Techfin – die nächste Revolution in der Finanzbranche?

Igor Pejic über den wesentlichen Unterschied zwischen Fintech und Techfin, welche Gefahren für die Branche lauern und wie Banken darauf reagieren können.


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Fintechs gelten immer noch als die Innovationskraft schlechthin in der Bankbranche. Doch Herausforderer wie etwa Monzo oder TransferWise konnten den Großbanken noch keine Marktanteile abjagen, geschweige denn eine Branchenrevolution auslösen. Im Gegenteil: Weltweit pumpen Banken Milliarden in Kooperationen und Akquisen ihrer agilen Mitstreiter. Besorgniserregender für Banken ist ein neuer Trend namens Techfin.

Studien zufolge kommen drei von vier bahnbrechenden Innovationen von marktbeherrschenden Unternehmen. Und wenn Umwälzungen von außerhalb ausgelöst werden, dann geschieht das in der Regel nicht durch Start-ups, sondern durch Riesen aus anderen Branchen. Genau hier kommt Techfin ins Spiel.

Techfin bedeutet, dass IT-Giganten Innovationen dazu nutzen, um in die Bankenwelt einzudringen, indem sie Bereiche wie Payment mit ihren Kernprodukten verschmelzen. Amazon platziert seine Bezahlmaske am Check-out von Konkurrenten, Google Pay und Apple Pay sollen die Kunden im eigenen Software-Universum halten und AWS (Amazon Web Services) bietet kleineren Banken eine gehostete Blockchain als Service an, um das Cloud-Angebot attraktiver zu machen.

Paradebeispiele der Innovationskraft von Techfin

Die Paradebeispiele der Innovationskraft von Techfin kommen derzeit aus China. Ant Financial, der Finanzarm von Alibaba, ist mittlerweile die größte Online-Bezahlplattform der Welt und kommt auf eine Unternehmensbewertung von rund 200 Milliarden US-Dollar. Natürlich ist China mit Europa schwer vergleichbar. Das Land hat ganze Generationen von Finanztechnologien übersprungen; Regulatorik und Marktwettbewerb funktionieren dort anders.

Allerdings nutzen auch Google, Amazon und Facebook bereits neue Technologien wie Blockchain, um in die Bankenarena einzusteigen. Facebooks Digitalwährung Libra ist das beste Beispiel. Obwohl der Vorstoß noch an der Missgunst von Regulatoren und Gesetzgebern scheitern kann, zeigt er doch, dass ein IT-Gigant Finanzdienstleistungen auch ohne Banken anbieten kann. Die Banklizenz ist zwar eine Eintrittsbarriere in den Markt, aber eine überwindbare, wie die Beispiele von Tencent und Alibaba zeigen.

Der wesentliche Unterschied zwischen Fintech und Techfin ist jedoch nicht die Größe der Herausforderer, sondern das Geschäftsmodell. Fintechs zielen auf dieselben Umsatzpotenziale ab wie Banken, etwa Gebühren für Kredite oder Transaktionen. Techfins hingegen ziehen die Marge aus ihren Kernprodukten. Finanzdienstleistungen dienen hier vor allem dazu, die Kernprodukte attraktiver zu machen.

Außerdem liefern Bankgeschäfte eine ganz neue Kategorie an Daten, mit deren Hilfe Kundenprofile geschärft und aufgewertet werden können. Wenn Finanzdaten von Kunden weitergegeben werden, verlieren Banken jedoch ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal. Auch wird es schwieriger, mit Techfins zu kooperieren. Während viele Fintech-Gründer eine Partnerschaft mit einem etablierten Finanzinstitut anstreben, sehen Techfins darin wenig Anreiz. Denn sie besitzen Megabrands, schier endlose Finanzreserven und ganze Armeen von Softwareentwicklern.

Können Banken zu Innovatoren werden?

Ein Katalysator für diese Entwicklung ist Open Banking. Wenn Banken ihre Schnittstellen freigeben müssen, ist das traditionelle Partnerschaftsmodell nicht mehr nötig. Finanzinstitute drohen, zu rein operativen Abwicklern im Hintergrund zu verkommen und die Kundenbeziehung zu verlieren. Sie werden immer die regulierten Säulen des Finanzsystems bleiben, könnten aber signifikant an Marge einbüßen.

Was kann getan werden, um diesem Trend entgegenzuwirken? Zunächst einmal sollten Deals mit Tech-Giganten sehr behutsam und bedacht abgeschlossen werden. Es bedarf einer gemeinsamen Branchenstrategie, eines wirklich unterscheidbaren Marketings und kontinuierlicher Eigeninnovation. Dank des Innovationsdrucks sind Finanzdienstleistungen innerhalb weniger Jahre schneller, günstiger und einfacher geworden, meist ohne auf das Partnerschaftsmodell zurückgreifen zu müssen. Das zeigt, dass Banken durchaus selbst die Rolle der Innovatoren spielen können.

Tipp: Sie möchten mehr zum Thema Fintechs und Innovation? Dann lesen Sie hier, warum Fintechs und Banken ziemlich beste Feinde sind oder erfahren Sie, wer bei Fintechs und Banken, wen wachküsst.

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