Rückvergütung bei der Anlageberatung

In einer Vielzahl von Anlageberatungsfällen spielt die „Rückvergütungsrechtsprechung eine zentrale Rolle. Gastartikel von Christof Blauß, Rechtsanwalt/Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. 1. Anlageberatung und Anlagevermittlung Bereits in der Entscheidung vom 19.12.2006 (XI ZR 56/05) hat der BGH die angenommene Aufklärungspflicht der Bank über ihr zufließende (verdeckte) Rückvergütungen an einen Interessenkonflikt angeknüpft, der nach Ansicht des BGH…


In einer Vielzahl von Anlageberatungsfällen spielt die „Rückvergütungsrechtsprechung eine zentrale Rolle. Gastartikel von Christof Blauß, Rechtsanwalt/Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.

1. Anlageberatung und Anlagevermittlung
Bereits in der Entscheidung vom 19.12.2006 (XI ZR 56/05) hat der BGH die angenommene Aufklärungspflicht der Bank über ihr zufließende (verdeckte) Rückvergütungen an einen Interessenkonflikt angeknüpft, der nach Ansicht des BGH bei einem Beratungsvertrag für die Bank bestehen soll. Einerseits sei die Bank verpflichtet für den Kunden das bestmögliche Anlageprodukt auszuwählen und zu empfehlen. Andererseits stehe dieser Pflicht das Interesse der Bank an der Erzielung hoher Provisionseinnahmen entgegen, so der XI. Zivilsenat des BGH in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt die Beschlüsse vom 09.03.2011, 19.07.2011 und vom 24.08.2011 im Verfahren XI ZR 191/10). In einem Beratungsverhältnis zwischen Bank und Kunde gehöre es deshalb zu einer „anlegergerechten“ Beratung, dass die Bank, über die ihr zufließenden Rückvergütungen aufklärt, so der BGH. Nur so könne der Kunde erkennen, ob die Bank die Anlage möglicherweise nur aus eigenem Provisionsinteresse empfiehlt.

Konsequenz dieser Rechtsprechung ist somit zunächst, dass zwischen einer „Anlageberatung“ und einer bloßen „Anlagevermittlung“ zu trennen ist. Auf letztere findet die „Rückvergütungsrechtsprechung“ mangels „Beratungsvertrag“ grundsätzlich keine Anwendung (vgl. hierzu z.B. BGH- Urteil v.27.10.2009, XI ZR 338/08; BGH- Beschluss vom 29.06.2010, XI ZR 308/09).Auch unter Berücksichtigung der bereits im „Bond-Urteil“ des BGH vom 06.07.1993 (XI ZR 12/93) aufgestellten Kriterien für eine Anlageberatung sind die Grenzen zwischen der „Anlageberatung“ und „Anlagevermittlung“ allerdings nicht eindeutig zu definieren. Auszuschließen ist ein Beratungsvertrag i.d.R. bei einer sog. „execution only“, d.h. wenn der Kunde eine konkrete Order erteilt und augenscheinlich keine Beratung wünscht. Im Zweifel ist eine Abgrenzung, ob eine „Beratung“ oder eine „Anlagevermittlung“ vorliegt, aus dem Empfängerhorizont des Anlegers vorzunehmen (Rösler BKR 2001/ 125). I.d.R. wird eine „Anlageberatung“ daher anzunehmen sein, wenn sich der Kunde mit der Bitte um eine Anlageempfehlung an die Bank wendet (BGH- Urteil vom 8.10.2004, V ZR 18/2004). Wie aber verhält sich die Situation, wenn der Kunde mit der Bitte an die Bank herantritt, z.B. zum Zwecke der Erlangung einer hohen Steuerersparnis ein Steuersparmodell zeichnen zu wollen, und die Bank nur ein einziges in Betracht kommendes Produkt im Portfolio hat, worauf sie den Kunden auch hinweist. Liegt dann ebenfalls eine „Anlageempfehlung“, also ein Beratungsvertrag, mit entsprechenden Pflichten der Bank zur Offenlegung der Rückvergütung vor? Soweit ersichtlich hatte der BGH diese Frage bislang noch nicht zu entscheiden.

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2. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen ,zulässige Innenprovisionen und Margen

Bereits in der Entscheidung vom 27.10.2009 (XI ZR 338/08) wurde seitens des BGH der –„untaugliche“ – Versuch unternommen, zwischen sog. „aufklärungspflichtigen Rückvergütungen“ und zulässigen Innenprovisionen, über die nach der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen aufzuklären sein soll, zu differenzieren. Danach sollen „aufklärungspflichtige Rückvergütungen“ nur dann vorliegen, wenn Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft bezahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen, so dass diese ein für den Kunden nicht erkennbares Eigeninteresse habe, gerade diese Beteiligung zu empfehlen. In einer Kommentierung des Urteils in WUB 2010/ 124 ff. bezeichnete Nobbe, immerhin bis Anfang 2009 Vorsitzender des Bankensenats des BGH und damit „Geburtshelfer“ der Rückvergütungsrechtsprechung, diese Rückvergütungen als „schmiergeldähnlich“. „Innenprovisionen“, die Nobbe als „Vertriebsprovisionen“ bezeichnete, sollten dagegen grundsätzlich zulässig sein; beim Vertrieb geschlossener Immobilienfonds zumindest bis zu einer Höhe von 15% (vgl. hierzu BGH- Urteil vom 12.02.2004,III ZR 359/02).Soweit Innenprovisionen z.B. als Kosten der Eigenkapitalbeschaffung oder als Platzierungsgarantie gezahlt und im Prospekt betragsmässig richtig ausgewiesen sind, sei hierüber nicht aufzuklären, so der BGH im Urteil vom 27.10.2009 (XI ZR 338/08, vgl auch Fullenkamp NJW 2011/ 421ff). Der BGH verstand allerdings unter einer „richtigen Ausweisung“ der Eigenkapitalbeschaffungskosten im Prospekt auch die namentliche Benennung des Empfängers besagter Innenprovisionen (vgl hierzu zuletzt OLG München, Urteil vom 17.10.2011, 19 U 2396/11). Dies veranlasste das OLG Bamberg zur Feststellung , dass es für einen Anleger nicht von Relevanz sei, konkret zu wissen, in welcher Höhe „sein“ Berater Rückvergütungen erhalte, wenn im Prospekt die Gesamthöhe ausgewiesen sei ( OLG Bamberg –Urteil vom 20.10.2010, 3 U 41/10).Jedenfalls führte die BGH-Rechtsprechung im Urteil vom 27.10.2009 zu der Argumentation, die Vergütung sei nicht von der Gesellschaft, an die der Kunde seine Einlage geleistet habe, und schon gar nicht aus Teilen der Ausgabeaufschläge oder der Verwaltungsgebühren an die Bank bezahlt worden, weshalb keine verbotene – unzulässige- Rückvergütung vorliege.

Deshalb versuchte der BGH im Beschluss vom 09.03.2011 (XI ZR 191/10) seine Rechtsprechung weiter zu konkretisieren, in dem er – entgegen der eindeutigen Formulierung in der Entscheidung vom 27.10.2009 ( XI ZR 338/08) – ausführte, die Aufzählung, was Rückvergütungen sein sollen, sei „…nur beispielhaft gemeint.“ Rückvergütungen sollen vielmehr nicht im Anlagebetrag enthalten sein – anders als die besagten Innenprovisionen. Dadurch, dass die Bank nicht als Empfänger dieser Vergütung genannt wird, entsteht nach Ansicht des BGH eine Fehlvorstellung des Kunden über die Neutralität der Anlageberatung, weil die Vergütung der Bank z.B. hinter dem Agio versteckt sei. Demgemäß führt der BGH im Beschluss vom 09.03.2011 aus:

„Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind danach – regelmäßig umsatzabhängige- Provisionen, die im Gegensatz zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen, wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren bezahlt werden.“

Die Rechtsprechung des BGH ist nicht nachvollziehbar! Soll nach der Vorstellung des XI. Zivilsenats die „Beratung“ neutraler und weniger provisionsbestimmt sein, wenn kein Agio o.ä. ausgewiesen wird und die beratende Bank ihre Provision tatsächlich aus dem Anlagebetrag erhält? Letztendlich wird hierdurch die Vergütung erst recht intransparent! Es bleibt abzuwarten, welche Argumente dem BGH in einem solchen Fall zukünftig einfallen werden, um auch hier –entgegen der zitierten Beschlussentscheidung- Aufklärungspflichten für die Banken gegenüber dem Anleger zu statuieren! Gerade die Tatsache, dass z.B. ein Agio offen ausgewiesen ist, dürfte einem verständigen Bankkunden normalerweise ausreichend verdeutlichen, dass Vergütungen anfallen. Wenn der Kunde sodann eine nähere Erläuterung der Kostenstruktur wünscht, ihm diese also für seine Anlageentscheidung wichtig ist, könnte man von einem mündigen Kunden erwarten, dass er die Vergütungsstruktur im Beratungsgespräch hinterfragt. So hat dies im Übrigen ursprünglich auch der BGH in der Entscheidung vom 27.10.2009 (XI ZR 338/08) gesehen.

Dem weiteren Argument der Banken, die Zahlung der Vergütung erfolge nicht durch die Anlagegesellschaft an die der Anleger seine Einlage geleistet habe, sondern durch eine Vertriebsorganisation, die wiederum die vertreibende Bank beauftragt habe, d.h. per Definition liege bereits keine „Rückvergütung“ vor, will der BGH wohl damit begegnen, dass er auf die typischen Risiken eines solchen „Dreiecksverhältnisses“ verweist, weshalb der Kunde gerade deshalb das Provisionsinteresse der Bank nicht erkennen könne (vgl. BGH-Beschluss vom 19.07.2011, XI ZR 191/10; ebenso: OLG Stuttgart, Urteil 30.10.2010, 6 U 2/2010).Auch dies überzeugt nicht, wenn es zulässig sein soll, dass gerade bei einem solchen Dreiecksverhältnis Vertriebsinnenprovisionen aus der Anlagesumme entnommen und bis zur Höhe von 15 % an die beratende Bank bezahlt werden dürfen, ohne ein weiteres Agio oder sonstige Gebühren auszuweisen (vgl. BGH 12.02.2004, III ZR 359/02). Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass der BGH erst jüngst der Verpflichtung zur Ausweisung der eigenen Marge z.B. bei „Festpreisgeschäften“ im „Zweipersonenverhältnis Bank-Kunde“ eine Absage erteilt hat (vgl. BGH –Urteile vom 27.09.2011, XI ZR 178/10 und XI ZR 182/10 „Lehman-Zertifikat“ bzw. vom 22.03.2010 XI ZR 33/10 „CMS- Swap“). Bei den „Lehman-Zertifikat“ –Entscheidungen begründet der XI. Zivilsenat seine Entscheidungen ausdrücklich damit, dass dem Kunden das Gewinninteresse der Bank bekannt sei.In gleicher Weise argumentierte der Bankensenat bereits im Urteil vom 22.03.2011 (XI ZR 33/10) zu einem CMS- Swap- Geschäft, in dem ebenfalls eine generelle Aufklärungspflicht über die Vergütung bei sog. „Zweipersonenverhältnissen Bank-Kunde“ abgelehnt wurde. Etwas anderes soll nach Ansicht des BGH nur beim Hinzutreten „besonderer Umstände“ gelten, die der BGH in dem zur Entscheidung anstehenden CMS- Swap-Fall darin sah, dass das der Gewinn der Bank durch die bewusst zu Lasten des Kunden konzipierte Struktur des CMS- Swap erzielt werde.

Die Begründung, warum im Zweipersonenverhältnis nicht über die Vergütung aufzuklären sei, ist in der Sache richtig. Jeder Kunde der mit seiner Bank kontrahiert, weiß, dass diese mit dem konkreten Geschäft Geld verdienen will, wenn sie nicht ausdrücklich eine „Kostenfreiheit“ bewirbt. Wieso soll aber bei Produkten, die die Bank für einen Dritten vertreibt, etwas anderes gelten? Nimmt der BGH etwa an, dass ein Kunde nicht weiß, dass die Bank auch mit dem Vertrieb fremder Produkte Geld verdienen möchte?