Eine wie keine? Apples Vormarsch ins Kreditkartengeschäft

Technik-Riese Apple hat neben Smartphones und Computern jetzt auch Kreditkarten im Angebot, die dem altbekannten Co-Branding-Prinzip folgen. Trotzdem wird der Schritt medial wieder einmal groß gefeiert. Zu Recht?


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Wenn Apple etwas macht, wird das erfahrungsgemäß immer von hoch emotionalen Reaktionen der Medien- und Konsumentenlandschaft begleitet, egal ob positiv oder negativ. So wurde nach einer entsprechenden Keynote auch die hauseigene Kreditkarte des Technik-Riesen aus Cupertino heiß diskutiert und wird vermutlich auch noch eine ganze Weile Thema bleiben. Dabei macht Apple nüchtern betrachtet nur das, was die Silicon-Valley-Peers Amazon, PayPal und eBay schon lange machen.

Sie partnern mit einer Bank und bringen eine Co-Brandkarte mit Rewards heraus. Co-Branding ist auch bei uns in Deutschland nicht unbekannt. Man denke beispielsweise an Lufthansa Miles&More und Porsche (herausgegeben von der DKB), an ADAC und Amazon (herausgegeben von der Landesbank Berlin) oder Payback (American Express und LBBW). Bei diesen Karten tritt die Bank als Herausgeber in den Hintergrund zugunsten des Non-Bank-Markenpartners. Jede bietet dabei deutlich mehr Vorteile für den Karteninhaber als das 08/15-Gegenstück der Hausbank, wie Cash-Backs der Kartenumsätze in Form von Punkten, Meilen oder Gutscheinen. Eigentlich ist Apple also nur ein weiterer bekannter Co-Brandpartner, der jetzt auch eine Karte herausbringt.

User Experience ist entscheidender Faktor

Und es ist noch nicht einmal der erste Versuch der Kalifornier, ins Kartengeschäft einzusteigen. Bereits 1986 brachten sie die erste Version ihrer Apple-Card heraus – damals jedoch ausschließlich als Bezahlmittel für Apple-Produkte gedacht. Obwohl die Idee also nur aufgewärmt ist und bezüglich der eigentlichen Kartenfeatures wie Zinsen, Gebühren und Cash-Back bei der 2019er-Version auch nicht viel los ist, schäumen die Emotionen derzeit über. Wie kommt es dazu? Was ist so besonders? Ganz einfach: Die Apfel-Karte punktet, wo Banken und Sparkassen traditionell Nachholbedarf haben, und zwar mit einer erstklassigen (mobilen) User Experience. Apple clustert die Transaktionen farblich nach Einsatzgebieten und ersetzt die teilweise sehr kryptischen und wenig verständlichen Transaktionsbeschreibungen durch Daten aus Apple Maps. Wie gut oder schlecht das funktioniert, muss sich noch in der Realität zeigen. Erfahrungen mit Apple Pay zeigen, dass dies unter Umständen noch zu Verwirrung führen kann.

Apple hat auch hier das Rad nicht neu erfunden, sondern eindach cooler neu zusammengesetzt

Der eigentliche Neuigkeitsfaktor liegt aber in den Aspekten Sicherheit und Datenschutz. Die Karte ist bei Apple nämlich nur der Begleiter der digitalen Version und nicht umgekehrt. Man setzt daher auf NFC-Apple-Pay- und Online-Nutzung. Die physische Karte hat keine NFC-Schnittstelle und sämtliche Kartendaten wie PAN, Gültigkeitsdatum und Kartenprüfnummer sind nicht auf dem Kartenkörper aufgedruckt. Apple spielt hier ganz bewusst mit der aktuellen Datensicherheitsdebatte und grenzt sich gegen Google und Facebook ab. Auch wenn dieser Ansatz sehr smart erscheint: Apple hat auch hier das Rad nicht neu erfunden, sondern einfach cooler neu zusammengesetzt – aus den Teilen, die auch jeder Bank oder Sparkasse zur Verfügung stehen. Deren Vertreter äußerten sich gerade im Kontext Apple Pay in den sozialen Netzwerken teilweise sehr emotional zur neuen Karte. „Erst erwartet Apple, dass wir unsere Kunden auf die Apple-Pay-Plattform bringen und dann kommt Apple und klaut uns diese”, war nur eine von vielen empörten Reaktionen, die ich las.

Der Kunde gehört niemandem

Hier liegt offensichtlich ein großes Missverständnis darüber vor, wem die Kundenbeziehung „gehört” und wem nicht. Soviel sei gesagt: Der Kunde ist mündig und gehört weder der Bank noch Apple. Niemand zwingt die Banken, bei Apple Pay teilzunehmen, allein der Kunde erwartet es offensichtlich. Auch liegt es seit jeher beim Kunden, ob er die Karte seiner Hausbank oder eben eine Co-Brand-Karte nutzt. Apple ist nicht anders als Lufthansa, Amazon, PayPal und Co. Schon immer mussten sich Hausbanken mit deren Karten messen und schon immer war es so, dass Vielflieger, Vielshopper und Vielreisende abgesprungen sind.

Mit ein wenig Abstand und deutlich weniger Emotion erkennt man: Apple hat eine gute Co-Brand-Umsetzung hingelegt, die insbesondere bei User Experience, Haptik der Karte – gefertigt aus Titan – und Sicherheit für den Endkunden neue Maßstäbe setzt. Hat jedoch irgendjemand in der Vergangenheit den kartenausgebenden Banken verboten, ähnliche, vom Kunden gedachte Frontends oder Kartenkörper genauso zu gestalten? Wie in anderen Bereichen (MP3-Player, legale Musikdownloads, Smartphones) ist der Kontrast der Apple-Lösungen umso größer, je mittelmäßiger der bisherige Benchmark der etablierten Anbieter ist. Das gilt nun auch für das Kartengeschäft und Payment. Geht die Welt davon unter, dass nun Innovationen in einen Markt kommen, der gefühlt seit Jahren stillsteht?

Banken dürfen Anschluss nicht verlieren

Der Kunde wird es Apple danken, denn Banken können und sollten die Herausforderung annehmen. Die Apple-Karte ist somit einmal mehr ein Beweis dafür, wie sehr sich die Verantwortlichen im Zahlungsverkehr in den letzten Jahren lieber mit sich selbst beschäftigt haben, statt dem Kunden Innovationen anzubieten und seine Probleme zu lösen. PayPal, Klarna, Apple Pay und Google Pay gäbe es in ihrer aktuellen Gestalt nicht, wenn die Payment-Experten aus den Banken nicht so furchtbar bequem geworden wären. Wenn ein Markt einmal verloren wurde, ist es fast unmöglich, diesen zurückzugewinnen, wie man am Beispiel PayPal vs. Paydirekt in Deutschland sieht.

Apple Pay brauchte Jahre, um nach Deutschland zu kommen. Reaktionszeit hatten Banken und Sparkassen also genug. Dennoch haben sie seit dessen erstmaliger Ankündigung unnötig viel Zeit verstreichen lassen und kamen nur wenige Wochen vor Marktstart mit ihren HCE-Apps zu Mobile Payment. Wenn die Payment-Entscheidungsträger wieder so lange brauchen, halbwegs kompetitive Antworten auf die Apple-Karte zu liefern, dürfen sie sich bei einem späteren Deutschlandstart nicht wundern.