Auf dem Weg zum smarten und kundenzentrierten digitalen Kundenservice

Was wäre, wenn es morgen keine Filialen mehr gäbe? Wenn man ausschließlich über digitale Kanäle mit seiner Bank oder Sparkasse in Kontakt treten könnte? Was würde dies für Banking und Payment bedeuten?


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Was sich zunächst wie ein übertriebenes Gedankenspiel liest, ist durchaus ein realistisches Szenario. Regelmäßig lesen wir von neuen Filialschließungen oder -zusammenlegungen, weil einzelne Standorte unter anderem aufgrund von Personalmangel nicht mehr aufrechterhalten werden können. Die Nutzung digitaler Kanäle für die Erledigung von Bankgeschäften steigt auch bei weniger digital-affinen Kunden oder Menschen mit Sprachbarrieren. Die Folgen sind unter anderem überlastete Callcenter sowie Unzufriedenheit und Frustration auf beiden Seiten der Leitung. Eine Möglichkeit, hier Abhilfe zu schaffen, ist generative KI. Denn diese ist in der Lage, Daten zu analysieren, Muster zu erkennen und daraufhin neue, eigenständige Inhalte zu erzeugen oder Entscheidungen zu treffen. Insbesondere Large Language Modelle, wie zum Beispiel ChatGPT, haben sich hier als besonders geeignet herausgestellt.

Der Blick über die eigene Branche hinweg

Im Kundenservice bietet der Einsatz von KI erhebliches Potenzial zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung. Wie das schwedische Finanzunternehmen Klarna Anfang des Jahres auf ihrer Internetseite veröffentlichte, bearbeitet ihr KI-Kundenassistent zwei Drittel aller Chats des Kundendienstes, was einem Arbeitsvolumen von circa 700 Vollzeitmitarbeitern entspricht. Dass dies nicht zu Lasten der Qualität gehen muss, belegt eine vom Unternehmen selbst durchgeführte Erhebung der Kundenzufriedenheit. Die Ergebnisse lägen gleichauf mit den Werten von Interaktionen mit menschlichen Mitarbeitern. Ein wichtiger Faktor, handelt es sich beim Kundenservice doch um die vielleicht wichtigste Schnittstelle für die Kundenerfahrung. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kunden von Klarna akzeptieren, sich mit ihrem Anliegen an eine KI zu wenden. Und sie erfreuen sich an einer stets verfügbaren Anlaufstelle, die bereits eine Vielzahl von Anfragen kompetent bearbeitet.

Die Anfragen, die dennoch bei den Mitarbeitern in den Callcentern und Filialen aufschlagen, werden immer komplexer. Das liegt auch am immer umfangreicheren digitalen Angebot, mit dem die Menschen unterschiedlich gut zurechtkommen. Auch hier wird zur Unterstützung der Mitarbeiter auf KI gesetzt. Neuartige Callcenter-Bots liefern bessere Ergebnisse als herkömmliche Wissensdatenbanken und sind meist deutlich einfacher und schneller zu bedienen. Dies erleichtert auch die Einarbeitung neuer Mitarbeiter und vor allem von Quereinsteigern, was die Personalsuche für den Kundenservice stark vereinfacht.

Generative KI ermöglicht aber auch eine ganz neue Dimension des personalisierten Bankings. Durch individuelle Analysen können für jeden Kunden passende Produktempfehlungen ausgespielt und gezielt Services empfohlen werden, wie etwa Benachrichtigungsdienste. Ebenso können auffällige Transaktionen oder wiederholte Abbuchungsversuche mittels KI erkannt werden. So besteht die Möglichkeit, Kunden im Rahmen der Betrugspräventionen unmittelbar zu kontaktieren, um einen möglichen Schaden zu vermeiden.

Die Onlineangebote von Banken und Sparkassen haben sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Über die Banking-App können Kunden nicht nur rund um die Uhr von überall auf ihre Konten zugreifen, dank virtueller Assistenten können sie mit ihrer Bank quasi wie mit einem Menschen sprechen. Und zwar grundsätzlich auch unabhängig davon, in welcher Sprache die Anfrage gestellt wird. Denn die eingesetzte KI ist von Natur aus mehrsprachig. Ein nicht zu unterschätzender Faktor in Zeiten von Migration und multikulturellen Gesellschaften.

Inklusives Banking durch KI

Die Akzeptanz von Chatbots im Kundenservice zeigt auch „Erica“, die virtuelle Assistentin der Bank of America. Wie die Bank jüngst in einer Pressemitteilung veröffentlichte, werden mittlerweile zwei Millionen Anfragen pro Tag vom System bearbeitet. Aber auch in Europa gibt es weitere Best Practices. Laut seiner Internetseite hat das belgische Institut KBC seit 2020 ebenfalls mit der digitalen Assistentin „Kate“ eine KI integriert, die Services auch über klassisches Banking und Payment hinaus anbietet. Durch den Fortschritt in der Spracherkennungstechnologie können Kunden immer besser per Sprachbefehl mit Chatbots und virtuellen Assistenten interagieren. Hierdurch wird Banking auch barrierefreier, insbesondere für Menschen mit Hör- und Sehbeeinträchtigung.

Die Technologie ermöglicht ebenfalls eine noch intuitivere und bequemere Kundenerfahrung, zum Beispiel für diejenigen, die keine Texteingabe bevorzugen oder unterwegs sind. Insgesamt wird KI das Kundenerlebnis im Kundenservice der Banken und Sparkassen verbessern, wenn nicht gar revolutionieren, indem schnellere, effizientere und personalisierte Services möglich werden. Auch für die Sparkassen-Finanzgruppe spielt KI eine entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung ihres Leistungsangebotes zum personalisierten Banking-Erlebnis. Auch wenn sich in den letzten fünf Jahren sehr viel getan hat, stehen wir in Sachen KI erst ganz am Anfang. Das tatsächlich Mögliche, das uns diese Technologie bietet, ist zum jetzigen Zeitpunkt kaum greifbar.

Vielleicht kann zukünftige KI auch menschliche Emotionen erkennen und Empathie zeigen. Avatare könnten so auf Gefühle wie Frustration oder Verärgerung angemessen reagieren und die Kundenerfahrung auf ein ganz anderes Level heben. Dies würde nicht nur die Akzeptanz von Chatbots und virtuellen Assistenten weiter fördern, Kunden würden vermutlich gar keine Unterschiede mehr bemerken, ob sie ihr Anliegen mit einer Maschine oder einem Menschen besprechen. Und wenn die Kundenerfahrung genauso gut oder vielleicht sogar besser ist, wäre es eigentlich auch egal, oder? Denn am Ende zählt ja nur eines: ob der Kunde zufrieden, oder besser noch, begeistert ist.

Dr. Maurizio Singh

Tipp: Sie möchten gerne weitere Fachartikel aus der aktuellen BANKINGNEWS 299 lesen? Dann lesen Sie hier das aktuelle Vorstandsinterview mit Dr. Joachim Schmalzl vom DSGV.