Von Genussuntauglichkeit und Stresstests

Guten Morgen, heute ist Donnerstag, der 1. Juli 2010!  Liquidität: Europäische Banken rufen weniger von der EZB ab als erwartet – Geldmarktsätze steigen Kapital: Erweiterter Banken-Stresstest angeblich bereits angelaufen – Weber erwartet Mitte Juli Ergebnisse Schulden: Moody’s stellt sein Aaa-Rating für Spanien infrage – Marktstimmung trübt sich wieder ein Ein bayrischer, mittlerweile in Konkurs gegangener…


Guten Morgen, heute ist Donnerstag, der 1. Juli 2010! 

  • Liquidität: Europäische Banken rufen weniger von der EZB ab als erwartet – Geldmarktsätze steigen
  • Kapital: Erweiterter Banken-Stresstest angeblich bereits angelaufen – Weber erwartet Mitte Juli Ergebnisse
  • Schulden: Moody’s stellt sein Aaa-Rating für Spanien infrage – Marktstimmung trübt sich wieder ein

Ein bayrischer, mittlerweile in Konkurs gegangener Fleisch verarbeitender Betrieb hat gegen den Freistaat Amtshaftungsklage eingereicht. Eine Presseaussendung des Verbraucherschutzministeriums in 2006 suggerierte gesundheitsgefährdende Gammelfleischware, dabei lag lediglich "Genussuntauglichkeit" vor, so der Kläger. Mir steht es freilich nicht zu, über den Fall zu urteilen, aber doch befürchte ich, dass der Sachverhalt der "Genussuntauglichkeit" irgendwann mal ein Straftatbestand werden könnte. Ich stell mir den Studenten in der Kneipe vor, der nach dem zwanzigsten Bier seinen Wirt anlallt: "He, Paule, die ersten zehn Bier heute waren – hicks – lecker, aber danach wurde es eklig!" und am nächsten Tag Klage wegen Genussuntauglichkeit einreicht. Volkswirtschaftslehre-Profs erklären mit dem Bierbeispiel übrigens gerne das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen – bevor deren Assis mit den Studenten einen breit angelegten Feldversuch starten…

Sehr verträglich und in keinster Weise gesundheitsgefährdend war gestern das Ergebnis des 3-Monats-Tenders der Europäischen Zentralbank (EZB). Lediglich 132 Mrd. Euro nahmen die Geschäftsbanken von der EZB auf –halb so viel wie erwartet. Da heute 442 Mrd. Euro aus dem Jahrestender fällig werden, fällt die Überschussliquidität im Euroraum praktisch auf Null. Zwar gibt es heute noch einen 6-Tages-Tender, aber mehr als 20 Mrd. Euro oder so sollte man in diesem Geschäft nicht erwarten. Die relativ geringe Mittelaufnahme im 3-Monats-Geschäft signalisiert, dass die Liquiditätsversorgung des europäischen Bankensektors insgesamt viel besser ist als befürchtet. Andererseits: 171 Banken bevorzugen weiterhin den Gang zur EZB oder sind sogar darauf angewiesen. Denn dieser Gang ist teuer: 1% Zinsen – ein wohlfeiles Institut zahlt im Interbankenmarkt 25-50 Bp weniger. Als Folge der stark verringerten Überschussliquiditätssituation stiegen die Geldmarktsätze an. Tagesgeld EONIA wurde am Abend mit 0,54% gefixt – ein Sprung von 20 Bp zum Vortag. Weniger Liquidität macht sprunghafte EONIA-Fixings in den kommenden Wochen wahrscheinlich. Der 3-Monats Euribor-Satz stieg um 0,6 Bp auf 0,767% – immer noch ein Niedrigstzinsumfeld widerspiegelnd, aber dennoch deutlich höher als die 0,63% von Ende März. Sollte die EZB sich durch die Tenderergebnisse ermutigt sehen, an ihrer Ausstiegsstrategie bis Mitte Oktober festzuhalten, müssen wir uns für die kommenden Wochen auf stetig steigende Geldmarktnotierungen einstellen.

Ein wesentlicher Faktor bei der Frage, ob und wann die Banken vom Subventionstropf der EZB losgelassen werden können, dürften auch die Ergebnisse des erweiterten Stresstests darstellen. Angeblich läuft dieser bereits, und Bundesbankpräsident Axel Weber rechnet schon Mitte Juli mit ersten Ergebnissen. Der Stresstest misst die Kapitalausstattung der Banken, die EZB-Tender messen gewissermaßen die Ausstattung mit Liquidität. Wenn beides ausreichend gegeben sein sollte, sollte dies die Risikoaversion im Markt auf mittlere Sicht deutlich dämpfen.

Die sich nach dem Tender einstellende Stimmungsaufhellung wurde im weiteren Tagesverlauf jedoch durch eine Reihe negativer Meldungen getrübt: Moody’s droht, sein Aaa-Rating für Spanien in den nächsten drei Monaten um 1-2 Stufen abzuwerten. Fitch meint, die europäische Schuldenkrise erhöhe das Rezessionsrisiko. Der Verlauf der Bundespräsidentenwahl lässt vereinzelt Befürchtungen aufkommen, die deutsche Regierungskoalition stünde vor dem Aus. Und in den USA enttäuschen die Arbeitsmarktdaten (ADP) und in China der Stimmungsindikator (PMI). So schlossen die US Aktienmärkte im Minus, und auch in Fernost dominieren Gammelmärkte. Die Aktienfutures signalisieren eine weiter schwache Tendenz, während Treasury-Renditen fallen. EUR-USD ist auf sein Pre-Tender-Niveau von 1,22 zurückgefallen, derweil EUR-CHF mit 1,3074 ein abermaliges Allzeittief genau 10% unter seinem fairen Wert markiert. Top-Ereignisse heute sind der 6-Tages-Tender der EZB, eine 5J Bond-Auktion in Spanien sowie eine Reihe von Daten aus den USA (ISM, schwebende Hausverkäufe, Jobless Claims). Nicht nur im Vergleich zum Wetter (Ozon-Werte > 180!) dürfte die Stimmung an den Märkten damit bestenfalls "genussuntauglich" sein…

Purpsis Eckball:

Deppendorf statt Delling – spielfreie WM-Tage sind öde… 

Kornelius Purps
Fixed Income Strategist
Director
MRE4FI
UniCredit Research

kornelius.purps@unicreditgroup.de

Kornelius Purps Corporate & Investment Banking
UniCredit Bank AG

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