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Die „Superposition“ für die Bank

Quantencomputer? Ach, damit beschäftigen wir uns später. Doch wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben. Kann Quantum Computing das nächste große Ding in der Finanzbranche werden? Und wofür kann es eingesetzt werden?


Banker steht besser da als Konkurrenz, kommt die Superposition für Banken oder sind Quantencomputer noch Zukunftsmusik

Der Unterschied liegt auf der Hand: Während Experten bei bestimmten, komplexen Rechenoperationen für einen normalen Computer rund 10.000 Jahre Rechenzeit veranschlagen (vor etwa 10.000 Jahren liefen noch Mammuts durch das Stückchen Steppe, das später Bankenviertel wurde), braucht der Quantencomputer für die gleichen Rechenoperationen rund zehn Sekunden – die Zeit, die man braucht, um in der Mittagspause einen perfekten Espresso (schwarz, heiß und süß) zu genießen.

Die Quanten-Prinzipien unterscheiden sich erheblich von der Arbeitsweise bisheriger Computer. Während das Bit beim klassischen PC bekanntlich nur zwischen den Binärwerten 0 und 1 unterscheiden kann, ist das Qubit in der Lage, beide Zustände gleichzeitig einzunehmen. Klingt ein bisschen komisch, wäre aber in etwa so, wie wenn in einem Labyrinth ein klassischer PC jede Abzweigung einzeln probieren und bei jedem Fehlversuch wieder von vorne beginnen würde. Der Quantencomputer testet dagegen alle Pfade gleichzeitig und ist so eben viel schneller am Ziel.

Schneller am Ziel? Braucht die Bank das? Ein Beispiel aus Deutschlands größtem Kreditinstitut beantwortet die Frage auf überzeugende Weise: Laut Auskunft von Deutsche-Bank-Vorstand Karl von Rohr liegt seine Bank bei der Berechnung von Markt- und Kreditrisiken heute schon bei 600 Milliarden Rechenvorgängen – am Tag. Die Bank erwartet, dass sie innerhalb der nächsten zwei Jahre bei einer Zahl von einer Billion Rechenvorgängen liegt – wiederum an einem Tag und nur für die Berechnung von Markt- und Kreditrisiken.

Anwendungen für Quantencomputer, die in etwa so aussehen wie ein überdimensionierter Kronleuchter, gibt es in der Finanzbranche reichlich: Zwar könnten Quantencomputer herkömmliche Verschlüsselungsverfahren knacken. Mit der schnellen Verarbeitung von Daten können aber bessere Vorhersagemodelle im Bereich Fraudmanagement entwickelt werden.

Aber auch bei Derivategeschäften und Portfolioberechnungen kann Quantum Computing dabei helfen, schneller ans Ziel zu kommen. Das Besondere: Durch „Nachahmung“ von Quanteneffekten auf klassischen Computern gibt es bereits heute Quantenlösungen, die auf klassischer Hardware laufen – sogenannte quanteninspirierte Algorithmen. Sie machen es möglich, Vorteile aus dem Quantum Computing schon jetzt zu nutzen.

Wie groß das Potenzial von Quantum Computing ist, zeigt sich nicht nur daran, dass praktisch alle Tech-Konzerne weltweit daran arbeiten, sondern auch an der Tatsache, dass US-Großbanken sich bereits intensiv mit dem Thema beschäftigen. Schließlich will niemand im Wettbewerb der Letzte sein, der die neue Technologie anwenden kann, wenn sie funktioniert. Auch die Bundesregierung stellt laut Forschungsministerium bis 2022 gut 650 Millionen Euro für die Erforschung von Quantentechnologie bereit.

Klar: Ein einsatzfähiger Quantencomputer ist noch Zukunftsmusik. Banken sollten vielleicht nicht alles auf diese Karte setzen und weiterhin Themen wie die digitale Transformation, Fintech-Kooperationen oder neue Geschäftsmodelle im Blick behalten. Wie ein Qubit eben, das mehrere Zustände gleichzeitig annehmen kann. Genau dies nennt man „Superposition“. Das scheint für die Zukunft nicht die schlechteste Position im Banken-Universum zu sein.

Von Thomas Friedenberger

Tipp: Erfahren Sie in der Infografik „Der nächste Quantensprung“ mehr zum Top-Thema Quantencomputing und dessen Bedeutung für die Finanzbranche.

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