Ethik und Verantwortung im Finanzsektor

Autor: Paul H. Dembinski, Preis: 29,95 €, 97 Seiten, broschiert, ISBN: 978-3-7910-3864-3, Schäffer-Poeschel Verlag


Ethik und der Finanzsektor – was in der aktuellen Zeit wie ein stumpfes Oxymoron wirkt, sind für Paul H. Dembinski zwei Begriffe, die einander bedingen und deren Zusammenspiel in den letzten Jahrzehnten ins Stolpern geraten ist. In seinem Buch „Ethik und Verantwortung im Finanzsektor“ stellt der Initiator des Observatoire de la Finance heraus, warum der Faktor Ethik für die Finanzwirtschaft von so großer Wichtigkeit ist. Verlorenes Vertrauen musste verzeichnet werden, sodass die Branche dazu gezwungen sei, „ihren Platz in Wirtschaft und Gesellschaft sowie ihre Geschäftsmodelle zu überdenken“.

Dembinski beginnt seine Überlegungen mit der Beantwortung der Frage, warum es überhaupt Ethik in der Finanzwirtschaft geben müsse. Der Grund dafür liegt für ihn in den „dreißig euphorischen“ Jahren (seit Mitte der 1970er bis ins Jahr 2007), in denen Ethik und Vorsicht keinerlei Priorität hatten. Deshalb sei die anschließende Krise die Legitimation einer gegenseitigen Erneuerung von Ethik und Finanzwirtschaft. Für seine Forderung gibt er sowohl strukturelle als auch konjunkturelle Gründe an. Strukturell, weil eine durch menschliches Handeln beeinflusste Welt niemals vollständig durch Zahlen ersetzt werden könne und somit stets ein ethischer Rahmen gegeben sein müsse. Konjunkturell, weil es bereits sehr viel Literatur gebe, die sich mit den technischen Fragen der Krise beschäftigt, die Ethik jedoch vergessen werde, da Finanztheorie auf reinem Positivismus basiere. Dieses Vakuum kann Dembinski mit seinen Ausführungen füllen. Dafür betrachtet er die Dilemmata der drei hauptsächlichen Kategorien von Akteuren in der Finanzwirtschaft (Sparer, Investoren und Finanzdienstleister) im Hinblick auf drei ethische Ebenen: auf Makroebene – die gesellschaftsethische Fragestellung, was in der Finanzwirtschaft erlaubt oder verboten ist; auf Mesoebene – die Frage nach den Modalitäten der Ausübung finanzwirtschaftlicher Aktivitäten; auf Mikroebene – der Wegweiser für die drei Hauptgruppen von Akteuren im Kontext ihrer zukünftigen Handlungen. Alleine diese Auflistung zeigt, dass Dembinski keine Lücken in seiner Argumentation zulässt. Seine Analyse ist hochdifferenziert bzw. in manchen Teilen für den philosophischen Laien vielleicht sogar zu detailliert; genannt sei an dieser Stelle eine Unterscheidung von fundamentaler und angewandter Ethik. Bei Letzterer bezieht sich der Autor auf Paul Ricœur, in dessen Ausführungen die Ethik in der Handlung des Subjekts verankert ist, „das nach etwas strebt, aber auch einen durch die Suche nach Kohärenz geprägten Willen besitzt“. Das klingt komplizierter, als es ist. Vieles läuft auf die simple Frage hinaus: Beinhaltet eine Finanzintermediation eine treuhänderische Sorgfaltspflicht des Fachmanns oder ist es schlicht ein trivialer Verkauf? Über solche Fragen denkt der Autor nach, liefert aber gleichzeitig Handlungsmöglichkeiten im Rahmen der vorher skizzierten Dilemmata auf.

Ihm geht es nicht darum, „die Welt zu definanzialisieren, sondern realistische Wege einer Rückkehr zur wirtschaftlichen Vernunft“ aufzuzeigen. Die Suche nach diesem Weg ist insbesondere im Kontext moderner Phänomene wie der Digitalisierung sehr spannend, da diese durch die Entpersonalisierung „zu einer Entwurzelung der Ethik in Unternehmen“ führe. Frei von Redundanzen behandelt Dembinski ein auf den ersten Blick theoretisches Thema, dessen Arm weit in die Praxis hineinreicht. Denn mit einem Bewusstsein für ethisches Handeln kommt die Verantwortung. Des Autors Appell ist „die Überwindung des ‚immer mehr‘“. Hoffentlich hört ihm jemand zu.