Lobwüste Deutschland

Dienstwagen, Boni, Gehaltsprämien: Arbeitgeber lassen hohe Summen springen, um ihre Mitarbeiter zu motivieren. Firmen lassen sich Incentives bis zu 25000 Euro kosten. Dabei funktioniert Mitarbeitermotivation auch anders. Arbeitgeber fördern ihre Beschäftigten, spendieren ihnen Prämien für gute Ideen, und Erfolgsbeteiligungen, bauen Fitnesscenter auf dem Werksgelände, übernehmen Rechnungen mobiler Massage-Teams für Annehmlichkeiten wie das Mitarbeiter-Verwöhnprogramm. Doch Incentives…


Dienstwagen, Boni, Gehaltsprämien: Arbeitgeber lassen hohe Summen springen, um ihre Mitarbeiter zu motivieren. Firmen lassen sich Incentives bis zu 25000 Euro kosten. Dabei funktioniert Mitarbeitermotivation auch anders.
Arbeitgeber fördern ihre Beschäftigten, spendieren ihnen Prämien für gute Ideen, und Erfolgsbeteiligungen, bauen Fitnesscenter auf dem Werksgelände, übernehmen Rechnungen mobiler Massage-Teams für Annehmlichkeiten wie das Mitarbeiter-Verwöhnprogramm. Doch Incentives dieser Art sind nicht in allen Fällen motivationsfördernd. Im Interview mit Spiegel Online erklärt Motivationsforscher Lutz von Rosenstiehl, warum gerade Sachprämien Gift für die Motivation sind. Dienstwagen oder Diensthandy fördern die Motivation nur kurzfristig, denn man gewöhnt sich schnell daran. Außerdem verschlechtern solche Boni die Voraussetzungen für erfolgreiche Teamarbeit. Denn oft ist unklar, weshalb gerade Herr Schmitz die Extrawurst erhält und nicht Herr Müller. Die undurchsichtigen Kriterien, die zur Prämie führen, demotivieren denjenigen, der keinen Bonus erhält. Als Folge entsteht Neid, ein latentes Gefühl von Ungerechtigkeit und führt schließlich dauerhaft zur unproduktiven Arbeit. Darüber hinaus hängt es von den Personen ab, ob der Sachbonus die Motivation erfolgreich fördert, erklärt von Rosenstiehl. Nicht jeder schätzt Geld gleichermaßen. Für Menschen, die mit ihrer Tätigkeit rundum glücklich sind, spielt das Gehalt nur eine untergeordnete Rolle.

Dabei müssen Arbeitgeber gar nicht tief in die Tasche greifen, um ihre Mitarbeiter erfolgreich zu motivieren. Motivation ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Person und Situation, erklärt Heinz Mandl, Lehrstuhlinhaber für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der Uni München. Es geht um die Anerkennung der Leistung. Oft wissen die Beschäftigten gar nicht, ob ihre Arbeit gut ist. Sie lechzen nach Lob und Anerkennung. In dem Land der Lobwüste.

Wir sind eine Kritikgesellschaft, eine Meckerwelt, in der uns das Nörgeln in die Wiege gelegt wurde. Skeptisch zu sein gilt als geistvoll. In der Schule wurde uns beigebracht nach Fehlern zu suchen, in der Zeitung lesen wir fast ausschließlich negative Nachrichten und über das Wetter beschweren wir uns, egal ob es regnet oder die Sonne scheint. Nichts und niemand kann es uns recht machen. Ein schwäbisches Sprichwort sagt: Nicht geschimpft ist gelobt genug. Für die Berufswelt gilt es nicht. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung legt nahe, dass sich etwa 60 Prozent der Deutschen im Beruf nicht ausreichend gewürdigt fühlen. Bei einer Online-Umfrage der Jobbörse Stepstone unter 10 000 Europäern klagten 56 Prozent der Deutschen, ihre Arbeit würde von ihren Chefs nicht geschätzt. Frust vorausgesetzt. Wer sich im Job nicht gewürdigt fühlt, leistet nur noch Dienst nach Vorschrift, hat vielleicht schon innerlich gekündigt. Dabei würde ein einfaches Lob Wunder wirken, den sogenannten „Milka-Effekt“ auslösen: glückliche Kühe, die mehr Milch geben.

 

Deutsche Chefs müssen aus dieser Kritikwelt austreten, wenn sie ihre Mitarbeiter langfristig motivieren wollen. Was bei Facebook mit dem Like-Button selbstverständlich ist, sollte sich auch in der Realität eingliedern. Sätze wie „Schön, dass Sie bei uns und nicht bei der Konkurrenz arbeiten!“ sind für jeden Mitarbeiter ein Höhepunkt in seinem Arbeitsalltag. Vorausgesetzt, das Lob ist glaubwürdig, erklärt Günter Seipp, Coach für Konflikt- und Krisenmanagement. Das heißt auch, dass Lob nicht verschwendet werden soll, gerade weil es umsonst ist. Es soll die Wertschätzung des Mitarbeiters durch den Arbeitgeber zeigen. Nicht jedoch wieder den nicht gelobten Mitarbeiter demotivieren. Von Rosenstiehl rät daher vom öffentlichen Lob ab.

Anerkennung entsteht meist in einer hierarchischen Beziehung, in der der übergeordnete den ihm untergeordneten lobt. Die Aufgabe besteht darin, in der Hierarchie eine nicht-hierarchische Kommunikation zu ermöglichen, man muss also die Machtdistanz verringern. Das entsteht durch einen guten Kontakt der Arbeitgeber zu den Mitarbeitern und offene Gespräche. Der Chef sollte übrigens auch mal gelobt werden.

Foto von tumpikuja – www.istockphoto.de