Cash, Karte, Telefon: Wer in Zukunft wie zahlt

Berater Arno Eitz über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den deutschen Bargeldkreislauf.


Zwei Leute schneiden einen Geldschein durch, weil sie Angst vor Infektionen haben.Wie sieht es in Zukunft mit der Bargeldnutzung aus?

Die Bargeldnutzung ist nach wie vor von hoher Bedeutung im Zahlungsverkehr und wird mit erheblichem Aufwand von den Marktteilnehmern gemeinsam betrieben. Die jährlichen Kosten für Kontoführungs-, Ein- und Auszahlungsgebühren betragen hierzulande über zehn Milliarden Euro. Das allein ist Grund genug zu fragen, inwieweit die Corona-Krise die Bargeldnutzung und den Bargeldkreislauf nachhaltig beeinflusst.

Schnelle Zahlungsart nutzen

Am offensichtlichsten sind die Änderungen, die aus der Vermutung resultieren, dass der Bargeldkontakt zur Übertragung des Virus beitrage. Verbraucher nutzen deswegen an der Kasse vermehrt Karten- und Handyzahlungen. Gleichzeitig weisen Händler darauf hin, dass die alternativen Zahlungsverfahren vorhanden und zu präferieren sind. Zusätzlich steigern Banken die Convenience durch eine Anhebung der Limits für kontaktlose Zahlungen ohne PIN-Eingabe von 25 auf 50 Euro. Dadurch kann der durchschnittliche Zahlungsbetrag von 29,31 Euro pro Transaktion nunmehr kontaktlos bezahlt werden. In Verbindung mit der kontaktlosen Girocard können nahezu alle Kunden die schnelle Zahlungsart nutzen. Viele werden dies erstmalig in Corona-Zeiten tun und vermutlich wird es später keine vollständige Rückkehr zum Bargeld geben. Wir schätzen, dass dieser Effekt den Anteil der unbaren Zahlungen am Umsatzvolumen von 52 Prozent (2019) auf 58 Prozent im Jahr 2022 steigen lässt.

Die Verlagerung auf den Online-Handel, die zusätzlich den Anteil der Barzahlungen am Einkaufsvolumen senken würde, kann nicht eindeutig Corona zugeschrieben werden. Bedingt durch sinkende Nettohaushaltseinkommen, findet hier eine Überlagerung durch das insgesamt sinkende Einkaufsvolumen statt.

Der Effekt des sinkenden Konsums ist der zweite wesentliche Einflussfaktor, der die Bargeldnutzung zurückdrängt, zumal generell das Zahlungsvolumen zurückgehen wird. Wenn der Umsatz des deutschen Einzelhandels 2020 einmalig um zehn Prozent sinkt, bedeutet allein dieser Effekt ein um rund 40 Milliarden Euro verringertes Barzahlungsvolumen im Jahr 2022.

Noch einschneidender wird aber voraussichtlich der dritte Effekt, der Abbau der „Bargeldversorgungsstandorte“ und damit natürlich auch der „Bargeldentsorgungsstandorte“ durch die Banken. Wenn Filialen schließen und die Zahl der Geldautomaten reduziert werden, verlängern sich die Zugangswege. Dadurch steigt der komparative Kostenvorteil der unbaren Zahlungsmittel.

Alternative Servicekanäle

Filialen haben ohnehin mit dem Abbaupfad der Banken zu kämpfen. Der Kostendruck der Banken erhöht sich aufgrund der anstehenden Rezession nochmals. Zudem haben Banken in der Corona-Krise die Bedeutung der alternativen Vertriebs- und Servicekanäle erlebt. Diese Kanäle werden weiter ausgebaut und neben den Filialen werden voraussichtlich auch reine SB-Standorte massiv abgebaut, um Kosten zu sparen. Wir gehen davon aus, dass sich die Zahl der Geldautomaten bis 2022 um 14.000 verringert. Das bedeutet für Kunden eine um rund ein Drittel verlängerte Fahrzeit zum nächsten Geldautomaten oder in die Filiale. Während heute auf dem Land die Fahrtzeit zum Geldautomaten 20 Minuten beträgt, werden sich in Zukunft einige Kunden die Fahrtzeit von 27 Minuten oder länger sparen und stattdessen die Karte oder das Mobiltelefon fürs Bezahlen nutzen – wie in Zeiten von Corona gelernt.

Der kumulierte Einfluss dieser drei Effekte, die sich gegenseitig verstärken, wird dazu führen, dass wir 2022 nur noch einen Anteil der Barzahlungen am (Einzelhandel-)Umsatz von rund 40 Prozent haben werden. Immerhin lag der Anteil dieser Zahlungen bei den Bargeld liebenden Deutschen 2019 noch bei knapp 50 Prozent.

Nutzung von Cashrecyclern

Was können die Akteure also tun? Der verbleibende Bargeldkreislauf muss noch effizienter organisiert werden. Alle Möglichkeiten zur Automatisierung und Standardisierung müssen ausgeschöpft werden. Die vorhandenen Medienbrüche in den Verarbeitungsprozessen sollten beseitigt und die Digitalisierung der Planungs- und Steuerungsprozesse vorangetrieben werden. Vor allem aber sollte die bis heute fehlende bankenübergreifende Kooperation bei der Bargeldversorgung angegangen werden. Vielleicht bewirkt die Corona-Krise mehr Offenheit bei den Banken und Verbänden.

Doch auch einzelne Bankengruppen und Banken haben die Möglichkeit, weitere Kostensenkungspotenziale im Bargeldverkehr zu heben. Dazu gehören zum Beispiel die Optimierung von (Maschinen-)Standorten durch die effiziente Nutzung von Cashrecyclern oder die Einführung von dynamischen Ver- und Entsorgungssequenzen. Damit können Banken zum Teil erhebliche Kostenreduktion realisieren.