recht geräuschlos ein Kabinett zusammengestellt, die Arbeit kann aufgenommen werden. Gut so, der Ernst der Lage ist erkannt, politische Befindlichkeiten rücken in den Hintergrund. Und wie reagiert der Markt? Er belohnt die durchaus vorzeigbaren politischen…


Gastartikel von Jan Hoffmann

In Griechenland folgt auf Papandreou Papademos. In Italien übernimmt Monti von Berlusconi das Ruder. Jeweils wurde recht geräuschlos ein Kabinett zusammengestellt, die Arbeit kann aufgenommen werden. Gut so, der Ernst der Lage ist erkannt, politische Befindlichkeiten rücken in den Hintergrund.

Und wie reagiert der Markt? Er belohnt die durchaus vorzeigbaren politischen Ergebnisse mit Rekord-Risikoaufschlägen für Staatsanleihen. Im Gegenzug flieht das scheue Kapital nach Deutschland: Am 15.11. wurde bei einer Anleihe-Auktion für einen ein-jährigen Schatzwechsel eine Rendite von 0,06% erzielt. In Ungarn und der Slowakei mussten dagegen Anleihemissionen mangels Nachfrage abgesagt werden. Mittlerweile darf man sich zu Recht fragen, ob „der Markt“ noch korrekt funktioniert. Natürlich tut er das, indem er alle Möglichkeiten der Spekulation nutzt. Das faktische Leerverkaufsverbot für Kreditausfallversicherungen (CDS), dass am 15. November beschlossen wurde, ändert daran so schnell auch nichts, greift das Verbot doch frühestens im Herbst 2012.

Die bisherige Haltung der EZB, Geld- und Fiskalpolitik nicht zu vermischen, kann nicht hoch genug angerechnet werden. Dennoch habe ich meine Meinung mittlerweile geändert. Die Bereitschaft der EZB, Staatsanleihen in sehr großem, wenn nicht sogar unbegrenztem Umfang zu kaufen, muss jetzt kommen! Und faktisch ist sie ja schon da. Die Summe der Wertpapierkäufe der EZB beläuft sich derzeit auf 187 Mrd. Euro (vgl. EZB, Stand 11. Nov. 11). Das Ankaufprogramm wird fortlaufen, bis die EFSF zum Ankauf ermächtigt sein wird. Und das zieht sich hin.
Angesichts der aktuellen Risikoaufschläge sollte folgende Überlegung angestellt werden:
Die EZB verkündig die uneingeschränkten Bereitschaft, alles zu tun, um die Gemeinschaftswährung zu schützen – um dann gar nichts unternehmen zu müssen.

Die SNB gibt ein gutes und aktuelles Beispiel: Seit sie verkündet hat, den Schweizer Franken nicht unter einen Mindestwechselkurs von 1,20 CHF je Euro fallen zu lassen, handelt dieser stabil über der Marke. Und mehr noch: Es wird über eine Anhebung der Grenze spekuliert, der Franken steht bei 1,23 CHF. Und dabei musste die SNB wahrscheinlich vergleichsweise wenig intervenieren. Die Demonstration der Stärke reicht aus, um Spekulanten fern zu halten.

Ein weiteres Beispiel: Die FED signalisiert uneingeschränkte Unterstützung und betreibt ganz offen aktive Fiskalpolitik für den Staat. Das S&P Downgrade der USA auf AA+ wird gleichzeitig als Tag in die Geschichte gehen, an dem die Renditen der US-Treasuries auf ein bis dato Allzeittief gefallen sind. Frei nach dem Motto: keiner spekuliert gegen die FED.

Bundesbank-Präsident und EZB-Ratsmitglied Weidmann plädiert jedoch energisch auf die erwähnte Trennung von Geld- und Fiskalpolitik. Und sein Wort hat Gewicht. Aktuell gehen die wenigsten von einem Paradigmenwechsel aus. Die Inflationssorgen sind zu hoch, außerdem könnte das Engagement zur Haushaltskonsolidierung massiv zurückgehen.

Dennoch: wem nutzt die stabile Währung noch, wenn noch nicht einmal die Frage über die Zukunftsfähigkeit der Eurozone mit einem überzeugten „aber sicher!“ beantwortet werden kann? Ein starkes Signal der EZB, verbunden mit einem abgestimmten Plan der Eurogruppe zur Haushaltskonsolidierung und Sanktionierung von Schuldenmachern, wird die befürchteten Negativfolgen gar nicht erst eintreten lassen.