„Wir Banken müssen das Zahlungsverkehrsgeschäft zu einer Management- und Vertriebsaufgabe machen“

Der Zahlungsverkehr ist eine klassische Bankdienstleistung. Eine mit großer Bedeutung und viel Potenzial, sagt Payment-Experte Oliver Brüggemann von der Volksbank Rhein-Erft-Köln eG. Im Interview spricht er über ungenutzte Chancen der Vergangenheit, aktuelle Entwicklungen und wichtige Schritte für die Zukunft.


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BANKINGNEWS: Herr Brüggemann, wie schätzen Sie die Bedeutung des Zahlungsverkehrs für die deutsche Bankenlandschaft als Ganzes ein?
Oliver Brüggemann: Wenn ich die Bedeutung des Zahlungsverkehrs aus einer globalgalaktischen Brille heraus anschaue, ist meine feste Überzeugung: Der Zahlungsverkehr ist ein integraler Bestandteil des Firmenkundengeschäfts. Das zeigen auch die Bestrebungen nationaler und internationaler Großbanken, das Geschäftsfeld Transaction Banking strategisch neu zu positionieren und auszubauen. Sie investieren in das Thema, weil es eine konstante und vergleichsweise risikoarme Ertragsquelle ist.

Und bei den Volksbanken?
Das ist bei uns auch so. Ein Wert ist hier besonders prägnant, der auch regelmäßig in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe publiziert wird, nämlich, dass die Hälfte der Provisionserträge im Firmenkundengeschäft aus Zahlungsverkehrsprodukten generiert werden. 50 Prozent aus dem Zahlungsverkehr, der ja lange ein verstaubtes Image hatte und Nebenher-Geschäft war. Das ist schon erstaunlich, dass er so lange ein Schatten-Dasein fristen musste. Und meines Erachtens ist da noch viel mehr Musik drin. Wir Banken müssen das Zahlungsverkehrsgeschäft, in Anbetracht des zunehmenden Wettbewerbsdruckes von Fintechs und Big Techs, noch viel stärker in den Fokus rücken und es zu einer Management- und Vertriebsaufgabe machen, um diese 50 Prozent auch in Zukunft zu halten und bestenfalls noch auszubauen. Denn die bisherigen Provisionserträge im Zahlungsverkehr sind ja nicht gottgegeben und erst recht kein Anspruch für die Zukunft.

Wie lassen diese sich denn vielleicht noch ausbauen?
Für uns als Regionalbanken ist es jetzt wichtig, mit den technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen mitzugehen und den Zahlungsverkehr gegenüber dem Wettbewerb mit guten Lösungen und Produkten zu verteidigen, welche unseren Kunden einen echten Nutzen bringen. Gleichzeitig werden wir für den Mittelstand in unserer Region auch weiterhin ein verlässlicher Bank-Partner sein, das ist eine Herkulesaufgabe, aber eine, die gemacht werden muss. Zahlungsverkehr wurde in der Vergangenheit von den meisten Kunden und auch von vielen Bankmitarbeitern nur dann wahrgenommen, wenn es bei der Ausführung von Zahlungen unserer Kunden mal gehakt hatte. Hier bieten insbesondere die Regionalbanken in meinen Augen einen hervorragenden Kundenservice, aber aus dieser reaktiven „Trouble Shooting“-Rolle müssen wir heraus und den Zahlungsverkehr zu einem strategisch und vertrieblich relevanten Geschäftsmodell entwickeln. Hier haben sicherlich gerade die Regionalbanken noch einige Hausaufgaben zu machen.

Der Zahlungsverkehr ist ein integraler Bestandteil des Firmenkundengeschäfts.

Wo steht Ihr Haus in diesem Prozess aktuell?
Unser Vorstand hat die strategische Bedeutung erkannt und die Zahlungsverkehrsberatung organisatorisch als eigenständige Abteilung installiert, die ich leite. Firmenkundengeschäft, Private Banking und Zahlungsverkehrsberatung sind als gleichberechtigte Abteilungen innerhalb unserer Bereichsdirektion „Individualkunden“ organisiert. Wir als Regionalbank haben da in meinen Augen einen zusätzlichen Vorteil, da wir aufgrund der regionalen Nähe zu Kollegen und Kunden einen engen Austausch leben können. Dies ist gerade im Firmenkundengeschäft ein großer und nicht zu unterschätzender vertrieblicher Vorteil, den man nutzen muss. Übrigens, aktuell suchen wir einen weiteren Zahlungsverkehrsberater oder eine -beraterin, um hier noch stärker zu wachsen.

Welche Potenziale liegen im internationalen Zahlungs­verkehr für Volksbanken?
Mit einem Wort: große. Insgesamt hat das kommerzielle Auslandsgeschäft mit seinen Spielarten für Deutschland als Exportweltmeister nach wie vor enorme Bedeutung. Der Bedarf an Zahlungsverkehrs- oder Bankinstrumenten ist bei international agierenden Firmenkunden definitiv vorhanden. Und die Kunden signalisieren auch direkt oder indirekt, dass sie Bedarf an der Begleitung durch eine Bank haben. Das erkennt man etwa in der Bilanz, wenn dort Auslandsaktivitäten stehen, wenn die Internetseite auch englischsprachig ist oder ich beim Kundenbesuch feststelle, dass dort regelmäßig ausländische LKWs auf dem Hof stehen. Das sind alles Hinweise darauf, dass mein Kunde im oder mit dem Ausland aktiv ist. Und ich bin der festen Überzeugung, dass Kunden die Erwartungshaltung haben, dass ihre Hausbank diese Botschaften aufnimmt und ins Gespräch über diese Themen kommt. Die Genossenschaftliche FinanzGruppe kommt im Firmenkundengeschäft laut der DZ Bank auf einen Marktanteil von gut 25 Prozent. Bei vielen Volksbanken Raiffeisenbanken spiegelt der regionale Marktanteil im Firmenkundengeschäft jedoch noch nicht den Marktanteil im Auslandsgeschäft wider. Hier ist also teilweise noch großes Potenzial vorhanden, was gehoben werden kann. Da muss man sich schon selbstkritisch die Frage stellen, wie das kommt. In meinen Augen sind wir Volksbanken in einem Kreislauf mit einer selbsterfüllenden Prophezeiung gefangen.

Mit Blick auf die Leistungsfähigkeit müssen wir uns nicht vor der Deutschen Bank oder der Commerzbank verstecken.

Was verstehen Sie darunter?
Das heißt konkret: Unsere Kunden werden oftmals nicht auf das Thema Auslandsgeschäft angesprochen. Bei den Kunden setzt sich dann der Eindruck fest, dass ihre Volksbank keine Produkte oder Dienstleistungen im Auslandsgeschäft anbieten kann oder will. Wir sind also beim Thema Kompetenzvermutung. Die wird heute nicht bei einer Volksbank Raiffeisenbank gesehen, sondern klassischerweise bei der Commerzbank, Deutschen Bank und Co., obgleich ich auch Volksbanken Raiffeisenbanken kenne, die sehr erfolgreich in ihren jeweiligen Geschäftsgebieten im Auslandsgeschäft agieren. Volksbanken Raiffeisenbanken – als regional agierende Banken – haben das Auslandsgeschäft oftmals nicht im Fokus beziehungsweise als Bestandteil des Firmenkundengeschäfts betrachtet. In der Folge ist eine entsprechende Kompetenz bei den Banken nicht vorhanden, sodass sich dies dann natürlich im Kundenkontext widerspiegelt. Die Kompetenzvermutung verstärkt sich. Das ist ein Kreislauf, den wir als Genossenschaftliche FinanzGruppe durchbrechen müssen.

Was tun Sie dagegen?
Ich kenne viele Volksbanken und Raiffeisenbanken, die wie wir aktuell versuchen, diese Kompetenzvermutung in ihren jeweiligen Geschäftsgebieten und gemäß ihrem Marktanteil aufzubauen. Und das können wir in Kooperation mit unserer Zentralbank, der DZ Bank, auch. Die DZ Bank ist zweitgrößte Bank in Deutschland mit einem der besten Ratings in ganz Europa, verfügt über ein hervorragendes Korrespondenzbanken-Netz, unterhält diverse Auslandsstandorte sowie weltweite Repräsentanzen und bietet kundenorientierte Vertriebsabwicklungsprozesse. Wir müssen uns also mit Blick auf die Leistungsfähigkeit nicht vor der Deutschen Bank, Commerzbank und Co. verstecken! Im Prinzip spricht also nichts dagegen, unsere Leistungsfähigkeit beim Kunden anzusprechen und zu demonstrieren. Dies ist der gordische Knoten, den wir als Genossenschaftliche FinanzGruppe, aber auch wir als Volksbank Rhein-Erft-Köln eG, noch durchschlagen müssen. Unser Ziel ist es, unserem Marktanteil und unserem Anspruch im Firmenkundengeschäft auch im Auslandsgeschäft gerecht zu werden. Ein lohnenswerter Weg, der sich für unsere Kunden, unser Haus und jeden einzelnen Kundenberater auszahlen wird, da bin ich mir sicher.

Interview: Laura Kracht