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„Die Kunden sollen uns als Lösungsanbieter betrachten“

Die OstseeSparkasse Rostock (OSPA) ist eine der erfolgreichsten deutschen Sparkassen. Im Interview mit BANKINGNEWS spricht der Vorstandsvorsitzende Bernd Brummermann über wichtige Assets, die strategische Ausrichtung und vielversprechende Ansätze für eine aussichtsreiche Zukunft der OSPA.


Bernd Brummermann OstseeSparkasse Rostock Kunden Beratung Interview

BANKINGNEWS: Herr Brummermann, Sie haben Herrn Frank Berg nach fast 30 Jahren an der Spitze der OstseeSparkasse Rostock abgelöst. Wie viel seiner Geschäftsphilosophie haben Sie übernommen?
Bernd Brummermann: Herrn Berg habe ich noch persönlich kennengelernt, als klar war, dass ich zur OSPA kommen werde. Und da bin ich auch mit ihm über seine Geschäftsphilosophie und seinen Ansatz für die Ausrichtung der Sparkasse ins Gespräch gekommen. Dieser strategischen Ausrichtung stimme ich zu 95 Prozent zu. Als ich dann zur OSPA gekommen bin, habe ich mit meinem Vorstandskollegen überlegt, was wir an der strategischen Ausrichtung eigentlich ändern müssen. Und das Ergebnis war, dass wir gar nichts ändern. Weil sie genau richtig ist.

Und wie sieht diese konkret aus?
Die OSPA ist und bleibt eine absolute Vertriebs-Sparkasse. Das behauptet jede Sparkasse von sich, ich weiß. Aber bei der OSPA würde ich das so unterschreiben. Ein großer Anteil unserer Mitarbeiter ist im Vertrieb aktiv. Auch unsere Stabs- und Steuerungsabteilungen sind darauf ausgerichtet, Vertrieb nicht nur zu denken, sondern auch entsprechend zu unterstützen. Auf der anderen Seite steht die Frage, inwieweit die Kundenzentrierung im Vertrieb selbst empfunden wird. Wir haben eine riesige Kundenbasis, wie alle Sparkassen. Grundsätzlich ist das Potenzial also da.

Wie lässt sich dieses Potenzial heben?
Das funktioniert heutzutage nur durch Aktivität. Wenn ich darauf warte, dass der Kunde zu mir kommt, dann werde ich als Sparkasse vielleicht noch ein paar Jahre überleben. Aber das ist weder meine persönliche Ausrichtung noch die der OSPA. Aktives Zugehen auf den Kunden ist etwas, was hier im Haus etabliert ist und was im Vertrieb auch gemacht wird. Ich habe im vergangenen Jahr alle Filialen besucht und war positiv überrascht, wie voll sie sind. Es heißt ja immer, in Sparkassen gehe nur zweimal am Tag die Tür auf, einmal vom Postboten und einmal vom Wind (lacht). So sieht das bei uns nicht aus, trotzdem kommen die Kunden natürlich auch nicht mehr in Scharen zu uns. Darum müssen wir aktiv auf die Kunden zugehen und sie persönlich oder digital abholen.

Setzen Sie auf aktiven Vertrieb oder beraten Sie Kunden eher in ihrem finanziellen Gestaltungsspielraum?
In Vertrieb und Beratung besteht aus unserer Sicht kein Widerspruch. Wir als OSPA verstehen uns als langjähriger Partner unserer Kunden. Uns geht es also nicht um das schnelle Geschäft, sondern wir wollen der lebenslange Partner des Kunden sein. Wenn er alle finanziellen Entscheidungen mit uns bespricht, gibt uns das die Chance, ihn dabei zu unterstützen. Egal ob Baufinanzierung, Versicherungen, Wertpapiere, Kredite, alles soll bei uns im Haus passieren. Das ist unser Finanzkonzept, wonach wir auch beraten. Wir halten stark an den Zielen, Bedürfnissen und Wünschen des Kunden fest. Auf der Filialtour habe ich mir das Konzept in Aktion angesehen. Wir haben mit einer Kollegin und dem zuständigen Vertriebsleiter ein solches Finanzkonzept-Gespräch durchgeführt. Danach war ich überzeugt, dass das Geld, das wir dafür ausgeben, genau richtig angelegt ist.

Geld für eine Software oder Investitionen in Form von Zeit?
Geld für eine Beratungssoftware, mit der unsere Berater die Kunden besser analysieren können.

Sie wollten mit Amtsantritt auch das Thema personalisierte Digitalisierung einführen. Hat das damit zu tun?
Es ist definitiv ein Bestandteil davon. Unter Digitalisierung verstehen wir aber mehrere Dinge. Wir werden in 2022 ungefähr die Hälfte der Filialen mit digitalen Beratungsmöglichkeiten ausgestattet haben, denn unsere Philosophie ist, dass der Berater, den der Kunde schon seit vielen Jahren kennt oder in den nächsten Jahren kennen soll, befähigt wird, digital zu beraten. Und wenn der Kunde beim nächsten Mal entscheidet, doch wieder in die Filiale zu gehen, dann kommt er eben in die Filiale und wird dort persönlich beraten. Das verstehe ich unter personalisierter Digitalisierung. Wir verbinden immer beides, das Persönliche und das Digitale. Auch der Adressenverschleiß durch Mailings gehört dank Data Analytics der Vergangenheit an. Wir Sparkassen sitzen auf einem unermesslichen Datenberg. Aber wir haben ihn in den vergangenen Jahren längst nicht so genutzt, wie man ihn hätte nutzen können. Über Data Analytics werden solche Kampagnen heute viel zielgenauer.

Welche weiteren Aspekte fallen für Sie unter personalisierte Digitalisierung?
Ein weiterer Aspekt findet innerbetrieblich statt. Hier steht die Zusammenarbeit im Fokus. Natürlich haben wir durch Corona unsere Mitarbeiter – wann immer möglich – dazu angehalten, mobil beziehungsweise von zu Hause zu arbeiten. Wie können wir digital im Büro zusammenarbeiten? Wir haben ein innerbetriebliches Kollaborationstool. Also nicht nur ein Intranet für Informationen, sondern hier können hochgeladene Dateien kommentiert, geteilt oder geliked werden. Alle Kollegen kommunizieren dort vorrangig über Blogeinträge und eigene Communities zu sämtlichen Themen innerhalb der OSPA. So gibt es auch einen Vorstandsblog, über den ich beispielsweise alle Mitarbeiter an meinem ersten Tag adressiert habe, anstelle einer Rundmail ans Gesamthaus.

Ihre Sparkasse ist, gemessen an der durchschnittlichen Cost-Income-Ratio der letzten Jahre, eine der erfolgreichsten deutschen Sparkassen. Wie sehen Sie hier die künftige Entwicklung?
Unser Ziel ist, weiterhin auf Kurs zu bleiben. Wir werden für das Jahr 2021 eine Cost-Income-Ratio von ungefähr 52 schreiben. Damit dürften wir immer noch weit vorne liegen. Und wir haben einkalkuliert, dass sie in den nächsten zwei oder drei Jahren etwas schlechter wird. Jetzt muss man dazu sagen, dass wir nicht der Weltmeister im Sparen sind. Daher rührt unsere gute Cost-Income-Ratio nicht, sondern wir sind auf der Ertragsseite stark. Das heißt, wir haben schon in der Vergangenheit investiert und ein Filialnetz aufrechterhalten, was wir jetzt weiter ausbauen und modernisieren. Wir achten sehr wohl darauf, wie und wofür wir Geld ausgeben, aber wir investieren auch in Personal, Filialen, Modernisierungen, Umbauten und Digitalisierung.

Warum kommen nicht alle Sparkassen-Vorstände nach Rostock, lassen sich von Ihnen eine Blaupause mitgeben und machen es in ihren Häusern genauso?
Also ich kann keinen Ratschlag an andere Bank- oder Sparkassenvorstände geben, wie sie am besten in ihren Häusern vorgehen. Jedes Haus muss seinen eigenen Weg finden und gehen. Auf der Kostenseite kann man natürlich einiges tun, aber das ist ja endlich. Und dann schließe ich hier noch einmal drei Filialen und dort noch einmal fünf und was mache ich dann zum Schluss? Dann habe ich meine Kostenoptimierung bis zur Endlichkeit gezogen. Es gilt also, das vorliegende Potenzial auszuschöpfen. Und im Falle der Sparkassen liegt dies vor allem in den Kunden. Wir sprechen regelmäßig mit bis zu 30 Prozent unserer Kunden. Damit liegen wir im Sparkassen-Vergleich sehr gut. Aber das bedeutet auch, dass wir noch 70 Prozent Potenzial haben. Das ist doch der helle Wahnsinn. Und wenn ich nur 5 Prozent mehr schaffen würde, hätte dies bereits massiven Einfluss auf den Ertrag.

Wir verbinden immer beides, das Persönliche und das Digitale.

In der Studie „Perspektiven der Bancassurance in Deutschland“ haben wir herausgefunden, dass rund ein Drittel der Kunden von ihrer Bank nicht auf Vorsorge- und Versicherungslösungen angesprochen wurden, obwohl der Wunsch besteht. Sie bestätigen diese Aussage nun. Klafft in der Beratung eine Lücke?
Ja, das sehen wir auch so. Und deshalb haben wir schon seit einigen Jahren das Kompetenzfeld „Absicherung und Vorsorge“. Ich würde es als Vertriebsunterstützung und Vertriebseinheit in einem beschreiben. Wir haben Spezialisten, die in die Vorsorge- und Versicherungsberatung reingehen und mit Kunden ins Gespräch kommen. Und in diesem Gespräch werden alle Versicherungsprodukte angesprochen. Neben diesem Kompetenzfeld haben wir vier weitere: Baufinanzierung und Immobilien, Vermögen, Firmenkunden und Modern Banking. Das sind alles eigenständige Einheiten, weil das genau die Angriffspunkte sind, bei denen sich in Zukunft die Erträge erwirtschaften lassen.

Aber wenn der Kunde Beratung möchte, wieso eröffnet man dann nicht kostengünstigere Beratungsbüros?
Ob nun Beratungsbüro oder Filiale, es geht vor allem um Aktivität. Aktivität heißt, ich muss den Kunden ansprechen. Und in einem Beratungsbüro verliere ich eine Kontaktmöglichkeit, weil der Kunde nicht für die gängigen Service-Dienstleistungen vorbeikommt. Deshalb sprechen wir die Kunden aktiv im SB-Bereich an. Dieser Bereich ist bei der OSPA baulich bewusst nicht vom Rest der Filiale getrennt.

Also ein Ein-Zonen-Konzept?
Genau. So sehen unsere Mitarbeiter, wenn ein Kunde am Geldautomaten steht oder einen Kontoauszug zieht und können ihn dort ansprechen. Die Kontakte werden zwar weniger, aber sie sind immer noch da. Und in einer Stückzahl, die sich lohnt. Wir haben deshalb eine eigene Einheit gegründet. Die nennen sich Kontakter. Die Kollegen haben die Aufgabe, gezielt Menschen anzusprechen. Sowohl bei Messen und großen Veranstaltungen als auch im SB-Bereich unserer Filialen. Wie der Kunde das aufnimmt, ist jedoch von der Art der Ansprache abhängig. Unsere Leute sind Kontaktprofis und schaffen es, den Kunden auf intelligente und empathische Art anzusprechen. Es geht nicht darum, am Geldautomaten direkt Produkte abzuschließen, sondern es geht um Terminvereinbarungen und um das Generieren der Gespräche.

Sie verstehen Beratung als Erlebnis. Wie sieht das in der Praxis aus?
Wir wollen eine langfristige Kundenbeziehung und nicht diesen schnellen, einfachen Abschluss. Die Kunden sollen uns als Lösungsanbieter betrachten. Ich sage immer, wir sind Wunscherfüller. Wenn ein Kunde ein Auto, ein Haus oder einen anderen Lebenstraum finanzieren möchte, dann helfen wir ihm, diesen Wunsch zu erfüllen. Wenn er regelmäßig für die Altersvorsorge spart oder Risiken absichert, dann sind das Bedürfnisse, die wir mit ihm verwirklichen. Dann ist der Kontakt zum Berater auch ein positives Erlebnis. Also Erlebnis meint keinesfalls, dass wir hier Zaubertricks machen, sondern dass wir die Probleme des Kunden lösen. Und das funktioniert am besten mit einer langfristigen Begleitung. Die OSPA ist hier in Rostock und im umliegenden Landkreis eine Marke. Es gibt kaum eine Veranstaltung, auf der wir nicht irgendwie vertreten sind. Wir spenden an Organisationen und machen Sponsoring. Das heißt, die OSPA ist präsent und wenn der Kunde das spürt, hat er ein rundum gutes Gefühl. Das bedeutet auch unser Slogan „Echt von hier. Nah bei mir. Meine OSPA“.

Ob nun Beratungsbüro oder Filiale, es geht vor allem um Aktivität.

Wie gestaltet sich bei Ihnen die Zusammenarbeit zwischen Immobilienabteilungen und Bank?
Baufinanzierung, Maklerei und Bausparen bilden bei uns ein eigenes Kompetenzfeld und werden gegenseitig entsprechend bespielt und unterstützt. Wir sind in Mecklenburg-Vorpommern der größte Makler. Es gibt nur ein begrenztes Angebot von Objekten, die wir vermitteln können. Auf der anderen Seite gibt es eine gewaltige Nachfrage. Das führt zu einem Preisanstieg. Man muss sagen, in Rostock ist der Preisanstieg schon deutlich zu merken und mit jedem Meter, den Sie näher an die Ostsee kommen, wird es entsprechend teurer. Man muss also auch in den Kundengesprächen genau ausloten, was sich der Kunde leisten kann. Natürlich locken zurzeit die niedrigen Zinsen, aber man muss ja auch einmal 20 Jahre weiter schauen. Wir sind natürlich schon rein aufsichtsrechtlich dazu verpflichtet, so weit zu rechnen. Aber wir sehen das auch als unsere Verantwortung an. Wir betätigen uns zudem auch als Grundstücksentwickler. Wir nehmen da aber Niemandem etwas weg, da wir oft in Grundstücke investieren, die ein anderer gar nicht nehmen würde, weil die Entwicklung zu lange dauert. 2021 haben wir 55 Grundstücke in den Vertrieb gegeben und für die Entwicklung gesorgt. Und 2022 wollen wir in Rostock eine Fläche entwickeln, mit der wir mindestens 100 Grundstücke an unsere Kunden vermitteln können.

Was macht die Region Rostock für Sie aus, privat wie geschäftlich?
Um es ganz einfach zu formulieren: Ich darf da arbeiten, wo andere Urlaub machen (lacht). Ich halte Rostock und Umgebung für eine Zukunftsregion. Zukunft hört sich immer so weit weg an. Aber sie beginnt heute. Wir sind Hansestadt, Universitätsstadt und Kulturstadt mit Musikhochschule. Wir sind eine Sportstadt mit fünf Vereinen in verschiedenen Sportarten in der zweiten Liga. Und von der wirtschaftlichen Entwicklung her sehe ich das genauso. Wir haben hier eine maritime Wirtschaft, im Landkreis aber auch eine starke Landwirtschaft. Auch Windkraft und Wasserstoff kommen aus der Region. Und wir haben einen diversifizierten Mittelstand. Genauso sind wir als OSPA breit aufgestellt und wollen in all diesen Feldern entsprechend unterstützen.

Interview: Thorsten Hahn und Laura Kracht

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