„Instant Payments bieten enormes Potenzial für alle Kundengruppen“

Echtzeitzahlungen könnten schon bald der neue Standard im Firmenkundengeschäft sein. Wir sprachen mit zwei „Instant-Pionieren“ über die aktuelle Lage, gängige Use-Cases und wie Unternehmen am besten profitieren. Interview mit Markus Meissner und Gerhard Bystricky


Bildnachweis: iStock.com/erhui1979

BANKINGNEWS: Herr Meissner, Herr Bystricky, welches Potenzial haben Instant Payments im Firmenkundengeschäft?

Markus Meissner (MM): Instant Payments bieten enormes Potenzial für alle Kundengruppen. Den Unternehmen ermöglichen Echtzeitzahlungen neue Geschäftsansätze und die Verbesserung ihres Kundenservices. Für uns als UniCredit ist es dabei wichtig, First Mover zu sein. Denn so können wir Unternehmen adäquat beraten und die Geschäftsbeziehung intensivieren – auch wenn es keinen direkten monetären Effekt gibt, über den wir einen Profit generieren.

Gerhard Bystricky (GB): Mit Instant Payments haben unsere Kunden die Gewissheit, dass eine Zahlung in Sekundenschnelle und sicher beim Empfänger angekommen ist und verbucht wurde. Geschwindigkeit wird im digitalen Zeitalter immer wichtiger – sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen.

Was sind typische Anwendungsfälle?

MM: Ein Energieversorger hat seinen Kunden etwa ermöglicht, Rechnungen mit Instant Payments zu bezahlen. Wir haben ihm geholfen, eine optimale Eingangsbearbeitung der Zahlungen aufzusetzen, damit er seinen Mahnprozess sofort stoppen kann, sobald ein Kunde „instant“ mit schuldbefreiender Wirkung gezahlt hat.

GB: Ein klassisches Beispiel beim Empfang von Instant Payments ist der Versandhandel. Händler müssen schneller auf den Zahlungseingang reagieren, um Waren früher zu versenden. Telekommunikationsunternehmen beschäftigen sich zurzeit mit aktiven Instant-Zahlungen, um etwa Guthaben zurückzuzahlen. Das fällt unter den Aspekt Kundenservice. Die Unternehmen verbessern das Kundenerlebnis, wenn sie Rückzahlungen „instant“ abwickeln.

Ist die Betragsgrenze von 15.000 Euro ein Problem?

GB: Natürlich steigt für Firmenkunden die Relevanz mit der Betragsgrenze. Die Mehrheit der Treasurer sieht eine Anhebung als erforderlich an. Die Betragsgrenze ist für eine Vielzahl an Use Cases aber ausreichend. Und es gibt die Möglichkeit, in „Closed User Groups“ oder bilateralen Vereinbarungen unlimitierte Zahlungen festzulegen. Grundsätzlich plädieren die Firmen für eine An- oder Aufhebung der Grenze. Jedoch müssen viele erst einmal die aktive In-
stant-Fähigkeit schaffen. Daher ist die Beitragsgrenze aktuell noch nicht das zentrale Thema.

Die kritische Masse an Anbietern auf dem deutschen Markt ist erreicht

Wie hoch ist die Nachfrage Ihrer Firmenkunden?

MM: Je größer der Kunde, desto eher beschäftigt er sich mit Instant Payments. Im breiten Mittelstand ist das Thema eher noch nicht so präsent. Aber unsere Cash-Management-Spezialisten sprechen es in jedem Kundentermin an und wir spüren ein wachsendes Interesse. Es kommt auch auf die Branche an: Wenn ein Unternehmen eher im Retailgeschäft zuhause ist, spielen Instant Payments sicherlich eine größere Rolle, da die Beträge kleiner sind als etwa bei einem Anlagenhersteller, der mit größeren Beträgen agiert.

GB: Die Unternehmen beschäftigt derzeit in erster Linie noch die Frage, wie sie mit eingehenden Echtzeitzahlungen umgehen. Wo „instant“ gezahlt wird, wird auch eine sofortige Reaktion erwartet. Einige Händler fragen uns daher auch, wie sie die Folgeprozesse nach Eingang der Zahlung schneller abwickeln können.

Sehen Sie es als Ihre Aufgabe, die Firmenkunden bei der Prozessoptimierung zu unterstützen?

GB: Wir beraten unsere Kunden seit jeher mit Blick auf den Wandel des Zahlungsverkehrs. Vor allem in den vergangenen zehn Jahren seit der Einführung von SEPA haben wir unsere Kunden intensiv auch rund um das Thema Prozessoptimierung begleitet. Das gilt nun auch für das Instant-Zeitalter. Es ist unsere Aufgabe, Unternehmen zu beraten und ihnen aufzuzeigen, wo Anpassungen in ihrer Systemwelt erforderlich sind.

MM: Optimierung ist im Cash Management das Schlagwort schlechthin – sei es mit Blick auf das Working Capital Management oder bei Prozessen im Zahlungsverkehr. So wird es auch bei Instant Payments sein. In vielen Firmen müssen die Treasury- Management-Systeme angepasst werden. Viele Finanzabteilungen nutzen Standardsysteme für Treasury und Finanzbuchhaltung, sodass zum Teil auch Softwareupdates erforderlich sind. Es bedarf einer gewissen Vorbereitung, damit Unternehmen von den Vorteilen von Instant Payments profitieren können. Diese ist aber gut kalkulierbar und wir verfügen dank unserer Vorreiterrolle bei Instant Payments über umfassende Erfahrungen, die wir Unternehmen gern weitergeben.

Haben Sie das Gefühl, dass alle Beteiligten bei Instant Payments an einem Strang ziehen?

GB: Inzwischen können auch die Genossenschaftsbanken Instant Payments empfangen. Damit ist die kritische Masse im deutschen Markt erreicht. Ende des Jahres wird der Großteil der deutschen Banken „instant-fähig“ sein. In Europa haben wir damit die größte Abdeckung und sind Vorreiter. Aber auch im europäischen Raum beteiligen sich immer mehr Banken. Denn die Erwartung der Kunden, dass Prozesse in Echtzeit erfolgen, ist „State of the Art“. Dieser Erwartung müssen die Banken gerecht werden. Dabei helfen europäische Standards. Die UniCredit ist mit Blick auf Instant Payments deshalb auch in allen relevanten Arbeitsgruppen auf europäischer und nationaler Ebene vertreten. Mit der sogenannten Westhafen-Gruppe hat sich etwa eine Initiative gebildet, in der Unternehmen zusammen mit Banken und Systemherstellern Lösungen zu den Fragestellungen erarbeiten: Welche Informationen erwartet ein Unternehmen bei eingehenden Instant-Zahlungen, um seine Folgeprozesse optimieren zu können? Wie kann die Initiierung einer Instant-Zahlung erfolgen – Stichworte PSD2 und Schnittstellen? Es muss eine kontinuierliche Kommunikation zwischen den verschiedenen Stakeholdern – Banken, Unternehmen und Vendoren – stattfinden. Denn nur mit einheitlichen Standards lassen sich Mehrwerte für Unternehmen schaffen, die in der Regel mehrere Bankverbindungen im In- und Ausland haben.

Interview: Philipp Scherber