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Die neuen Superbanken

Wie systemrelevant dürfen einzelne Marktteilnehmer sein? Eine Frage, die es mit Blick auf die jüngsten Notübernahmen zu stellen lohnt. Von Milan Herrmann


Finanzkrise
Quelle: By-studio via getty images

Kaum 15 Jahre ist es her, dass die letzte große Finanzkrise die Welt ins Wanken brachte. Nach der Pleite von Lehmann Brothers sahen sich Staaten und Notenbanken gezwungen, systemrelevanten Finanzinstituten unter die Arme zu greifen, um einen unkontrollierbaren Dominoeffekt zu verhindern. Hierzu wurden mit Hilfe von Steuergeldern Rettungsschirme im Umfang hunderter Milliarden aufgespannt. In der Folge geriet die Beschreibung „too big to fail“ zum Synonym für ein außer Kontrolle geratenes Finanzsystem.

Im Angesicht der derzeitigen Rekordübernahmen in der Bankenbranche stellt sich jedoch die Frage, ob die Problemstellungen von damals in Vergessenheit geraten sind. Binnen weniger Monate konnten die Nummer eins des Standorts Schweiz und der Branchenprimus der USA historische Zukäufe tätigen: Die Schweizer UBS sicherte sich mit der Credit Suisse (CS) eine der weltweit größten Investmentbanken, während J.P. Morgan mit der Übernahme der First Republic Bank (FRB) die Grenzen des US-Kartellrechts sprengte.

Mit staatlicher Unterstützung

Gemeinsam ist beiden Geschäften, dass sie erst durch staatliche Garantien und Markteingriffe ermöglicht wurden. Im Fall der Eidgenossen übernahm die Schweizerische Nationalbank die Initiative und gewährte zwei Liquiditätshilfen in Höhe von jeweils 100 Milliarden Franken – für die CS sowie die UBS. Aber auch der Schweizer Bundesrat beteiligte sich mit einer Ausfallgarantie von bis zu neun Milliarden. Hinzu kommen die von der Finanzaufsicht FINMA angeordneten 16 Milliarden Abschreibungen bei AT1-Anleihen.

Die Übernahme der FRB durch J.P. Morgan weist deutliche Parallelen auf. Nachdem die Finanzspritze einiger US-Großbanken ihr Ziel verfehlte, wurde der staatliche Einlagensicherungsfonds (FDIC) eingebunden. Hinter verschlossenen Türen arrangierte die FDIC einen Deal, wonach ihr zunächst die FRB übertragen wurde, um sie anschließend an J.P. Morgan weiterzuverkaufen. Damit zeichnete sich die FDIC zwischenzeitlich für die gesamte Einlagensicherung der FRB verantwortlich. Zudem billigte sie J.P. Morgan 50 Milliarden Dollar an Finanzierungshilfen zu und übernahm etwa 13 Milliarden Verlust aus dem Kreditportfolio der FRB.

Außerdem wäre das Geschäft ohne Eingreifen des USFinanzministeriums nicht möglich gewesen. Um dem Zuschlag auch den rechtlichen Rahmen zu geben, musste erst das Kartellrecht ausgehebelt werden. Denn gemäß geltender Wettbewerbsregeln darf keine Bank mehr als 10 Prozent der versicherten US-Einlagen halten – eine Grenze, die nun von J. P. Morgan mit Genehmigung der Behörden überschritten wurde.

Bloß kein Bail-out

Dass die verantwortlichen Aufsichtsbehörden zu improvisierten Ad-hoc-Lösungen gegriffen haben, lässt sich gleichwohl gut begründen. Analog zur Finanzkrise der Nullerjahre ist die gegenwärtige Situation höchst dynamisch. Es ist schnelles Handeln gefragt und mögliche Folgewirkungen einzelner Bankpleiten sind kaum auszuschließen, auch weil die Risikofaktoren heute keineswegs auf den Finanzsektor beschränkt sind.

Zugleich bleibt die Lage der staatlichen Haushalte aufgrund inflationsgetriebener Zinsanhebungen und internationaler Konflikte weiter angespannt. Kurzum, das Geld ist knapp und wird an anderer Stelle benötigt. In diesem Kontext ist Präsident Bidens Aussage „no losses will be borne by the taxpayers“, die er bezogen auf die SVBPleite tätigte, einzuordnen.

Seine implizite Botschaft, dass es keinen staatlichen Bail-out geben wird, mag angemessen und rein technisch betrachtet richtig sein. Doch erkauft man sich auf diese Weise lediglich Zeit. Künftig wird es darum gehen, die neuen Superbanken wieder einzuhegen, sonst können die Lösungen von heute sehr schnell zum Ausgangspunkt der Krise von morgen werden.