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Was Banken von Spotify lernen können

Agile, schnelle Entscheidungen von Teams, in denen flache bis gar keine Hierarchien herrschen und die dazu auch noch völlig autonom agieren: Für die meisten Banken sind solche Managementphilosophien noch immer Zukunftsmusik. Ausgerechnet von Musik-Streamer Spotify kommt jedoch ein System, was auf genau diese Komponenten setzt – und die Bankbranche aufhorchen lässt.


Nicht nur vor dem Fußball-Tor agil: Ex-Eintracht Frankfurt-Keeper Holger Voigt ist heute IT-Architekt bei FI-TS.

Die Finanzbranche ist ein hochreguliertes Umfeld, in dem das Wort Agilität zunächst wie ein Fremdkörper wirkt. Banken können unter diesen Umständen nicht voll und ganz zu einem agilen Unternehmen werden, sich jedoch wichtige Erkenntnisse und Vorgehensweisen von agilen Unternehmen abschauen und für sich adaptieren. Wie das hinsichtlich eines schlagkräftigen IT-Architekturmanagements funktioniert, zeigten gestern Abend Jan Keuntje und Holger Voigt von Finanz Informatik Technologie Service GmbH & Co. KG (FI-TS) auf der BANKINGCLUB-Veranstaltung „Agile Communities nach dem Vorbild von Spotify“. Die Räumlichkeiten der Deutschen Bank in Frankfurt bildeten eine eindrucksvolle Kulisse für ein gleichsam ungewöhnliches Thema. Wie soll ein Musik-Streaming Dienst einer Bank zeigen, wie Projektmanagement geht?

Auf die richtige Balance kommt es an

Unter anderem mit der richtigen Balance zwischen zentraler und dezentraler Organisation. Zunächst muss identifiziert werden, welche Prozesse wirklich gesteuert werden müssen, denn „man kann nicht alles steuern, sonst wird man langsam“, so Voigt. Wenn es um Agilität geht, weiß der IT-Architekt, wovon er redet: Er war früher Torwart bei Eintracht Frankfurt und ist dem Fußballsport in seiner Freizeit bis heute treu geblieben. „Es kommt darauf an, dass wir gute Entscheidungen treffen“, so Voigt weiter. Um dies sicherzustellen, werden sogenannte Squads gegründet. Das sind Expertenteams von bis zu zehn Personen, die für eine ganz bestimmte Fragestellung zusammengebracht werden und diese End-To-End verantworten, z.B. eine neue Schnittstelle, die programmiert werden soll. Jeder Squad arbeitet dabei autonom und entscheidet, welche Methoden angewendet werden. Standards entstehen weniger nach Beschlussbuch, sondern vielmehr durch „cross-pollination“, also gegenseitiger Befruchtung: Wenn jemand eine gute Idee hat, machen andere es genauso.

Aus Projektteam wird Gilde

Die moderne Form des klassischen Projektteams heißt im Spotify-Jargon „Gilde“. Diese besteht aus mehreren Squads und arbeitet nur über einen begrenzten Zeitraum an einer spezifischen Fragestellung, jedoch viel unstrukturierter und ohne Ressourcenplanung. Ist der angesetzte Zeitraum verstrichen oder das Problem gelöst, wird der Zusammenschluss wieder aufgehoben. Die Vorbereitung von Entscheidungen funktioniere nicht an starren Linienorganisationen, so Keuntje. Innerhalb einer Gilde arbeite man deshalb weitestgehend ohne Hierarchien, wodurch Entscheidungswege kurz und effizient werden: „Wenn das richtige Team an etwas arbeitet, komme ich auch zu der richtigen Entscheidung“, so Keuntje weiter. Eine zentrale Entscheidung, die ein zentraler Architekt fällt, gehe natürlich immer schneller, führe jedoch nicht zwingend zu einem besseren Ergebnis.

Elfenbeintürme einreißen

Den besonderen Reiz dieses Ansatzes machten die beiden Experten an einem ganz konkreten Use Case deutlich: ihrem eigenen Unternehmen. Voigt war es besonders wichtig, den Bau von geistigen Elfenbeintürmen innerhalb verschiedener Abteilungen zu stoppen und die Möglichkeiten des proaktiven Austauschs zu nutzen, welche das Gilden-System bereithält. Seine Erfahrung zeigt jedoch, dass es ganz ohne Kontrolle nicht geht: Trotz Autonomie und flachen Hierarchien brauche es Leitplanken, die definieren, wie genau eine Entscheidung gefunden werden soll und die sicherstellen, dass ein Squad die jeweils anderen innerhalb seiner Gilde berücksichtige. Denn IT bestehe immer aus verschiedenen Technologien, die zusammen funktionieren müssen. „Auch das haben wir uns bei Spotify abgeschaut“, so Voigt „große Dinge in kleinen Schritten zu entscheiden“.