Wohnungsmangel spitzt sich zu: Die Politik muss mehr tun!

So schwach war das Neugeschäft zuletzt 2004. Die Baugenehmigungen sind seit 2022 um fast ein Drittel eingebrochen. Auch die Finanzierungen sind rückläufig. Der Wohnungsbau befindet sich in der Krise.


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Eindeutig war der kräftige Anstieg der Leitzinsen ein Game Changer für die Nachfrage. Zwar liegen die langfristigen Kreditzinsen im Immobilienneugeschäft deutschlandweit bei rund vier Prozent und sind damit historisch nicht ungewöhnlich hoch. Doch haben sich die Zinskosten für Immobilienkäufer damit ungefähr verdreifacht. In der Niedrigzinsphase hatten sie ein Minimum von 1,22 Prozent erreicht. Regulatorische und geldpolitische Maßnahmen, wie eingeforderte makroprudenzielle Kapitalpuffer und der Wegfall der Verzinsung der Mindestreserve erhöhen die Finanzierungskosten zusätzlich. Die Diskussion über eine Ausweitung des makroprudenziellen Instrumentenkoffers und die Diskussion im EZB-Rat über eine höhere Mindestreserve lassen eher zusätzliche Belastungen erwarten. Gleichzeitig fallen zinsdämpfende Förderprogramme für Wohnimmobilien weg oder sind, wie zuletzt bei den KfW-Programmen, nicht ausreichend mit Finanzmitteln unterlegt, um die Nachfrage zu decken.

Sinkende Bauaktivität im laufenden Jahr

Die Immobilienpreise bleiben hoch. Der Rückgang der Preise seit der Zinswende gleicht deren vorangegangenen Anstieg nicht aus, schon gar nicht in Kombination mit dem Zinsanstieg. Immobilien sind also für breite Bevölkerungskreise immer unerschwinglicher geworden. Seit ihrem Höhepunkt im dritten Quartal 2022 fielen die Preise je nach Erhebung nur um moderate sechs bis elf Prozent und dürften in diesem Jahr die Talsohle erreichen.

Die Preise reagieren vergleichsweise wenig, weil sich das Angebot an neuem Wohneigentum ähnlich schwach entwickelt wie die – fundamental höhere – Nachfrage. Im laufenden Jahr dürfte die Bauaktivität weiter sinken. Experten wie etwa der Wohnungswirtschaftsverband GdW rechnen für 2024 lediglich mit 214.000 neuen Wohnungen. Parallel ist auch die Zahl der Transaktionen von Wohnimmobilien gefallen, denn auch Bestandseigentümer halten sich zurück. Den Angebotsmangel müssen neben potenziellen Käufern auch Mieter bezahlen. Je weniger potenziell Kaufinteressierte tatsächlich eine Immobilie erwerben können, desto mehr verbleiben im Mietmarkt und konkurrieren dort mit allen anderen Mietern um ein insgesamt zu knappes Angebot. Dies führt nicht nur zu sehr hohen Mieten bei Wohnungswechseln, sondern auch zu erheblichen Effizienzverlusten. Auch für Arbeitgeber wird der Wohnungsmangel zunehmend ein Problem: Insbesondere bei Bewerbern aus dem Ausland ist die Wohnungslage inzwischen ein erst zunehmendes Hemmnis.

Zielkonflikt zwischen ökonomischer Effizienz und sozialer Gerechtigkeit

Der sich weiter zuspitzende Wohnungsmangel ist eine große Herausforderung für die Wirtschaftspolitik. Selektive Förderprogramm für sozialen Wohnraum oder Familien ohne hohe Einkommen genügen nicht, um ausreichend Wohnangebot zu erzeugen. Sie bewegen sich in einem Zielkonflikt zwischen ökonomischer Effizienz und sozialer Gerechtigkeit. So schließt beispielsweise die bestehende Familienerstwohnsitzförderung für Nicht-Hochverdiener mit Kindern, aber nur für Energieeffizienzhäuser 40, einen so großen Teil der potenziellen Nachfrager aus, dass nur wenig Neubau daraus folgen kann. Ebenso benötigen Wohnungen, die unterhalb des Mietspiegels angeboten, aber gleichzeitig hohen Nachhaltigkeitsstandards genügen sollen, naturgemäß einen deutlich höheren Zuschuss als preislich marktkonform angebotene Wohnungen. Daher sollten diese Projekte nicht im Zentrum der Wohnungsstrategie stehen. Stattdessen sollte der Staat einerseits seine regulatorischen Hürden verringern. Auflagen und Prüfverfahren müssen verschlankt, Bauordnungen vereinheitlicht und die Verwaltung dadurch entlastet und die Prozesse beschleunigt werden.


Andererseits sollte das Angebot zinsvergünstigter Kredite für den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums über die KfW ausgeweitet werden. Angesichts des Ausmaßes des Wohnungsmangels sollte die Zahl der Anträge trotz enger Haushaltsspielräume nicht gedeckelt werden, damit Wohnungsbauer verlässlich mit der Förderung planen können. Sie sollten möglichst viele Wohnraumschaffende abdecken, also weder den Ersterwerb noch eng gesteckte soziale Gesichtspunkte zur Voraussetzung machen. Denn jede neue, selbstgenutzte Wohneinheit führt dazu, dass eine andere frei und bewohnbar wird. Eine solche breit angelegte Förderung könnte die bestehende Wohnungsknappheit bedeutend vermindern, da sie Mobilität, Transaktionen und Neubau stimulieren würde.

Dr. Andreas Bley

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