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„Wir finanzieren ein Grundbedürfnis der Menschen“

1896 als Hypothekenbank für die bayerische Landwirtschaft gegründet, ist die MünchenerHyp heute eine internationale Immobilienbank. Vorstandsmitglied Ulrich Scheer über das Geschäft per Plattform, genossenschaftlichen Wettbewerb, grüne Anlagen und die Gefahr einer Immobilienblase.


Plattformen „Wir finanzieren ein Grundbedürfnis der Menschen“

BANKINGNEWS: Die Münchener Hypothekenbank (MünchenerHyp) ist eine der mitgliederstärksten Genossenschaftsbanken und eine der wenigen eigenständigen Immobilienbanken in Deutschland. Wie würden Sie Ihr Geschäftsmodell genau beschreiben?
Ulrich Scheer: Wir sind spezialisiert auf die langfristige Finanzierung von Wohn- und Gewerbeimmobilien. Die Wohnimmobilienfinanzierung für Privatkunden macht ungefähr zwei Drittel unseres Geschäfts aus. Man könnte sagen, wir sind ein Monoliner. Das Aktivgeschäft refinanzieren wir am Kapitalmarkt vorwiegend über die Emission von Hypothekenpfandbriefen. Im Privatkundengeschäft machen wir wiederum zum überwiegenden Teil vermitteltes Geschäft über die Banken der Genossenschaftlichen FinanzGruppe. Der andere Teil der Vermittlung geschieht über freie Finanzierungsvermittler und deren Plattformen. Der dritte Zweig ist das Geschäft in der Schweiz. Dort ist die PostFinance unser Vermittlungspartner. Insgesamt verteilt sich unser Privatkundengeschäft zu zwei Dritteln auf die Volks- und Raiffeisenbanken, 20 Prozent Schweiz und der Rest ist Plattformgeschäft.

War der Anteil des nicht durch die Genossenschaftliche FinanzGruppe vermittelten Geschäfts immer schon vorhanden oder ist er erst durch die Plattformen angestiegen?
Das ist tatsächlich stark durch die Plattformen gekommen. Allerdings macht die MünchenerHyp das schon seit bald 15 Jahren, weil wir erkannt haben, dass sich die Marktanteile des Vertriebs über Filialen und über Plattformen annähern. Wenn man sich das gesamte Volumen am deutschen Markt für private Wohnungs- oder Hausfinanzierung vor Augen führt, ist es inzwischen so, dass nur noch gut die Hälfte über den klassischen Bankvertrieb vermittelt wird. Das heißt, der Wohnimmobilienfinanzierungsmarkt ist beinahe zur Hälfte ein Plattformmarkt. Und wenn wir als Finanzierer von Wohnimmobilien dabeibleiben wollen und wir zusätzliche Kunden für die Genossenschaftliche Finanzgruppe gewinnen wollen, gilt es, sich dem als Bank zu öffnen.

Könnte nicht der Gedanke aufkommen, dass die Plattformen den Genossenschaftsbanken die Kunden wegnehmen?
Das sehe ich so nicht. Durch unsere Aktivitäten auf den Plattformen halten wir vielmehr die Kunden in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe. Außerdem ist der Plattformmarkt so groß, dass er Chancen für alle bereithält. Im Übrigen planen wir, diese Chancen verstärkt gemeinsam mit den VR-Banken wahrzunehmen. So arbeiten wir zum Beispiel derzeit an einem standardisierten Angebot für Kombinationsfinanzierungen. Das bedeutet, wir streben an, mit interessierten VR-Banken auf den Plattformen gemeinsame Finanzierungslösungen aus Erstrang MünchenerHyp und Nachrang VR-Bank anzubieten. Diese können dann in unserem vereinfachten Verfahren eingereicht werden. Wir denken zudem noch über weitere Möglichkeiten nach, wie wir unseren genossenschaftlichen Partnerbanken selbst zu mehr Erfolg im Plattformgeschäft verhelfen können.

Die ökologische und soziale Transformation wird von Banken bezahlt.

Steht der Wettbewerbsgedanke nicht doch manchmal im Weg?
Wettbewerb kann man sportlich betrachten und solange es zu hohen Leistungen animiert, ist es ja auch in Ordnung. Aber ich betone nochmal: Wir versichern den Volks- und Raiffeisenbanken, dass die Konditionen, die wir ihnen stellen, niemals schlechter sind als die, die wir den Plattformen stellen. Es ist im Geschäftsmodell so vereinbart, dass die Volks- und Raiffeisenbanken die Konditionen steuern können. Und das ist auch richtig und wichtig so, weil sie im regionalen Markt sehen, wie die Konkurrenzsituation ist und worauf sie reagieren müssen.

Sie sind seit September 2021 Vorstandsmitglied (CFO) bei der MünchenerHyp. Ihre Verantwortung liegt neben dem Rechnungswesen hauptsächlich bei der IT. Eine Mammutaufgabe?
Eine Mammutaufgabe würde ich es nicht nennen. In den Universalbanken oder Wholesale-Banken ist die IT-Landschaft deutlich komplexer. Da sind wir im Vorteil. Hinzu kommt das Thema Rechnungswesen. Wir sind typischerweise Aufwandstreiber für die IT. Allerdings schließen wir nach HGB ab und nicht nach IFRS, das reduziert zusätzlich die Komplexität. Wir sind eine Bank, die keine Zahlungsverkehrsleistungen als Dienstleistung anbietet und keinen Eigenhandel betreibt, auch das reduziert Komplexität. In meiner persönlichen Erfahrung und aus IT-Perspektive ist das alles durchaus handhabbar.

Und aus Nicht-IT-Perspektive?
Was es anspruchsvoll macht, ist der Wettbewerb im Mengengeschäft. Das ist anders als bei Wholesale-Banken. In der Privatimmobilienfinanzierung gibt es einen, wie wir durchaus bemerken, sehr scharfen Wettbewerb und das auch gruppenintern. Ich denke, das kommt den Primärinstituten auch entgegen, weil es im positiven Sinne dazu führt, dass man als Verbundpartner immer besser wird. Wir haben die Anforderung, dass unser Kreditprozess extrem wettbewerbsfähig sein soll. Es kommt dabei auf die konkrete Gestaltung des Prozesses an. Wie schnell kann ich einem potenziellen Kunden sagen, ob er die Finanzierung bekommt? Wie schnell kann ich ihm einen Vertrag zuschicken und wann kriegt er die Auszahlung? Mit Künstlicher Intelligenz, einer vernünftigen Datenbank und Zugang zu Daten können wir heute in Minutenschnelle eine Kreditentscheidung treffen.

Machen Sie das schon? Seit kurzem gibt es ja den Sofortkredit in der Baufinanzierung.
Als ich die Schlagzeile dazu gelesen habe, musste ich ein bisschen schmunzeln. Technisch ist es bei uns im Einsatz. Natürlich hat es einen gewissen Anspruch, sonst hätte es ja jeder. Es stellt sich dennoch die Frage, inwieweit Kunden das wollen. Denn in der Praxis sehe ich nicht häufig, dass Kunden derart kurzfristige Kreditentscheidungen benötigen. Der zweite Punkt ist aber noch viel wichtiger. Selbst wenn der Kunde das Bedürfnis hat, entwickelt er aber noch nicht zwingend einen Bedarf. Bedarf würde bedeuten, er ist bereit, seine Daten dafür zu teilen. Bei der Erprobung dieses Tools haben wir festgestellt, dass die meisten Privatkunden zu Hause am Rechner an der Stelle „Datenfreigabe“ abbrechen. „Datenfreigabe“ heißt konkret, dass wir über die PSD2-Schnittstelle Zugang zum Konto bekommen und dann anhand der Kontobewegungen die Kapitaldienstfähigkeit, sprich die Bonität, analysieren würden. Und da sind die meisten ausgestiegen. Wir haben vor Kurzem mit der Interhyp einen aufschlussreichen Pilottest unternommen, bei dem Kunden in dem Prozess begleitet wurden. Und wir sehen: Begleitet fällt die Entscheidung tatsächlich auf Banken- und Kundenseite sehr schnell.

Trotzdem müssen Kunden manchmal wo-chenlang auf eine Kreditentscheidung warten. Halten Sie den Sofortkredit in der Baufinanzierung da nicht für sinnvoll?
Wir haben vergangenes Jahr eine Marktanalyse gemacht und festgestellt, dass es noch keine IT-Lösung für den Immobilienfinanzierungsprozess gibt. Ich fand das selbst überraschend. Meine Interpretation ist auf der einen Seite, dass der Prozess nicht so trivial ist, wie er von außen aussieht. Auf der anderen Seite müssen wir die Verbraucher auf mögliche Risiken beim Kredit hinweisen. Wir haben im Rahmen der Analyse für uns entschieden, dass wir die Digitalisierung des Kreditprozesses in allen Varianten unter eigener Ägide weiterentwickeln. Punktuell lassen wir uns extern helfen.

Der Wohnimmobilien­finanzierungsmarkt ist zur Hälfte ein Plattformmarkt.

Würden Sie es in Erwägung ziehen, in der Gruppe zu kooperieren?
Meines Erachtens können und sollten wir das sicherlich in den nächsten Jahren noch mehr machen. Ich würde vor allen Dingen dort anfangen, wo wir als Gruppe im Wettbewerb zu anderen Gruppen stehen. Da muss man gemeinsam stark sein, so wie es im Genossenschaftsprinzip verankert ist.

Die Münchener Hypothekenbank wurde 1896 als „Bayerische Landwirthschafts-bank“ gegründet. Besinnen Sie sich im Zuge des Nachhaltigkeitsbooms wieder verstärkt Ihrer Wurzeln?
Die MünchenerHyp war die erste, die einen ESG-Pfandbrief aufgelegt hat. Das fand ich interessant. Die Bank hat sich also 2014 schon intensiv mit dem Thema befasst, während die Welt noch wenig darüber gesprochen hat. In ihren 125 Jahren war sie stets in der Lage, sich selbst zu finanzieren, ohne irgendwann den „weißen Ritter“ zu brauchen. Als Finanzvorstand kann ich dies auch klar unserer Bilanz entnehmen. Das ist das Ergebnis nachhaltigen Unternehmertums mit einem soliden und langfristigen Bestand an Darlehen.

Was ist an Nachhaltigkeit „drin“, wo bei einer Münchener Hypothekenbank Nachhaltigkeit „draufsteht“?
Auf der Passivseite haben wir, wie gesagt, 2014 den ersten ESG-Pfandbrief begeben und emittieren auch weiterhin Pfandbriefe oder Schuldscheindarlehen. Was wir ehrlicherweise sagen müssen, ist, dass der Pfandbriefmarkt dies bislang nicht angemessen honoriert. Es gibt nur einen sehr geringen oder eigentlich keinen finanziellen Vorteil. Das ist ein bisschen schade. Beim Pfandbrief haben wir die Deckungsmasse und das ist im Pfandbriefgesetz so geregelt, dass sich das gut überprüfen lässt. Insofern, wenn auf einem Pfandbrief „grün“ steht, dann ist auch grün drin. Darauf kann sich jeder Anleger verlassen.

Aber dennoch fördern Sie grüne Anlagen?
In der Wohnimmobilienfinanzierung vergeben wir grüne Darlehen und Familiendarlehen, die man auch zum grünen Familiendarlehen kombinieren kann. Beim grünen Darlehen finanzieren wir den Kauf von Immobilien, die den KfW 55 Standard erfüllen. Wenn das zu finanzierende Objekt diese Standards erfüllt, gibt es bei uns einen Zinsabschlag. Das gleiche gilt für das Familiendarlehen. Damit unterstützen wir Familien mit einem Kind und einem Haushaltsnettoeinkommen von bis zu 60.000 Euro – und zwar unabhängig vom Familienstand. Für jedes weitere Kind steigt die Grenze um 10.000 Euro. So unterstützen wir nachhaltiges Bauen und Wohnen. Im Moment gilt dabei für uns Banken: Wir bezahlen die soziale und ökologische Transformation. Nicht der Staat, nicht der Kapitalmarkt, nicht der Anleger. Der Staat, auch indirekt die Europäische Zentralbank als größter Anleger am Kapitalmarkt in Europa, akzeptiert keinen Abschlag bei Pfandbriefen.

Die Blase im privaten Wohnimmobilienmarkt sehe ich nicht.

Das Neugeschäft in der privaten und gewerblichen Immobilienfinanzierung stieg bis Ende September 2021 auf 4,8 Milliarden Euro. Immobilienboom und Niedrigzinsphase sei Dank?
Die Preisentwicklung, die wir seit Jahren beobachten, ist durchaus eine Folge der Niedrigzinspolitik. Niedrige Zinsen führen ja nicht dazu, dass Haus- und Wohnungskäufer weniger zahlen. Sie zahlen als Kaufpreis mehr, der Zinsdienst ist zwar relativ betrachtet niedriger, absolut aber eher nicht. Der zweite Effekt ist, dass wir aufgrund der Niedrigzinspolitik der EZB, kombiniert mit der Staatsfinanzierung, dem Aufkaufen der Staatsschulden und der Ausweitung der Geldmenge, eine Geldschwemme haben. Das Faszinierende ist, dass die Bevölkerung im Durchschnitt so viel Geld hat wie nie zuvor. Und für das Geld gibt es als sinnvolle Anlagemöglichkeiten Aktien und Immobilien. Die logische Folge ist, dass die Preise von Aktien und Immobilien in den letzten Jahren gestiegen sind.

Sehen Sie hier nicht auch ein Risiko, dass sich der Markt langsam abkühlt?
Unseres Erachtens ist der Immobilienmarkt, trotz allem, kein spekulativer Markt. Und wir als MünchenerHyp finanzieren auch keine Spekulanten, sondern ein Grundbedürfnis der Menschen. Im europäischen Vergleich ist die Eigentumsquote in Deutschland immer noch unterproportional. Zudem findet in den Metropolregionen eine andere Entwicklung statt. Die Städte wachsen, die Bevölkerung in Deutschland in Summe aber nicht. Wenn die Bevölkerung weiter wächst, ist es plausibel, dass die Nachfrage nach Wohnraum in den relevanten Regionen auch stärker wächst. Dann hängt es vom Angebot ab, wie stark der Preis steigt. Ob sich der Anstieg reduzieren lässt, hängt davon ab, inwieweit EZB und Politik mit ihren Maßnahmen Einfluss nehmen können. Dass wir einen Einbruch sehen, glaube ich aber nicht. Die berühmte Blase im privaten Wohnimmobilienmarkt sehe ich definitiv nicht.

Interview: Thorsten Hahn und Laura Kracht

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