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Co-Creation: Der Kunde als Innovationspartner

Während sie in manchen Wirtschaftsbereichen erfolgreich umgesetzt wird, steckt Customer Co-Creation in der Finanzbranche noch in den Kinderschuhen. Co-Creation-Experte Pierre Stern erläutert, wie Kunden zur Verbesserung von Unternehmensprozessen beitragen können.


Co-Creation
Ipopba via Getty Images

Wenn eine Bank ihre Kunden in Entscheidungsprozesse einbindet, ist das nach heutigen Standards eher die Ausnahme als die Regel. Dabei können mithilfe von Customer Co-Creation deutliche Mehrwerte für beide Seiten generiert werden. Der Ansatz umfasst Aktivitäten, in denen Banken und Kunden zusammenarbeiten, um neue Ideen und bedarfsorientierte Lösungen zu entwickeln.

Die Umsetzung kann in verschiedenen Formen erfolgen, etwa durch die Einbeziehung von Kunden in den Designprozess von Produkten und Dienstleistungen oder auch in die Verbesserung von Geschäftsvorgängen. Außerdem besteht für Kunden die Möglichkeit, an der Gestaltung von Markenerlebnissen teilzunehmen. Co-Creation erfordert aber eine echte Mitwirkung über die reine Produktebene hinaus. Kunden sollten direkt und von Beginn an in unternehmerische Entscheidungen einbezogen werden.

Wechselseitiger Nutzen

Der Hauptvorteil von Customer Co-Creation besteht darin, Banken wertvolle Einblicke in die Perspektive ihrer Kunden zu verschaffen. So erhalten sie Zugang zu Ideen, die sie möglicherweise nicht selbst generieren könnten. Dies kann erstens dazu beitragen, die Zufriedenheit und Loyalität der Kunden zu verbessern, da sie das Gefühl haben, dass ihre Meinungen und Bedürfnisse berücksichtigt werden. Zweitens kann die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens auf diese Weise gestärkt werden.

Die klassischen Prozesse von Finanzdienstleistungen sind aktuell noch vor allem an die Produkt- und Absatzpolitik angelehnt. Damit Co-Creation wirkungsvolle Beiträge für Anbieter und Kunden erzeugen kann, sind die Lebensgewohnheiten, Hobbys und Interessen der Kunden verstärkt aufzugreifen und mit der Anbietermarke zu vereinen. Ein wissenschaftlich fundiertes Beispiel findet sich im IKEAEffekt. Demzufolge zeigen Kunden, die am Bau von Möbeln mitgewirkt haben, eine gesteigerte Wertschätzung gegenüber der Marke.

Sie sind deshalb bereit, einen deutlich höheren Preis zu bezahlen – ein Umstand, den man auch auf Soziale Netzwerke und Innovationsplattformen beziehen kann. Denn eigenen Beiträgen, Bildern und Kommentaren wird im Allgemeinen eine hohe Bedeutung zugesprochen. Teil einer Community zu sein, verspricht Anerkennung und einen gewissen Status. Durch Gamification können diese Anreize noch weiter gefördert werden.

In der Praxis haben dies zahlreiche Marken bereits vorgeführt, zum Beispiel die Telekom Community, Tschibo IDEAS oder das S Lab der Erste Bank. Bezüglich des Konsumverhaltens können Werte zur Identitätsbestätigung beziehungsweise -entwicklung einen emotionalen Nutzen bieten. Aus Kundensicht zählen Bedürfnisbefriedigung, Selbstmarketing, Spaß, Anerkennung und Identifikation mit der Marke, der Community oder Region zu den wesentlichen Motiven.

Hierzu sollten Co-Creation-Aktivitäten losgelöst vom direkten Produktkontext konzipiert werden. Dies bietet besonders bei Finanzservices, als abstrakte Branchenkategorie, hohes Potenzial. Kunden sollten folglich aktiv durch Open-Innovation-Verfahren an den unternehmerischen Aktivitäten mitwirken. Banken und Sparkassen könnten mit neuen Plattformen dienen, um regionale, kulturelle oder themenspezifische Events und Wissenstransfers zu veranstalten.

Kundenrollen und Aktivitätenspektrum

Überdies ermöglichen es zwei Ansätze, die Planung von Customer-Co-Creation-Projekten zu vereinfachen und ihren Nutzen zu erhöhen. Zum einen ist hier die Rollentheorie zu erwähnen. Aus vielseitigen Publikationen gehen zahlreiche Kundenrollen hervor, die für Co Creation-Verfahren in Kreditinstituten dienlich erscheinen. Darauf aufbauend werden Bezugspunkte der Gestaltungsbereiche Marke, Marketing und Innovation festgestellt, die mithilfe von Integrationstypen umgesetzt werden können. Die Erkenntnisse gewähren ein strukturelles Vorgehen zur Kundenbeteiligung in Banken und Sparkassen.

Darauf basierend lassen sich Kundentypen erschließen, deren Einsatz in den Gestaltungsbereichen Marke, Marketing und Innovation befürwortet werden. Das Spektrum reicht vom Co-Ideengeber, der Impulse für Innovationsverfahren gibt, bis hin zum Co-Informanten, der für Wissensübermittlung am Ende einer langen Prozesskette zuständig ist.

Zum anderen stellt das Spektrum für Co-Creation-Aktivitäten eine sinnvolle Erweiterung dar. Hiernach wird zwischen drei Kategorien unterschieden: Kernaktivitäten basieren auf direkter Interaktion mit dem Kunden und haben einen direkten Produktbezug. Verbundene Aktivitäten tangieren dagegen den Wertschöpfungsprozess und die Kernaktivitäten. Sie sind jedoch für den Serviceanbieter tendenziell unsichtbar, da sie in vor- und nachgelagerten Phasen der Leistung entstehen. Beispiele hierfür greifen im Finanzsektor auf Themen wie etwa Armut, Karriere, Datenschutz oder Familienplanung zu. Zuletzt sind die unverbundenen Aktivitäten zu nennen.

Sie wirken indirekt auf die Wertschöpfung und die damit verbundenen Aktivitäten ein. Insgesamt bleiben die Anreize zur Kundenbeteiligung im Finanzsektor im Vergleich zu anderen Branchen hinter ihren Möglichkeiten. Gerade die Digitalisierung eröffnet zahlreiche Optionen, wirkungsvolle, immaterielle Belohnungssysteme wie Gamification-Effekte zu nutzen, um die Kundenbindung zu stärken. Hierzu ist ein strukturiertes Vorgehen unerlässlich: Customer Co-Creation bietet den passenden Ansatz.

Dr. Pierre Stern

Sparkasse

Dr. Pierre Stern arbeitet in der medialen Beratung einer Sparkasse. Zudem ist er als Autor und Berater im Bereich Co-Creation tätig.

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