Die Herausforderungen für Banken bleiben trotz Zinswende hoch

Auch wenn die gestiegenen Zinsen mehr Marge ermöglichen, Ruhe kehrt bei Banken sicher nicht ein: Die Verteidigung der Kundenschnittstelle, Fokussierung auf eigene USPs, Nachhaltigkeitsthemen und kosteneffizientes Wachstum bleiben relevante Herausforderungen.


Svetlana Ivanova

Derzeit befassen sich Bankstrategen hauptsächlich mit vier Schwerpunkten. Erstens wie kann trotz veränderter Kundenpräferenzen und demografischen Wandels die Kundenschnittstelle gegen Wettbewerber verteidigt werden? Zweitens wie können die teils knappen Ressourcen am besten für die Positionierung der eigenen USPs am Markt gelenkt werden? Drittens wie kann explizitem Kostendruck und impliziten Forderungen diverser Stakeholder nach nachhaltigen Prozessen begegnet werden? Und viertens wie kann das angestrebte Wachstum erreicht werden, und zwar möglichst profitabel?

Benchmarks sind anspruchsvoll

Auch wenn die Zinssteigerungen den Banken in Deutschland etwas Entspannung bringen, stehen die wichtigsten ökonomischen Leistungswerte weiterhin unter Druck, weil die Benchmarks anspruchsvoll bleiben. Das geschieht beispielsweise durch disruptiv arbeitende Fintechs – wobei sich hier aktuell durchaus mehr Bereitschaft zur Kooperation abzeichnet – oder durch ausländische Investoren, die klassische Banken sanieren und effizient aufstellen. Dementsprechend bleiben die Anforderungen an Prozess-Effizienz unverändert hoch.

Digitale Transformation und Plattform-Ökonomie als Lösungsansätze

Der Ausweg wird oft in der Weiterentwicklung der eigenen Organisation in Bezug auf Digitalisierung, Automatisierung, aktuell stark verknüpft mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI), und Agilität gesehen. Dies stellt aber nur einen Teil der Lösung dar. Ergänzend bietet die Plattform-Ökonomie hier mögliche Konzepte an, um über die Zusammenarbeit mit externen Partnern die eigenen unternehmerischen Ziele zu erreichen. Allerdings sind hierbei einige Fallstricke zu beachten.

Marktplätze erfüllen nicht alle Anforderungen

Reduziert man den Begriff Plattformökonomie auf das vertriebslastige Thema Marktplätze, ist dieser Bereich relativ weit entwickelt: Über Marktplätze kann eine Bank seit langem schon „flow on demand“, also planbares Wachstum, generieren. Marktplätze machen den Banken naturgemäß oft die Kundenschnittstelle streitig, somit hängt die Planbarkeit von Wachstum letztlich an der Unterwerfung unter das Preisdiktat der Marktplätze. Um das Thema Marktplatz herum entstand in den vergangenen Jahren der Bereich Open Banking mit dem Ziel, das Angebot der Bank innerhalb der Bank-IT-Infrastruktur durch externe Services und Produkte zu erweitern. Hierbei bleiben allerdings die Integrations- und Wartungsaufwände, und vor allem die Personalkosten auf Seiten der Bank, bestehen.

Königsklasse: Business Process Outsourcing

Als Antwort auf diese Problematiken kommt daher immer stärker Business Process Outsourcing (BPO) ins Spiel, womit Kostenersparnis in IT-, Personal-, Produkt- und Prozess-Infrastruktur ermöglicht wird. Dies kam bisher eher bei Fintechs zum Einsatz, zum Beispiel durch Nutzung von Fronting-Banken, und ist bei klassischen Banken noch nicht so stark zu beobachten wie der Einsatz von Marktplätzen und Open Banking. Durch BPO kann von den Skaleneffekten der entsprechenden Banking-as-a-Service (BaaS)-Anbieter profitiert werden und das Thema Ressourcensteuerung wird damit faktisch ausgelagert.

Für die Banken heißt das also zunächst einmal über komparative Wettbewerbsvorteile nachzudenken. Wenn ein Finanzinstitut sich mit seinen zumeist knappen Ressourcen auf seine wirklichen Alleinstellungsmerkmale konzentrieren will, also dort, wo es sich von Wettbewerbern am Markt differenziert, Spezialist ist und auch genauso wahrgenommen wird, muss es das Standardgeschäft auslagern – und zwar an Anbieter, die dieses Standard-Massengeschäft als „Prozess-Führer“ beziehungsweise „Kosten-Führer“ beherrschen, die erfahren in der Kundenbetreuung für dieses Massengeschäft sind und außerdem die Kundenschnittstelle unangetastet lassen. Das heißt, es gilt White-Label-Lösungen anzubieten und im Namen der auslagernden Bank zu agieren, so wie das zum Beispiel auch die SWK Bank macht.

Nachhaltigkeit als zusätzlicher Treiber

Dadurch wird ein weiteres Themengebiet automatisch mitadressiert: Banken werden künftig entweder direkt oder indirekt Nachteile haben, wenn sie nicht nachweisen können, dass ihre Geschäftsmodelle klimaneutral sind. Der größere Hebel liegt zwar ganz klar in der Nachhaltigkeit des Kreditportfolios. Viele Banken werden aber auch selbst von Ratingagenturen bewertet, die ihre Ratingmodelle um Nachhaltigkeitskriterien erweitert haben. Dabei werden dann auch die bankeigenen Nachhaltigkeitsbemühungen berücksichtigt. Kunden werden Banken künftig ebenfalls unter diesem Gesichtspunkt bewerten und in ihre Entscheidung zur Auswahl einer Bank einfließen lassen. Wettbewerber werden sich außerdem über dieses Thema differenzieren und dadurch wieder Unterschiede in bisher als „Commodities“ angesehene Produkte bringen.

Die Banken mit dem besten Standing im Bereich Nachhaltigkeit werden künftig Marktanteile gewinnen. Es geht also nicht um ein großartiges Frontend, sondern um Inhalte und klare Positionen. BaaS-Anbieter müssen daher „best-in-class“-Prozesse für ihr Produktportfolio anbieten, um den Fußabdruck für ihre Bankpartner zu minimieren. Gleichzeitig müssen sie auch massenkompatible Klimaprodukte, zum Beispiel spezielle Kreditlösungen zur Finanzierung nachhaltiger Infrastruktur, zur Verfügung stellen, um für ihre Partner direkte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Dies ergänzt dann die ebenfalls entstehenden Kostenvorteile.

Innovationstreiber Künstliche Intelligenz?

Es gibt ein großes Einsatzgebiet von KI, das auch in der Finanzwelt immer relevanter wird: das Marketing. KI wird in diesem Bereich deutliche Zeichen setzen, da die Erstellung von Marketingmaterial mit zielgruppenspezifischem Inhalt durch KI in jedem Fall schneller, in etlichen Fällen sicher auch besser gelingt als durch Menschen. Für Banken wird das Thema Dunkelverarbeitung sicherlich noch einmal einen Qualitätssprung durch KI erfahren. Allerdings stehen hier noch verschiedene Compliance- und Datenschutz-Hürden im Raum, sodass man nicht von kurzfristigen Effekten ausgehen kann. Im Bereich Kreditentscheidungen ist der Einsatz von KI dagegen aufgrund gesetzlicher Vorgaben nur dann zulässig, sofern jede automatisierte Kreditentscheidung dem Kunden gegenüber auch begründet werden kann.

In der Kundenbetreuung könnte KI sicherlich Call-Center-Mitarbeiter bei ihrer Arbeit unterstützen, aber kurzfristig nicht ersetzen. Wichtige Einsatzgebiete könnten jedoch in den Bereichen Risikoerkennung, Betrugsprävention und der Steuerung von Vertriebsimpulsen liegen. Banken sitzen auf riesigen Datenbeständen und kennen das Transaktionsverhalten ihrer Kunden. KI-Anwendungen ermöglichen die Nutzung dieser oft unstrukturierten Daten und die Ableitung gänzlich neuer Fragestellungen mit entsprechenden Handlungsempfehlungen im konkreten Einzelfall. Diese Anwendungen helfen somit bei der Aussteuerung von Randbereichen, in denen klassische Algorithmen oder das Machine Learning an ihre Grenzen stoßen.

KI wird sich also zu einem gewissen Grad auf Innovationen im Banking auswirken und trotz aller Hürden für Banken ein wesentlich stärkerer Innovationstreiber sein als Blockchain, Krypto oder Metaverse, allerdings nicht in Form neuer Produkte oder Prozess-Features. Es geht vielmehr darum, sich als Bank neu zu erfinden, im Sinne von Struktur- und Prozess-Innovation zu denken. Das werden keine globalen Innovationen sein, da es diese Logiken bereits grundsätzlich gibt, aber Neuerungen in einem System durch Anwendung neuer Ideen und Techniken.

Timm Wege

Tipp: Sie möchten gerne weitere Fachartikel aus der aktuellen BANKINGNEWS 297 lesen? Dann lesen Sie hier den aktuellen Leitartikel zum Thema DORA und warum sich die Banken mit den kommenden Regelungen zur Verbesserung der Informationssicherheit arrangiert haben.

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