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„Vorher hatte man ein intransparentes Stück Plastik”

Barclaycard heißt bald Barclays. Für CEO Tobias Griess ist das auch gut so, denn das Unternehmen stehe für mehr als eine Karte. Im BANKINGNEWS-Interview spricht er über die Zukunft der Kreditkarte, lohnende Kooperationen und darüber, warum er manchmal neidisch auf seine englischen Kolleg:innen ist.


Barclaycard kreditkarte Vorstände im Gespräch

BANKINGNEWS: Dieses Jahr stehen für Barclaycard gleich mehrere besondere Anlässe an. Ein Jubiläum: Sie sind seit 30 Jahren in Deutschland aktiv. Und eine große Veränderung steht im Herbst an: Barclaycard heißt in Zukunft Barclays. Warum sind Sie diesen Schritt gegangen?
Tobias Griess: Schon bei unserem Markteintritt vor 30 Jahren waren wir Teil des Barclays-Konzerns. Zu dem Zeitpunkt gab es aber innerhalb des Konzerns noch eine eigenständige Einheit, die Barclaycard hieß. Daher sind wir auch unter diesem Markennamen in Deutschland gestartet. Mittlerweile haben wir unsere Produktpalette aber über die Karte hinaus signifikant ausgebaut. Wir sind im Einlagengeschäft aktiv, haben das Ratenkreditgeschäft eingeführt, die „Sofortkaufen & Späterzahlen”-Karte auf den Markt gebracht und Ende 2020 die Absatzfinanzierung mit Amazon gestartet. Wir glauben, dass der Name Barclaycard unserem Geschäft einfach nicht mehr gerecht wird. Wir sind mehr als eine Karte und werden deshalb zukünftig unter dem Konzernnamen Barclays auftreten.

Barclaycard wird also irrtümlicherweise häufig als Konkurrenz zu VISA und Mastercard wahrgenommen?
Ja, diese Wahrnehmung ist weit verbreitet und liegt zum einen sicherlich daran, dass wir das Wort „Card“ im Namen tragen, zum anderen an unserem hohen Marktanteil. Wir sind aber kein Wettbewerber zu den Schemes Visa und Mastercard, sondern arbeiten als Herausgeber von Kreditkarten eng mit ihnen zusammen.

Sie haben bereits das Kreditkartengeschäft, Ratenkredit und Absatzfinanzierung erwähnt. Welchen Anteil haben diese Bereiche am Gesamtgeschäft Ihrer Bank?
Das Ratenkreditgeschäft ist in den letzten Jahren überproportional gestiegen. Wenn man auf das Kreditvolumen in unserer Bilanz schaut, liegt der Anteil von Ratenkrediten mittlerweile bei mehr als 50 Prozent. Die Kreditvolumina der Kreditkarten sind in den letzten Jahren auch stetig gestiegen. Aktuell haben wir natürlich eine kleine COVID-bedingte Delle aufgrund des Rückgangs bei Travel und Entertainment zu verzeichnen, weil die Umsätze zurückgegangen sind und Kund:innen ihre Verbindlichkeiten reduziert haben. Hier sehen wir aber bereits den Turnaround, und wir wachsen momentan wieder. Wir haben die Absatzfinanzierung mit Amazon zwar erst im November letzten Jahres gestartet, die Entwicklung verläuft aber sehr vielversprechend.

Aktuell liegt unser Fokus darauf, das Produkt mit Amazon weiter zu verbessern.

Viele Banken haben Angst, dass Big Techs, wie Ihr Kooperationspartner Amazon, ihnen irgendwann das Geschäft streitig machen. Wie sehen Sie das?
Sicherlich sind die großen Technologieunternehmen in der Lage, ähnliche Produkte wie Banken anzubieten. Die Frage ist, ob sie es überhaupt wollen. Hier sind hohe regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Und genau dies ist die Kernkompetenz von Finanzdienstleistern, wie wir es sind. Und die hat sich Amazon durch eine Kooperation mit uns eingekauft.

Ist die Skalierungsidee, das gleiche Geschäftsmodell anderen Händlern anzubieten?
Unbedingt! Allerdings ist unsere Lösung aufgrund der starken Integration und der Individualität eher für größere E-Commerce-Händler ausgelegt. Natürlich schließen wir weitere Kooperationen nicht aus, aber aktuell liegt unser Fokus darauf, das Produkt mit Amazon weiter zu verbessern und das Potenzial der bestehenden Kooperation voll auszuschöpfen.

Kommen wir zurück zur Kreditkarte, die ja immer noch der Nukleus Ihrer Geschäftstätigkeit ist. Barclaycard hat nach eigenen Aussagen die Kreditkarte neu erfunden. Was meinen Sie damit konkret?
Mit unserer „Sofortkaufen & Späterzahlen“-Kreditkarte haben wir einen hybriden Alleskönner auf den Markt gebracht. Mit ihr haben Kund:innen die Möglichkeit, überall zu bezahlen – sei es online oder offline – und sogar Bargeld für ihre Einkäufe abzuheben. Zudem bieten wir unseren Kund:innen mit der Kreditkarte eine am Markt einzigartige Flexibilität, was die Rückzahlungsmöglichkeiten angeht. Unsere Kund:innen können sich bis zu acht Wochen lang frei entscheiden, wie sie zurückzahlen möchten: Alles auf einmal, in flexiblen Teilbeträgen oder festen Raten – und das sogar schon ab 0 Prozent Zinsen und einer Laufzeit von drei Monaten. Und gesteuert wird das alles ganz simpel über die App, die Kund:innen in Echtzeit maximale Transparenz bietet.

Klarna verzeichnet aktuell ein rasantes Wachstum. Ist es nicht ein Leichtes für Sie, da nachzuziehen?
In dem großen „Buy Now – Pay Later“-Markt tummeln sich mittlerweile unzählige Anbieter und viele unserer Wettbewerber, wie zum Beispiel Klarna, bringen sehr gute Angebote an den Start. Wir haben allerdings einen anderen Fokus, weil wir ein händlerunabhängiges Angebot offerieren. Und natürlich gucken sich alle Player die besten Konzepte und Komponenten voneinander ab. N26 hat zum Beispiel eine Ratenkauf-Lösung auf den Markt gebracht, die unserer sehr nahekommt. Die Marktdynamik treibt Innovationen und das ist auch für uns ein Ansporn, immer besser zu werden, um die Nase vorn zu behalten. Und das gelingt uns auch ganz gut.

Die Kreditkarte hatte in Deutschland immer einen schwierigen Stand. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Ich bin manchmal neidisch auf meine Kolleg:innen in den USA und Großbritannien, weil dort die Nutzung der Kreditkarte eine Selbstverständlichkeit ist. Diese Situation haben wir in Deutschland leider nicht. Hier dominiert die Girocard. Dennoch sehen wir, dass die Akzeptanz der Kreditkarte auf Seiten der Händler, aber auch die Nutzung durch den Konsument:innen, gestiegen ist – in jüngster Zeit auch getrieben durch die Pandemie. Immer mehr Nutzer:innen erkennen und schätzen die diversen Vorteile der Kreditkarte, eben weil sie die Themen Bezahlen und Finanzieren vereint. Darüber hinaus hat sie im Ausland eine viel höhere Akzeptanz als die Girocard.

Wobei der revolvierende Kredit zuletzt bei Verbraucherschützer:innen in der Kritik stand, Stichwort Verschuldungsgrad.
„Responsible Lending“ ist für uns ein wichtiges Thema, denn es ist niemandem geholfen, wenn Kredite ausgegeben werden, die Kund:innen nicht bedienen können. Deswegen steht bei uns am Anfang auch immer eine sorgfältige Bonitätsprüfung. Der revolvierende Kredit auf der Karte ist eher geeignet für kurz- bis mittelfristige und flexible Finanzierungen. Aber egal für welches Finanzierungsmodell sich eine Kundin oder ein Kunde bei uns entscheidet – wir unterstützen sie oder ihn dabei, den Überblick über Ausgaben und Fälligkeiten zu behalten. Dabei hilft ihnen unsere App, die transparente Einblicke in seinen Status ermöglicht – in Echtzeit. Sollte es doch mal passieren, dass Kund:innen ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, setzen wir uns jeweils mit ihnen in Verbindung und besprechen individuelle Lösungsmöglichkeiten.

Die Kreditausfälle, die wir befürchtet hatten, sind gar nicht eingetreten.

Durch die Corona-Krise waren viele in Kurzarbeit oder arbeitslos. Sehen Sie da ein erhöhtes Risiko?
Das war die initiale Befürchtung. Zu Beginn waren alle verunsichert: Was bedeutet das für die Kund:innen und welche Auswirkungen hat das auf unser Geschäft? Wir haben dann aber ziemlich schnell festgestellt: Die Kreditausfälle, die wir befürchtet hatten, sind gar nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil. Da viele Kund:innen aufgrund der coronabedingten Restriktionen keine Möglichkeit mehr hatten, zu reisen oder Geld in Restaurants auszugeben, sind Verbindlichkeiten sogar schneller abgebaut worden. Das hat dann insgesamt das Risiko im Bestand reduziert.

Der Bürostandort von Barclaycard in der Gasstr. in Hamburg-Bahrenfeld.

Wie kann die Kreditkarte in Deutschland noch attraktiver gemacht werden?
Wir als Banken und Issuer müssen die Konsument:innen noch stärker darüber aufklären, welche Vorteile die Kreditkarte hat und ihnen die Hemmungen nehmen, sie im Alltag zu nutzen. In den USA und Großbritannien ist es völlig normal, kleinere Beträge mit der Kreditkarte zu bezahlen. In Deutschland hat man da automatisch ein schlechtes Gewissen. Schließlich wurde uns über Jahrzehnte vom Handel eingeprägt: Bitte nicht die Kreditkarte benutzen, am besten Cash. Durch die Corona-Pandemie haben das bargeldlose und auch das kontaktlose Bezahlen erfreulicherweise an Relevanz gewonnen und zu einer erhöhten Nutzung der Kreditkarte geführt. Und auch die App als Ergänzung zur Karte sorgt für steigende Akzeptanzraten. Vorher hatten Kund:innen ein intransparentes Stück Plastik. Die App sorgt für die notwendige Klarheit: Was habe ich wofür ausgegeben und kann ich mir das überhaupt leisten?

Bis 2050 wollen wir in allen Bereichen eine Net-Zero-Bank werden.

Konnten Sie während der Corona-Pandemie tatsächlich einen Anstieg bei der Kreditkartennutzung beobachten?
Erfreulicherweise ja. Im Bereich E-Commerce haben wir große Steigerungen verzeichnet und sehen hier einen anhaltend positiven Trend. Aber andere Kategorien, wie Ausgaben im Bereich Travel und Entertainment, sind coronabedingt zeitweise komplett weggebrochen. Mit dem behutsamen Aufheben der Corona-Restriktionen sehen wir jetzt, dass diese Bereiche langsam wieder anziehen.

Ein Thema, das aktuell stark im Fokus steht, ist Nachhaltigkeit. Ihr Mutterkonzern will bis 2050 eine Net-Zero-Bank werden. Ist das nicht etwas zu lange hin?
Richtig ist, dass der Konzern bereits bis 2030 eine Net-Zero-Bank in Bezug auf unsere direkten Emissionen und die indirekten Emissionen aus dem Verbrauch von Wärme und Elektrizität werden will. Bis 2050 wollen wir dann in allen Bereichen eine Net-Zero-Bank werden. Das schließt auch Emissionen mit ein, die im Rahmen unserer Finanzierung von Geschäftstätigkeiten über alle Branchen und Regionen hinweg entstehen. Diese konzernweiten Bemühungen unterstützen wir als deutsche Einheit durch Kooperationen, wie zum Beispiel mit der Hamburger Loki-Schmidt-Stiftung. Bei dieser geht es darum, die Elbtalauen zu erhalten. Dort haben wir schon 15.000 Bäume gepflanzt. Außerdem kooperieren wir mit der Barclaycard Arena und pflanzen Bäume für jeden Star, der dort auftritt. Dadurch soll ein Mischwald entstehen.

Interview: Thorsten Hahn und Daniel Fernandez

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