Das Versprechen thematischer Sanktionen

Immer mehr Länder führen thematische Sanktionen nach dem Vorbild des Global Magnitsky Sanctions Program ein. Doch obwohl die USA, die Europäische Union und das Vereinigte Königreich hier gemeinsame Ziele verfolgen, bleiben die Sanktionslisten weiterhin uneinheitlich.


Parradee Kietsirikul via Getty Images

Die Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen und Korruption ist in den Fokus internationaler Zusammenarbeit gerückt – und das aus gutem Grund. Finanzinstitute und internationale Unternehmen stehen bei der Umsetzung von Sanktionen an vorderster Front. Sie müssen bedenken, dass der Umgang mit sanktionierten Unternehmen einerseits regulatorische Risiken mit sich bringt. Andererseits sollten sie auch die potenziellen Auswirkungen auf ihr Geschäft und ihren Ruf berücksichtigen, wenn sie mit solchen Entitäten in Verbindung gebracht werden.

Strategische Handlungsfähigkeit gestärkt

Menschenrechtsverletzungen auf lokaler Ebene waren lange Zeit ein Grund für die Verhängung länderspezifischer Sanktionen. Mit dem Global Magnitsky Human Rights Accountability Act von 2016 führten die USA als erstes großes Land ein globales thematisches Sanktionsprogramm ein. Der Name geht auf den russischen Steueranwalt Sergei Magnitsky zurück. Er wurde von russischen Beamten festgenommen, nachdem er Korruption in Russland aufgedeckt hatte.

Die größten Vorteile thematischer Sanktionen bestehen darin, dass sie zum einen die internationale Sanktionierung von Personen, Unternehmen und Organisationen möglich machen und somit Spielraum für die Anwendung aufgrund bestimmter Verstöße bieten. Zum anderen wird die strategische Handlungsfähigkeit gestärkt, da nicht für jedes neue Problem auch ein neues Rechtsinstrument erforderlich ist. Zum Beispiel haben die Europäische Union, das Vereinigte Königreich, Kanada, Estland und Litauen nach dem Vorbild der USA bereits eigene Magnitsky-ähnliche Sanktionen eingeführt.

Man könnte erwarten, dass bei den aufgeführten Zielen ein gewisses Maß an Angleichung zu sehen ist. Tatsächlich besteht jedoch ein beachtliches Maß an Divergenz. Die von LexisNexis® Risk Solutions 2022 erfassten Daten bestätigen dies. Betrachtet man die insgesamt 749 unter den Sanktionsprogrammen im Bereich Menschenrechte und Korruption der EU, der USA und des Vereinigten Königreichs gelisteten Einträge, werden nur etwa drei Prozent von ihnen von zwei der drei Regulierungsbehörden aufgeführt.

Weniger als ein Prozent der Einträge – in absoluten Zahlen fünf – werden von allen drei Regulierungsbehörden aufgelistet. Prüft man die konkreten Ziele der EU, des Vereinigten Königreichs und der USA, so ist der erste interessante Befund, dass die Gesamtzahl der Einträge je nach Liste stark variiert. Mit insgesamt 606 Einträgen (Einrichtungen, Personen und Schiffe), die über 60 Nationalitäten repräsentieren, haben die USA mehr als viermal so viele Einträge auf ihrer OFAC-Liste des Global Magnitsky Sanctions Program (GLOMAG) wie das Vereinigte Königreich und die EU zusammen. Sowohl der Anwendungsbereich als auch der Zeitpunkt führen zu diesem erheblichen Unterschied.

Globale Herausforderungen, lokale Sanktionsrisiken

Das GLOMAG-Programm der USA und die britischen Programme umfassen sowohl Menschenrechtsverletzungen als auch Korruption. Die EU hingegen deckt nur Menschenrechtsverletzungen ab. Der engere Anwendungsbereich der EU-Liste erklärt die geringere Anzahl von Zielen im Vergleich zu den USA und dem Vereinigten Königreich. Das Timing ist ein weiterer Faktor, der zu dem erheblichen Unterschied in der Anzahl der Einträge auf jeder Liste beiträgt.

Die EU führte die GHRSR im Dezember 2020 ein, wobei die erste Benennung im Mai 2021 erfolgte. Ungeachtet der Unterschiede in Bezug auf Anwendungsbereich und Timing ist die fehlende Überschneidung der Einträge der drei Behörden dennoch überraschend. Mit der zunehmenden Verbreitung thematischer Sanktionen besteht für Entitäten das Risiko, unabhängig von ihrem jeweiligen Standort einer Zielgruppe dieser globalen Sanktionsprogramme ausgesetzt zu sein. Die sanktionierten Entitäten können sich überall auf der Welt befinden.

Im Jahr 2021 verhängten die USA über die GLOMAG Sanktionen gegen 92 Ziele in sieben EU-Ländern, darunter Deutschland, Belgien und die Niederlande (15 Prozent der GLOMAG-Ziele). Darüber hinaus befinden sich 325 Ziele in neun der G20-Länder, was 43 Prozent der Ziele in der EU, den USA und dem Vereinigten Königreich entspricht. Dabei ist nicht überraschend, dass Länder mit einem hohen Maß an Korruption oder einer schlechten Bilanz beim Schutz der Menschenrechte die Listen anführen.

Thematische Sanktionen sind auf dem Vormarsch

Das breite Spektrum an Nationalitäten auf den wichtigen Sanktionslisten unterstreicht, wie bedeutsam es ist, die globale Reichweite thematischer Sanktionen anzuerkennen, um gegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption vorzugehen – unabhängig vom Herkunftsland. Thematische Sanktionen sind eindeutig auf dem Vormarsch.

Wenn es die internationale Gemeinschaft jedoch wirklich ernst mit der Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen und Korruption meint, bedarf es weiterer Bemühungen. Besonders die stärkere Angleichung von Sanktionen zwischen der EU, den USA, dem Vereinigten Königreich und weiteren gleichgesinnten Ländern wäre der nächste logische Schritt.

Leslie Bailey

LexisNexis® Risk Solutions

Leslie Bailey ist Vice President, Global Financial Crime Compliance and Payments bei LexisNexis® Risk Solutions.

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