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Brauchen Banken eine eigene Wallet-App für das mobile Bezahlen?

Gerade die jüngere Kundengeneration bevorzugt bei mobilen Bezahlvorgängen Wallet-Lösungen von Drittanbietern, welche Debit- und Kreditkarteninformationen mehrerer Finanzinstitute zusammenfassen. Hier sind die Lösungen globaler Tech-Konzerne im Vorteil – Banken können mit ihren Apps an anderer Stelle besser punkten.


Gerade die jüngere Kundengeneration schätzt die Convenience übergreifender Wallet-Apps. Bildnachweis: iStock.com/Jane_Kelly

Die Bedeutung der mobilen Internetnutzung nimmt weltweit kontinuierlich zu. Gleichzeitig hat sich das mobile Web zu einem zentralen Kanal für Verbraucher entwickelt, wodurch sich die Art, wie wir einkaufen, erheblich verändert. Es ist mittlerweile selbstverständlich, Online-Einkäufe mit hinterlegten Kartendaten über das Smartphone zu bezahlen – sei es auf Amazon, bei Netflix, im App-Store oder beim Kauf von Bahntickets. Die Digital-Payments-Studie von Visa zeigt, dass drei von vier Deutschen bereits eine digitale Wallet für ihre Bezahlkarte genutzt haben – vorrangig für Einkäufe im Internet. Wir bei Visa erwarten, dass die Zukunft des Bezahlens auch im stationären Handel mobil ist.

Wir ermöglichen diese mobilen Bezahlangebote, indem wir unsere Partner dabei unterstützen, neue Wallet-Lösungen für ihre Kunden bereitzustellen. Dabei setzen wir weltweit auf eine langfristige Strategie, unterstützen eine Vielzahl an unterschiedlichen Technologien und arbeiten eng mit Partnern aus verschiedenen Bereichen zusammen – dazu gehören neben Finanzinstituten auch Gerätehersteller und Technologieunternehmen.

User Experience als entscheidender Vorteil

Im Zuge dieses Austauschs habe ich kürzlich mit dem „Head of Mobile Banking“ einer europäischen Bank gesprochen, die zunächst mit einer eigenen Bank-App inklusive kontaktloser mobiler Payment-Funktion gestartet war. Zum Launch einer Android-basierten Wallet eines globalen Tech-Konzerns entschied die Bank, parallel auch über diese App das kontaktlose mobile Bezahlen anzubieten. Seitdem verzeichnet das Finanzhaus eine erheblich stärkere Nutzung der mobilen Bezahlvorgänge bei seinen Kunden. Dies wirft zwei Fragen auf: Warum ist das so, und was können deutsche Banken daraus lernen? Meine Einschätzung dazu ist: Die Stärke der Wallet-Apps der globalen Tech-Konzerne ist die herausragende User Experience. So können in diesen Wallets nicht nur die Karten einer Bank, sondern von mehreren Instituten hinterlegt werden – und dies extrem schnell und komfortabel. Der noch größere Vorteil liegt darin, dass sie als „All-in-One“-Lösung kontaktlos in Geschäften, im Online-Handel und für In-App-Zahlungen eingesetzt werden kann. All das unterstützt ein konsistentes Kundenerlebnis.

In der Android-Welt können bankeigene Apps direkt auf die HCE-Software-Architektur (Host Card Emulation) und den NFC-Chip zugreifen, um das kontaktlose mobile Bezahlen zu realisieren. Zusätzlich gibt es für Banken die Möglichkeit, ihre eigene Konto-App mit der externen Wallet zu verknüpfen und VisaKarten direkt aus der Bank-App für mobiles Bezahlen zu aktivieren. Außerdem können so eine Reihe weiterer Einstellungen vorgenommen und z.B. eine von mehreren Karten als bevorzugte Option eingestellt werden.

Hohe Kosten für Entwicklung und regelmäßige Updates

Was heißt dies nun für deutsche Banken? Es gibt gute Argumente für eine eigene Wallet-App mit Bezahlfunktion: Banken bewahren mit so einer Lösung etwa die exklusive Beziehung mit ihren Kunden und können frei entscheiden, neue App-Features für sie einzuführen. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings der damit verbundene hohe und kostenintensive Aufwand. Ich spreche hier nicht nur von der Entwicklung und Einführung des Service, sondern auch von den beträchtlichen Folgekosten auf dem schnelllebigen Markt für mobile Endgeräte: Will man jedes neue Gerät und jede neue Betriebssystemversion unterstützen, erfordert dies kontinuierliche Software-Updates und aufgrund der hochsensiblen Payment-Funktion zusätzliche Prüfungen in spezialisierten Sicherheitslabors. Darüber hinaus lassen sich gerade jüngere Kundengenerationen nicht gern „kontrollieren“, sondern wenden sich dem Service zu, der ihnen die beste User-Experience verspricht.

Kein Plädoyer gegen eigene Banking-Apps

Meine These lautet, dass Banken den Mut haben sollten, dem Kunden mehr Wahlfreiheit zu geben und ihn im Bereich Payment nicht an eine eigene App zu binden. Das ist keineswegs ein Plädoyer gegen Banking-Apps – ganz im Gegenteil. Ich halte diese als Kanal der Kundeninteraktion für enorm wichtig. Es stellt sich nur die Frage, ob sich Banken dabei stärker darauf konzentrieren sollten, was vor und nach dem Bezahlvorgang passiert. In der eigenen App sind das Services rund um die Transaktion, wie z.B. Ausgaben-Analysen oder das Angebot von Ratenzahlungen. Banken können sich so auf die Elemente fokussieren, bei denen sie die beste Ausgangslage haben, und die reine Zahlungsabwicklung sowie die damit verbundene Komplexität auslagern.

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