Vom sicheren Hafen ins unsichere Gewässer

Ermittlungen durch Kartellbehörden wegen der LIBOR- und EURIBOR-Skandals gegen Banken können nicht mehr als vorübergehende Einzelfälle abgestempelt werden, vielmehr sind es Vorboten weiterer Kartellermittlungen. Dennoch sind Banken nicht hilflos, sie müssen nur die passenden Compliance-Maßnahmen ergreifen. Höchststrafe bis zu 10% des Umsatzes „Was beim LIBOR- und beim EURIBOR-Skandal so schockierend war, ist nicht nur die…


Ermittlungen durch Kartellbehörden wegen der LIBOR- und EURIBOR-Skandals gegen Banken können nicht mehr als vorübergehende Einzelfälle abgestempelt werden, vielmehr sind es Vorboten weiterer Kartellermittlungen. Dennoch sind Banken nicht hilflos, sie müssen nur die passenden Compliance-Maßnahmen ergreifen.

Höchststrafe bis zu 10% des Umsatzes

„Was beim LIBOR- und beim EURIBOR-Skandal so schockierend war, ist nicht nur die Manipulation der Referenzzinssätze, sondern auch das abgestimmte Verhalten zwischen Banken, die eigentlich miteinander im Wettbewerb stehen sollten. Das Bußgeld in Höhe von mehr als 1,7 Mrd. EUR ist ein deutliches Signal, dass die Kommission fest entschlossen ist, Kartelle im Finanzsektor zu bekämpfen und zu sanktionieren.“ So äußerte sich Joaquín Almunia, Vizepräsident der Europäischen Kommission und Kommissar für Wettbewerb im Dezember 2013 anlässlich der Mitteilung der Bußgeldhöhe gegen die an der Manipulation der Referenzzinssätze beteiligten Banken. Für den immer noch mit den Nachwirkungen der Finanzkrise zu kämpfenden Banken kann diese Ankündigung nichts Gutes verheißen. Die Höchststrafe kann immerhin 10% des gesamten Konzernumsatzes betragen.

Erhöhtes kartellrechtliches Risiko für Banken

Der LIBOR-Skandal ist kein Einzelfall, sondern höchstwahrscheinlich nur Vorbote weiterer Kartellermittlungen im Finanzsektor. Davon zeugen nicht nur die bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen möglicher Marktabschottungen im Kreditderivategeschäft (credit default swaps), möglicher Preismanipulationen bei Öl- und Biotreibstoffen, kartellbehördliche Untersuchungen bei EC- und Kreditkartengebühren sowie bei Online-Bezahlsystemen. Es mehren sich Hinweise auf Goldpreis-Fixing und auf Manipulationen von Wechselkursen.

Ursachen für das erhöhte Kartellrisiko

Die Ursachen für das erhöhte Kartellrisiko sind vielschichtig. Zunächst seien das stetig wachsende Interesse der Behörden am Finanzsektor und die spürbar steigende Verfolgungsaktivitäten genannt. Die Europäische Kommission bekräftigte vor Kurzem, dass die Durchsetzung des Kartellrechts im Finanzsektor oberste Priorität habe. Das wachsame Auge der Kartellbehörden behält von nun nicht nur klassische Industrien im Blick. Schließlich weist der Bankensektor nicht nur viele kartellgeneigte Bereiche auf, auch die Finanzmärkte und ihre Produkte werden von Tag zu Tag komplexer. Entsprechend anfälliger wird der Finanzsektor insgesamt für das Kartellrecht und es steigt das Risiko, gegen kartellrechtliche Vorschriften zu verstoßen.

Outsourcing der Risikobewertung

Im Vergleich zu früher stechen die veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen sofort ins Auge. Die sicheren Häfen in Form von kartellrechtlichen Bereichsausnahmen und kartellbehördlichen Freistellungen sind im Laufe der Zeit alle entfallen. Nun gilt der Grundsatz der kartellrechtlichen Selbsteinschätzung. Banken sind nun in unsicheren Gewässern, sie müssen die Risiken selber identifizieren und bewerten. Kartellrechtliche Risiken bergen dabei nicht nur die koordinierte Festlegung von Referenzwerten, Gebühren und/oder Konditionen. Ebenso kartellrechtssensitiv können Kontakte zu Wettbewerbern sein, sei es in Form von Kooperationen, im Rahmen von Verbandsaktivitäten, Standardisierungsinitiativen, der Bildung von Kreditkonsortien oder der gemeinsamen Produktentwicklung im Investmentbankenbereich oder innovativer e-Payment-Lösungen. In den USA setzten bereits neue Entwicklungen ein, die wahrscheinlich auch in Deutschland und Europa zu neuen Kartellverfahren führen. So erscheinen bereits heute kartellrechtliche Fallstricke u.a. in den Bereichen der Vergabe von Kommunalkrediten, der Kopplung von Finanzprodukten sowie der gemeinsamen Entwicklung oder Vermarktung von Finanzprodukten wahrscheinlich.

Wie können Banken auf das erhöhte Kartellrisiko reagieren?

Nachhaltige Compliance-Maßnahmen sind eine wirkungsvolle und nachhaltige Antwort auf das erhöhte Kartellrisiko. Zu den denkbaren Sofort-Maßnahmen, die Banken umsetzen sollten, zählen u.a. die Identifizierung kartellgeneigter Bereiche durch Compliance-Audits und unternehmensinterne Ermittlungen, die Anpassung und Revision bestehender Compliance-Strukturen, regelmäßige Mitarbeiterschulungen (durch Kartellrechtsworkshops und die Entwicklung maßgeschneiderter e-Learning-Tools), die kartellrechtskonforme Anpassung bestehender Verträge sowie, last but not least, die Vorbereitung auf den Ernstfall einer kartellbehördlichen Durchsuchung der Geschäftsräume der Banken.

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