Wer alleine agiert, der verliert

Payment-Experte Christian Schollmeyer über das geänderte Bezahlverhalten in der Corona-Krise, über passgenaue Plug-and-Play-Lösungen und warum das Kunstwort „Frenemies“ die aktuelle Payment-Landschaft gut beschreibt.


Kooperationen im Bankbereich werden immer wichtiger.

Menschen in Deutschland nehmen Neuerungen eher langsam an und stehen der Digitalisierung insgesamt oft eher skeptisch gegenüber. Das von Horst Rüther jährlich auf dem EHI-Kongress vorgestellte (und bis vor kurzem noch gültige) „Rüthersche-Gesetz“, wonach Bargeld pro Jahr um rund ein Prozent zugunsten elektronischer Bezahlwege zurückgeht, steht sinnbildlich für diese Entwicklung. Auch der frühere Appell von Ranga Yogeshwar an die ältere Bevölkerung zu digitalen Lösungen – „Sie sind ein Teil davon. Sie können das!“ – unterstreicht, dass eine gewisse Digitalisierungsaversion bei manchen von uns vorhanden ist.

Abseits davon, dass bereits mehr als 80 Prozent der Menschen in Deutschland ein Smartphone besitzen und viele Menschen „intelligente“ Lautsprecher ihr Eigen nennen, geht die Nutzung doch selten über Medienkonsum, Kommunikation und Social Media hinaus. Doch es gibt Digital Natives, die „Always-On“ sind. So wird der tägliche, drei- bis fünfstündige Smartphone-Einsatz von Millennials bezeichnet. Über die Hälfte der Generation Y (geboren im Zeitraum der frühen 1980er bis zu den späten 1990er Jahren) checkt über fünfzigmal täglich das Smartphone – mehr als dreimal so viel wie bei der älteren Gruppe der Babyboomer. Natürlich hat dieses Verhalten auch Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir heute und künftig bezahlen (werden).

Digitale Revolution im Payment

Das Kundenverhalten verschiebt sich derzeit auf digitale Kanäle – stärker als vor der Corona-Krise prognostiziert. Die Chancen des Ausbaus digitaler Kanäle ermöglichen es, Bankgeschäfte von Zuhause aus zu erledigen, mobil und kontaktlos zu bezahlen, um das Infektionsrisiko zu minimieren, und die Liquidität sowie Zahlungsfähigkeit von Privat- und Firmenkunden zu sichern. Der Shutdown hat viele kreative Lösungen hervorgebracht und Menschen haben sich blitzschnell auf die neue Situation eingestellt, auch bei der Art und Weise des Bezahlens. Bargeld ist verpönt – wer hätte das noch vor kurzem im „Land der Bargeldliebhaber“ für möglich gehalten?

Auch für mich als Teil der größten Finanzgruppe Europas war es spannend zu sehen, wie schnell wir den uns zugeschriebenen Staub abgeklopft haben und binnen weniger Wochen eine Reihe an Features und Lösungen bereitstellen konnten: das Anheben der Grenze für kontaktloses Bezahlen ohne PIN auf 50 Euro, die Befähigung vieler Kunden für Online-Banking, Gutscheinportale, One-Stop-Shops, um stationären Händlern innerhalb von 30 Minuten den Weg in den Online-Verkauf zu ebnen, oder digitale Kreditprozesse.

Was ansonsten lange konzipiert und umgesetzt wird, wurde binnen weniger Wochen geschafft – eine herausragende Leistung. Tempo und Qualität geht doch zusammen. Die Finanzwirtschaft hat eben doch die Menschen und das Lösen von Alltagsfragen und Problemen im Fokus.

Auch in der Post-Corona-Zeit wird die (verstärkte) Nutzung digitaler Lösungen nicht abreißen. Die Dringlichkeit des massiven Ausbaus der Bezahlwege, Banking und zugehöriger Prozesse zur Erfüllung der digitalen Kunden- und Händlerbedürfnisse ist als übergeordnetes Ziel zu priorisieren und von entscheidender Bedeutung für den Erfolg beim Kunden. Das stellt die Branche vor deutlich stärkere Herausforderungen, da Prognosen für die Jahre 2023 oder 2024 hinsichtlich der Trends und Entwicklungen „über Nacht“ heute da sind. Was sind die Erfolgsfaktoren?

Kooperationen werden wichtiger

In der digitalen Transformation von Banken und Sparkassen nehmen Kooperationen einen immer höheren Stellenwert ein. So hoch, dass Kooperationen treffender als Partnerschaften zu beschreiben wären. Banken und Sparkassen sind immer stärker forciert, schnelle Plug-and-Play-Lösungen anbieten zu können, um passgenau und flexibel auf dynamische Markt- und Kundenbedürfnisse eingehen zu können. Die nicht ganz neuen, aber nun krisenerprobten Stichwörter heißen „Partnerschaft“ und „Gemeinschaft“. Die Anforderungen, die eine Krise wie Corona stellt, können nur partnerschaftlich und gemeinsam, also mit Kooperationen, gelöst werden. Wer alleine agiert, der verliert.

Die hochgradige Vernetzung des digitalen Zeitalters hat sich erfolgreich in das zwischenmenschliche Miteinander (Vernetzung) und vor allem auch in die Verbindung von Unternehmen (Partnerschaften) transportiert. Wo das noch nicht so war, hat Corona nachgeholfen. Neben der Finanzkraft entscheiden deshalb Breite und Tiefe von Netzwerk und Partnerschaften über die Zukunft von Unternehmen. Der interdisziplinäre Austausch per Telefon- und Videokonferenzen ist nun die Regel und wird auch in Zukunft häufig das Mittel der Wahl sein – ergebnisorientiertes Handeln steht im Vordergrund.

Gespräche zwischen Banken und Sparkassen, Start-ups und Fintechs, dem Handel, Mastercard und Visa, Payment-Service-Providern und Big-Techs sind weniger stark von Verhandlungssituationen geprägt, sondern lösungsorientiert. Das ist gut und war vielleicht überfällig – die Krise schweißt zusammen. Gleichwohl stehen die Kooperationspartner natürlich auch im Wettbewerb. Das wird bleiben und ist gut für Kunden. Denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Hier passt das Kunstwort „Frenemies“, also die Beschreibung partnerschaftlicher Zusammenarbeit bei gleichzeitigem Wettbewerb.

Aufgepasst: Hier lesen Sie den zweiten Teil des Beitrags von Experte Christian Schollmeyer zur Rolle von Partnerschaften im Payment, zu neuen Lösungen im „Seamless Payment“ und zu Erfolgsfaktoren im Digital Payment.