Nach einer ersten Welle der New-Work-Euphorie erleben Organisationen aktuell Ernüchterung. Investitionen in Umbauten, Mobiliar, Technologie und Prozesse haben nicht die erwarteten und geplanten Steigerungen in Produktivität, Attraktivität und Loyalität erzielt. Mehr noch – stattdessen überwiegen Frustration, Ärger und Desorientierung. Und warum? Häufig waren die Menschen bei all dem nur Randfiguren.
Individualität rückt in den Vordergrund
Das Verhältnis und die Erwartungshaltung der Menschen zu oder an Arbeit und Arbeitgeber haben sich gewandelt – der Lebensunterhalt steht nicht mehr in dem Maße im Fokus, wie es früher der Fall war. Selbstentfaltung, Identifikation mit der Arbeit und mit dem einhergehenden Sinn gewinnen an Bedeutung. Der Wandel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt lässt die Loyalität der Mitarbeitenden sinken: Wechsel sind leichter und oftmals lukrativer geworden und eine lange Betriebszugehörigkeit ist keine Auszeichnung mehr. Damit einher gehen neue Lebensmodelle, dezentrales Arbeiten, Auszeiten, Workation, die Unternehmen und deren Führungskräfte vor Herausforderungen stellen – die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben ist wichtiger geworden, bei verschwimmenden Grenzen.
Dass der technische Fortschritt, Automatisierungen, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz die Art, wie wir arbeiten, verändern, ist ebenso naheliegend wie banal. Die dahinterstehende Frage nach dem Warum und Wie vielleicht aber weniger. Wenn intelligente Maschinen Menschen entlasten, dann zumeist von Routinetätigkeiten. Der Anteil an Aufgaben, die menschliche Intelligenz erfordern, steigt zwangsläufig, was einerseits fordert, aber auch zu höherer Arbeitskomplexität und zu Überforderung führen kann.
Es ist grundsätzlich falsch, von der Zukunft der Arbeit beziehungsweise „New Work“ zu sprechen – denn die Zukunft der Arbeit variiert zwischen Branchen, Organisationsgrößen, -einheiten und letztlich auch -kulturen. In dieser Varianz ist sie eine evolutionäre Entwicklung, die keine Umkehr erkennen lässt und somit eine signifikante Bedeutung für das weitere Be stehen von Organisationen hat. New Work ist also vielmehr der Ansatz, sich mit der Zukunft der Arbeit in einem dedizierten Kontext zu beschäftigen – unter Berücksichtigung der konkreten Rahmenbedingungen in der Situation.
Gemein bleibt die Ausrichtung auf das, was wir als neue Normalität verstehen – Inhalte und Arbeitskontext sind flexibel und machen verstärkt projekthaftes Zusammenarbeiten in wechselnden, teilweise dezentralen, interdisziplinären Zusammensetzungen nötig, während Routineaufgaben weniger werden. Um diese Flexibilität zu ermöglichen, braucht es eine lernende Organisation mit hohem Grad an Agilität und Veränderungsbereitschaft. Sie erfordert die Fähigkeit, mit der Expertise und Erfahrung von heute die Fragen und Herausforderungen von morgen zu lösen.
Es bedarf vor allem der richtigen Kompetenzen und Kultur – bei Mitarbeitenden wie auch bei Führungskräften. Gefragt ist das breite Generalistenwissen, das es ermöglicht, Themen einzuordnen und sich in diese eigenständig einzuarbeiten. Daneben ist es wichtig, Trends und Entwicklungen der eigenen Branche zu kennen. Relevanter ist die Kompetenz, in der sich verändernden Arbeitswelt zu agieren: Wie analysiere ich neue Fragestellungen und löse Probleme? Wie nutze ich Technologie und Medien? Wie kommuniziere ich situations- und zielgruppengerecht? Und muss eigentlich jeder alles können? Und wenn nicht, was ist mein Profil und mein Alleinstellungsmerkmal, das mich einzigartig und unersetzlich macht?
New Work ist eine Evolution
Unterstützung bei der Beantwortung der Fragen werden auch zukünftig Führungsrollen leisten. Führungsrollen teilen sich immer stärker in die fachliche und die disziplinarische Führung auf, wobei letzterer eher die Aufgaben der Personalentwicklung und -betreuung zukommt. Hauptaufgabe beider Führungsrollen ist das Fördern, Entwickeln, Vorleben und Einfordern einer Kultur der Eigenverantwortung, Lernbereitschaft, Offenheit und Veränderungsbereitschaft. New Work ist als Evolution zu verstehen, ein sich kontinuierlich weiterentwickelnder Prozess ohne absehbaren Abschluss. Beteiligte wollen und müssen in dieser Evolution mitgenommen, unterstützt, begleitet und dazu befähigt werden, eigene Schritte zu gehen und andere zu unterstützen – immer unter Berücksichtigung der Individualität, des bisherigen Kompetenz- und Erfahrungsstands sowie individuellen Lern- und Entwicklungsarten.

Daniela Kathol
Daniela Kathol ist Head of Human Relations bei crossconsulting.

Günter Liebeler
Günter Liebeler ist Senior Manager bei crossconsulting.
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