Mitarbeitergewinnung in einem schwierigen Marktumfeld

Bewerbungsgespräch mal anders: Nicht die Kandidaten, sondern die Unternehmen müssen von sich überzeugen. Wie das gelingt und wie Banken vielversprechende Bewerber begeistern, erklärt Regine Busch von der Gladbacher Bank AG.


Markt

Wir haben mal wieder alles gegeben – so oder so ähnlich würde ich inzwischen die Frage des Vorstandes beantworten, wie das letzte Bewerbungsgespräch in der Gladbacher Bank gelaufen sei. Mitarbeitergewinnung ist im Bankenbereich zur Kernaufgabe für Personaler geworden. Drohender Personalmangel stellt ein Geschäftsrisiko dar, welches die ohnehin gebeutelte Branche weiter in die Knie zwingt.
Einige werden jetzt dagegenhalten: Große Institute würden doch Personal abbauen, der Markt müsse demnach voll von gut qualifizierten Bankern sein. Kreditinstitute bauen Personal jedoch behutsam und oft auf freiwilliger Basis ab. Vorruhestandsregelungen spülen dabei nicht die Zielgruppe auf den Markt, die sich die Branche über viele Jahre sichern, entwickeln und fördern will. Andere wiederum steigen komplett aus und kehren der Bankbranche den Rücken.

Hinzu kommt, dass es den „Banker“ von früher nicht mehr gibt. In den 80er-Jahren absolvierten diejenigen eine Bankausbildung, die sich für Wirtschaftsthemen interessierten, gute Schulnoten in Mathematik und Deutsch vorweisen konnten und zudem von Haus aus Etikette mitbrachten. Da nahm man das Wort Vertrieb nicht in den Mund. Die Bankausbildung galt zu der Zeit noch als gute Alternative zum Studium. Wer aus 600 Bewerbern zu den 12 glücklichen Auszubildenden eines Hauses gekürt wurde, hatte den Sechser im Lotto gewonnen. Heute freuen sich Personaler bereits, wenn sie auf eine freie Stelle überhaupt geeignete Bewerbungen erhalten.

Auf die richtige Ansprache kommt es an

Banker fühlen sich in der aktuellen Zeit zum Teil überfordert von ständigen Wechseln, technischen Veränderungen und dem immer größer werdenden Erfordernis eines starken Vertriebs. Die Branche wird für Bewerber zunehmend unattraktiv.

Inzwischen werden in Banken exzellente Vertriebler, Kundenbeziehungsmanager und Visionäre gesucht. Veränderungsgestalter und verkäuferisch geschickte Technik-Cracks ersetzen den „Urtyp Banker“. Wenn Beratung, dann bitte auf den modernen medialen Kanälen. Die Bankbranche erfindet sich zurzeit neu. Das ist auch gut so, da das plüschige und verstaubte Image der früheren Dekaden weder die gut ausgebildeten Spezialisten auf dem Markt anspricht noch die junge Kundenzielgruppe und zu erwartende Erbengeneration, die den Fortbestand des beratungsintensiven Geschäftes in klassischen Kreditinstituten sichern sollen. Frühere Aufgaben erledigt inzwischen die Technik und weitere künftig die Künstliche Intelligenz.

Von klassischen Biografien abweichen

Wie kommt ein Unternehmen nun an die begehrte Zielgruppe, um die sich der ganze Markt reißt? Effiziente Bewerbungsprozesse nach reibungslosen Algorithmen und damit kürzeste Reaktionszeiten sind ein Mindestmaß an Hausaufgaben, die ein Arbeitgeber hier machen muss. Auch der bewährte Bauchladen mit diversen Zusatzleistungen stellt auf Dauer nur einen Hygienefaktor dar. Es geht inzwischen viel mehr darum, medial an die Zielgruppe zu gelangen und diese schlussendlich auch für das Haus zu begeistern.

Social Media ist ein adäquates Mittel zur Kontaktaufnahme. Warum erst einen Lebenslauf senden, wenn man über Business-Netzwerke einen Kontakt herstellen und sich mit Personalern oder dem zukünftigen Vorgesetzten direkt austauschen kann? Dabei spielt es keine Rolle, wo und wann der Kontakt aufgebaut wird –Niedrigschwelligkeit ist das Gebot der Stunde. Den Lebenslauf haben Bewerber ohnehin schon in ihren Profilen hinterlegt.

Besonders in kleineren Häusern wie der Gladbacher Bank ist Bewerbermanagement ein People Business. Mitarbeiterempfehlungen haben einen enorm hohen Stellenwert, da das Unternehmen aus vielen einzelnen persönlichen Netzwerken schöpfen kann. Gerade im beruflichen Kontext überlegt sich zudem jeder ganz genau, für wen er eine Empfehlung abgeben würde oder nicht. Auf diese Weise Angesprochene und latent Suchende erhalten den Vorteil, sich nicht zu einer Bewerbung überwinden zu müssen. Einige von ihnen haben lange Betriebszugehörigkeiten und eine Bewerbung stellt für sie einen Loyalitätsbruch und womöglich eine Ungehörigkeit gegenüber dem alten Arbeitgeber dar.

Auch kleine Banken müssen künftig ihr Visier weit öffnen und von den klassischen Biografien abweichen. Das Thema Bank erschließt sich für Interessierte auch durch andere Berufe, Studiengänge oder Fortbildungen. Wichtig sind die richtige Arbeitseinstellung und Veränderungsbereitschaft. Fachliche Lücken lassen sich anderweitig schließen.
Schlussendlich ist das Thema Mitarbeitergewinnung auch ein Kulturthema. Ein offener und wertschätzender Umgang den bestehenden und künftigen Mitarbeitern gegenüber ist die beste Investition in die Zukunft der Bank. Mitarbeiter, die entwickelt und gefördert werden und die an Entscheidungen partizipieren können, sind mündig und zufrieden. Dies zeigt sich in Arbeitgeberbewertungen, Weiterempfehlungen und Rückkehrquoten.

Für Personaler gewinnen Reaktionsfähigkeit, Schnelligkeit, Flexibilität und die Fähigkeit, die Bank und genau diese Kultur bestmöglich zu repräsentieren, zunehmend an Bedeutung. Längst bewirbt sich nicht mehr der optimal qualifizierte Bewerber, sondern die Bank beim zukünftigen Mitarbeiter. Hier heißt es, im Bewerbungsprozess alles zu geben.

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